Im Reiche des silbernen Löwen I. Karl MayЧитать онлайн книгу.
daß ich zwar drohen und die Waffe auf dich richten, aber doch nicht schießen werde; aber – — – «
»Ja, ja,« fiel er mir triumphierend in die Rede, »so wird es geschehen, genau so, wie du jetzt gesagt hast.«
»Das dachte ich mir! Du kennst Old Shatterhand genau, aber doch noch nicht ganz. Du meinst, daß ich dich nicht erschießen werde, und hast sehr recht damit; aber das ist gar kein Grund für dich, so höhnisch dreinzublicken, wie du es thust. Ich habe ja gesagt, daß ich dich viel toter machen werde, als du denkst. Du kennst meine Menschlichkeit, aber Old Shatterhands List scheint dir noch unbekannt zu sein. Du glaubst, mich jetzt besiegt zu haben, und bist doch selbst besiegt. Ich werde dich töten, aber nicht deinen Leib, sondern deine Seele.«
»Meine Seele?« fragte er erstaunt. »Wie kann man der Seele eines Menschen eine Kugel geben!«
»Das weißt du nicht? Ich werde es dir zeigen. Man kann die Seele eines roten Mannes so zerschießen und zerfetzen, daß sie für die ewigen Jagdgründe vollständig tot und verloren ist. Mr. Perkins, ich möchte mir den Spaß machen, ein wenig mit dem Revolver zu knallen. Wollt Ihr wohl so gut sein, das Ding zu halten, nach welchem ich schießen werde?«
»Well,« antwortete er. »Wenn Ihr wollt, werde ich es thun, Sir. Möchte Euch aber fragen, ob wir jetzt Zeit zu solcher Spielerei haben.«
»Ihr werdet gleich erfahren, ob es Spielerei ist oder nicht. Stellt Euch hierher, und streckt den Arm hübsch aus, damit ich Euch nicht in den Leib treffe.«
»Pshaw! Von Old Shatterhand hat man keinen Fehlschuß zu befürchten,« sagte er, indem ich ihn ungefähr dreißig Schritte seitwärts von dem Häuptling postierte und seinen Arm in wagrechte Haltung brachte. Dann ging ich zum Pferde des Häuptlings, nahm den Medizinbeutel weg, trug ihn zu Perkins, dem ich ihn in die Hand gab, und sagte:
»So, Mr. Perkins. In dieser Medizin steckt die Seele, der Geist To-kei-chuns, des Häuptlings der Comantschen. Ich werde sie erst mit meinen Kugeln durchbohren und dann den Beutel gar verbrennen, um ganz sicher zu sein, daß der Häuptling die ewigen Jagdgründe nie betreten wird. Dann lassen wir ihn laufen. Seinem Körper ist dann nichts geschehen; er kann nicht sagen, daß Old Shatterhand ihn ermordet habe; aber er darf nicht zu den Seinen zurückkehren, denn sein Name ist in den Fluten der Schande erloschen, und er kann ihn nicht dadurch wiedererlangen, daß er sich eine neue Medizin verschafft; er hat die alte ja nicht im Kampfe verloren, sondern sie ist ihm durch List abgenommen und so beschimpft worden, daß die Ehre ihres Besitzers niemals wiederhergestellt werden kann.«
Ich that, als ob ich bei diesen Worten den Häuptling gar nicht ansähe, warf aber einen verstohlenen Blick auf ihn und bemerkte zu meiner großen Genugthuung, daß meine Berechnung richtiger gewesen war, als die seinige. Seine Augen nahmen vor Entsetzen einen starren, gläsernen Ausdruck an; er wollte reden, brachte aber zunächst nichts hervor; dann entquoll seinem Munde ein heiserer, gurgelnder Schrei; er versuchte, sich in den Fesseln aufzubäumen, und rief dann endlich, als ich den Revolver hob und auf den Medizinbeutel zielte, in furchtbarer Angst und mit schriller Stimme:
»Halt, halt ein! Weg mit der Waffe! Ich bitte dich um des guten Manitou willen, schieß nicht – schieß nicht – schieß ja nicht!«
Ich ließ die Hand nicht sinken, sondern behielt den Revolver im Anschlage, wendete dem Häuptlinge aber das Gesicht zu und fragte:
»Du giebst also zu, daß deine Ehre und deine Seele für immer und ewig verloren wäre, wenn ich jetzt schösse?«
»Ja, ja, ja!«
»Und bittest mich, dies nicht zu thun?«
»Ja.«
»Du giebst ganz ausdrücklich zu, daß du mich darum bittest?«
»Ja doch, ja! Aber nimm doch die Waffe weg!«
Da ließ ich die Hand mit dem Revolver sinken und erklärte:
»Du siehst wohl ein, daß du Old Shatterhand doch noch nicht vollständig kanntest; aber in meiner Güte hast du dich nicht getäuscht. Ich bin bereit, Gnade walten zu lassen, wenn du das thust, was ich verlange.«
»Ich thue es; ich thue es. Die Bleichgesichter sollen freigegeben und gegen mich ausgewechselt werden!«
»Pshaw! Das war es, was ich vorhin forderte; jetzt aber verlange ich mehr.«
»Was denn, was?« erkundigte er sich, aufs neue erschrocken.
