Die Elfen der Dämmerung: 3 dicke Fantasy Sagas auf 1500 Seiten. Frank RehfeldЧитать онлайн книгу.
ihrer Kräfte angelangt und hatten sich sofort in die für sie vorbereiteten Quartiere zurückgezogen. In den vergangenen Tagen, seit Maziroc sie zuletzt gesehen hatte, mussten sie wie die Teufel geritten sein. Dennoch betrug ihr Vorsprung vor den Damonen nur einen knappen Tag, was bedeutete, dass auch die Ungeheuer die Ordensburg bald erreichen würden.
Trotz seiner Erschöpfung hatte Eibon schon so kurz nach seiner Ankunft nach Charalon und Maziroc geschickt, hatte sich nicht mehr an Erholung gegönnt, als unbedingt nötig war. Das allein zeigte dem Magier, dass der Elbenkönig ihnen etwas äußerst Wichtiges mitzuteilen haben musste.
Als er das Quartier Eibons fast erreicht hatte, verließ gerade eine ältere Vingala den Raum. Ihr Gesicht drückte Trauer aus, und ihre Augenwinkel glänzten sogar feucht.
"Was ist los?", erkundigte sich Maziroc. "Wie geht es Eibon?"
"Nicht gut", presste die Vingala hervor und man sah nun, dass sie wirklich mit den Tränen kämpfen musste. "Ich fürchte, er ... er wird sterben. Diese verfluchten Ungeheuer!"
Sie eilte an ihm vorbei, und Maziroc betrat das Zimmer. Außer dem Elbenkönig selbst hielten sich noch sein Leibarzt und zwei weitere Hexen dort auf. Auch Charalon war bereits eingetroffen. Schon der erste Blick in das abgezehrte, eingefallene Gesicht Eibons zeigte Maziroc, dass die Vingala recht gehabt hatte. Er hatte einen Mann vor sich, der mit dem Tode rang und bereits unheilbar von ihm gezeichnet war. Fast apathisch lag er in seinem Bett, bekam von seinem Arzt gerade einen Trank aus einer Schale eingeflößt. Nach wenigen Schlucken musste er husten. Ein Teil des Trankes floss aus seinen Mundwinkeln zurück, doch hatte er sich mit Blut vermischt. Der Blick des Elbenkönigs war von hohem Fieber getrübt, klärte sich jedoch ein wenig, als er Maziroc erkannte.
"Geht jetzt", befahl er seinem Arzt und den beiden Vingala. Seine Stimme war kaum mehr als ein Wispern, und das Sprechen fiel ihm sichtlich schwer. "Was ich ... zu sagen habe, ist nur ... für die Ohren von Charalon und Maziroc bestimmt."
"Aber Herr", wandte sein Leibarzt ein, ein ebenfalls schon älterer Elb. "Ihr könnt ..."
"Geht", sagte Eibon noch einmal, ein wenig lauter diesmal. "Das ist ... ein Befehl."
"Wie Ihr befehlt, Herr." Mit sichtlichem Widerwillen stellte der Arzt die Schale auf einem Tischchen ab. Nachdem er den Elbenkönig noch einige Sekunden lang betrachtet hatte, wandte er sich mit einem Ruck ab und verließ zusammen mit den Vingala den Raum.
"Kommt näher", bat Eibon und winkte ihnen schwach mit der Hand.
"Du darfst dich nicht anstrengen", sagte Charalon, als er ebenso wie Maziroc bis direkt an das Bett vorgetreten war. "Es wäre besser, wenn du dich erst etwas erholen würdest und wir später miteinander sprechen."
"Es wird ... kein später mehr für mich geben", entgegnete Eibon krächzend. "Machen wir uns ... nichts vor. Ich werde ... sterben. Die Anstrengung war ... zu viel für mich. Ich habe den Zeitpunkt ... schon seit Tagen nur mehr hinausgezögert. Ich bin ... für meine Männer verantwortlich und musste ... sie sicher hierhergeleiten. Nun ist ... meine Aufgabe erfüllt und meine Kraft ... fast aufgebraucht."
"Aber das stimmt nicht", antwortete Charalon und griff impulsiv nach der Hand des Sterbenden. "Das Volk der Elben ... wir alle brauchen dich auch weiterhin. Dein Tod wäre ein furchtbarer Schlag für deine Leute und würde sie noch vor der Schlacht völlig demoralisieren."
"Du kennst uns Elben ... nicht so gut, wie du denkst", behauptete Eibon. "Mein Tod wird ihnen im Gegenteil ... Kraft geben. Jeder von ihnen ... wird darauf brennen, mich zu rächen. Aber mir bleibt ... nur noch wenig Zeit, und ich muss ... euch dringend etwas sagen. Vielleicht könnte es ... die Rettung für Cavillon sein." Er hob schwach eine Hand und deutet auf eine Kommode. "Die Schatulle dort ... gebt sie mir."
Maziroc trat an die Kommode, auf der ein kleines, schlichtes Metallkästchen stand, dessen Deckel mit mächtigen Runen verziert war. Vorsichtig ergriff er es, trug es zum Bett hinüber und reichte es Eibon. Andächtig strich der Elbenkönig mit den Fingerspitzen über die Symbole.