»Du glaubtest, klüger zu sein, als ich, und hast meinen gerechten und billigen Vorschlag zurückgewiesen und Worte des Hohnes und Spottes zu mir gesprochen; ich bin ruhig dazu geblieben, denn ich wußte, daß du unterliegen würdest. Nun dies geschehen ist, verzichte ich zwar darauf, den Spott meinerseits zu erwidern, verlange aber, daß er gesühnt werde. Old Shatterhand ist nicht der Mann, den man übertölpeln kann und auslachen darf. Meine Forderung geht jetzt weiter als vorhin.«
»Was willst du von mir? Doch nichts weiter, als die Gefangenen?«
»Ja, weiter nichts; aber die Bedingung ist eine andere geworden, zur Strafe und zur Warnung für dich. Auch müssen die Beleidigungen gutgemacht werden, welche du gegen mich ausgesprochen hast. Also, gieb schnell die Antworten, welche ich von dir verlange, sonst schieße ich dennoch!«
Ich legte den Revolver wieder auf den Medizinbeutel an, den Perkins noch hochhielt, und fuhr fort:
»Du giebst also zu, jetzt ein Bittender zu sein?«
Man muß die Heiligkeit kennen, in welcher die Medizin bei den Indianern steht, um die große Angst zu begreifen, mit welcher To-kei-chun schnell antwortete:
»Ja, ich bitte!«
»Du hast mich einen stinkenden Hund und auch noch anders genannt; jetzt aber sag, wer und was ich bin!«
»Du bist Old Shatterhand, der tapferste unter den weißen Männern!«
»Ferner hast du das Andenken meines toten Bruders Winnetou geschändet, indem du sagtest, auch er sei ein Hund. Wer war Winnetou? Sag es rasch, sonst drücke ich los!«
»Warte doch, warte! Winnetou war der größte und berühmteste Häuptling der Apatschen.«
»Füg hinzu, daß er ein edler Mensch gewesen sei und im Kampfe nie einem Comantschen den Rücken gezeigt habe!«
»Ich sage es; ich gebe es zu!«
»Du bist einverstanden, daß die gefangenen Bleichgesichter sofort freigegeben werden und ihr Eigentum bis auf den kleinsten Gegenstand zurückerhalten?«
»Ja,«
»Du fertigst mir jetzt und hier ein Totem aus, welches ich nur vorzuzeigen brauche, um sie ohne alle Gefahr für mich ausgeliefert zu erhalten und mich mit ihnen entfernen kann, wobei jede Verfolgung von eurer Seite ausgeschlossen ist?«
»Ich werde es thun.«
»Du wirst gegen keinen dieser Männer und auch gegen mich nie wieder etwas Feindseliges unternehmen?«
»Uff! Du verlangst zuviel!«
»Sag ja! Ich warte nicht. Eins – zwei – dr – —!«
»Halt, nicht schießen! Ich verspreche auch das.«
»Das bloße Versprechen genügt mir nicht. Was wir jetzt bestimmen, werden wir mit der Pfeife des Friedens besiegeln.«
»Der große Geist hat seine Hand gewendet und mich in deine Gewalt gegeben; ich muß thun, was du von mir verlangst. Wann giebst du mich frei?«
»Frei? Davon haben wir jetzt nicht zu sprechen.«
»Nicht? Du bekommst die Bleichgesichter; also muß doch ich wissen, wann ich meiner Bande ledig werde.«
»Davon ist eben keine Rede. Ich machte dir den Vorschlag, dich gegen sie auszuwechseln; du gingst in deiner Verblendung nicht auf denselben ein, sondern gabst mir die Antworten des Hohnes und des Spottes; darum sage ich dir dann, daß meine Forderung nun anders geworden sei. Du giebst die Gefangenen dafür frei, daß ich deine Medizin nicht beschimpfe und vernichte, bleibst aber mein Gefangener. Was ich mit dir thue und ob ich dich später freilasse, das kommt ganz auf meine Güte und Gnade an.«
»Uff,