"Ihr wisst, dass Cavillon nicht von Menschen erbaut wurde", sagte er. Seine Stimme klang plötzlich klarer und das Sprechen fiel ihm etwas leichter, als würde er Kraft aus der Schatulle beziehen. "Aber auch nicht von uns Elben, wie allgemein angenommen wird, so wenig wie Ai'Lith. Wir haben beide Bauwerke selbst nur von einem der früheren Völker übernommen. Cavillon war stets ein Ort starker Magie, und da es bei meinem Volk niemals Magier gegeben hat, haben wir euch Cavillon vor langer Zeit geschenkt, als das Menschenvolk die ersten Magier und Hexen hervorbrachte."
Diese Eröffnung stellte für Maziroc keine allzu große Überraschung dar. Er hatte bereits vermutet, dass weder Ai'Lith noch Cavillon von den Elben erbaut worden waren, doch hatte es nie einen Beweis dafür gegeben.
"Den eigentlichen Quell von Cavillons Macht jedoch haben wir euch damals nicht gegeben", fuhr Eibon fort. "Wir wussten nicht, wie sich das Volk der Menschen und auch der Magierorden entwickeln würde. Ihr wart noch ein junges und sehr kriegerisches Volk damals, und wir wollten euch keine zu große Macht in die Hände geben." Er rang sich mühsam ein Lächeln ab. "Kriegerisch seid ihr auch heute noch, aber ihr habt auch beträchtliche Weisheit erworben." Wieder strich er mit den Fingerspitzen über das Kästchen in seinen Händen. "Diese Schatulle enthält den größten Schatz meines Volkes. Er stellt zugleich unser größtes Heiligtum dar, was ein weiterer Grund dafür war, weshalb wir ihn bislang selbst gehütet haben."
"Ich verstehe nicht, wovon du sprichst", murmelte Charalon.
"Wir Elben glauben, dass unsere Seelen nach dem Tode eine Wanderschaft an einen anderen Ort antreten, einen Ort, wo wir geläutert werden, und von wo aus wir dann, wenn unsere Seele vollkommen rein sind, zu den Göttern emporsteigen, um unseren Platz an ihrer Seite einzunehmen."
Maziroc runzelte die Stirn. Er hatte gehofft, dass Eibon ihnen eine wichtige Enthüllung machen würde, ihnen ein Geheimnis verraten, dass ihnen womöglich eine konkrete Waffe gegen die Damonen in die Hand geben würde. Stattdessen jedoch schien der Geist des Elbenkönigs vom herannahenden Tod bereits so vernebelt zu sein, dass er nur über den religiösen Glauben seines Volkes philosophierte, was das weitere Schicksal einer Seele nach dem Tode betraf. Es mochte für einen Sterbenden wie ihn wichtig sein, doch für die bevorstehende Schlacht, in der über ihr aller Überleben entschieden werden würde, war es ohne Bedeutung. Dennoch schwieg Maziroc aus Ehrfurcht vor dem Elbenkönig.
"Dieser Ort, von dem aus unsere Seelen nach ihrer Läuterung zu den Göttern aufsteigen, heißt Dämmerschmiede", sprach Eibon weiter. "Es ist ein Ort großer Macht und Magie, guter wie verderblicher. Wir Elben können ihn nur nach unserem Tod erreichen, aber es gibt auch einen anderen Weg dorthin. Einen Weg, der nur hier von Cavillon aus beschritten werden kann, und nur von denen, die die gleiche Magie beherrschen wie jenes längst vergangene Volk, das die Ordensburg einst errichtete. Wir Elben waren nie seine Erben, das seid ihr Menschenmagier, doch wie ich schon sagte, haben wir euch einst einen Teil dieses Erbes vorenthalten, weil es für unser Volk heilig war. Ich hoffe, ihr habt Verständnis dafür und urteilt deshalb nicht zu streng über uns."
Erneut wurde er von einem heftigen Hustenanfall geschüttelt. Ein dünner Blutfaden rann aus seinem Mund. Maziroc wischte ihn mit einem sauberen Tuch fort.
Als Eibon sich wieder einigermaßen erholt hatte, drückte er auf eine bestimmte Rune im Deckel der Schatulle. Das Kästchen sprang auf. Auf einem Bett aus schwarzem Samt lag darin ein runder, kunstvoll geschliffener Kristall, etwa so groß wie eine Kinderfaust, der von innen heraus in einem düsteren Violett gloste.
"Dies ist der Seelenstein", erklärte Eibon. "Wir haben ihn so genannt, weil er das Tor zu dem Ort öffnet, an den unsere Seelen nach unserem Tod gehen. Das Tor zu der regenbogenfarbenen Brücke, die zu der Dämmerschmiede führt."
Wieder musste er husten, und fast wäre die Schatulle seinen Händen entglitten, wenn Charalon nicht rasch zugepackt und sie aufgefangen hätte.
"Nimm sie", sagte Eibon, als der Hustenanfall vorbei war. "Nach dem Fall Ai'Liths wird unser Volk nie wieder das sein, was es einst war. Die Zahl der Elben schrumpft schon seit Jahrhunderten, und unsere Macht ist seit