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Im Herzen von Afrika. Georg SchweinfurthЧитать онлайн книгу.

Im Herzen von Afrika - Georg  Schweinfurth


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1870 hatte ich das schreckliche Brandunglück, das mich der wichtigsten Früchte meiner Reise berauben sollte. Die verbrannte Hütte war von meinem Bett kaum 25 Schritt entfernt. Sechs Sklavinnen hatten darin, vom Blitz getroffen, den Tod gefunden, einer siebenten war es gelungen, halb verbrannt aus der lichterloh flammenden Strohmasse hervorzukriechen; der Blitz hatte sie verschont.

      4. In zweifelhafter Gesellschaft

      Wegen der beständig drohenden Feuersgefahr hatte die Niederlassung einen empfindlichen Nachteil gegenüber denjenigen, deren Hütten minder zusammengedrängt waren. Allein die größere Sicherheit der Gegend, der Reichtum an Lebensmitteln, die Seltenheit der Stechmücken, auch der Mangel an Termiten, den weißen Ameisen, boten Vorteile, die alle andern Seriben in den Schatten stellten. Doch fehlte es nicht an zahlreichen kleinen Plagen. In meiner Hütte überstieg die Raumbeschränkung jede Vorstellung. Ich sah mich zu beständigem Aus- und Einpacken meiner tausend Sachen genötigt. In Säcken hingen meine Kleider und Wäsche von der Decke herab; eine Anzahl kleiner Gegenstände steckte im Dachstroh.

      Unter solchen Umständen war der tägliche Kampf mit Ratten, Grillen und Schaben unausstehlich und wurde zu einer beständigen Quelle des Ärgers. Eines eigentümlichen Schutzes bediente ich mich zum Fernhalten der Ratten. Ich ließ wilde Steppenkatzen bringen, die leicht zu zähmen sind, setzte sie angebunden auf die gefährdeten Pakete und konnte mich dann, sicher vor Rattenschaden, schlafen legen. Ratlos schaute ich dagegen dem Überhandnehmen der Grillen zu, die in die dichtesten Koffer eindrangen. Später fand ich im Borax ein wirksames Mittel, sie fernzuhalten. Das Umsichgreifen der Holzwürmer in den Bambusstäben, die meine Hütte zusammensetzten, gestaltete sich zu einem Leiden neuer Art; den ganzen Tag über einen Regen von feinem, gelbem Holzstaub auszuhalten, der sich fingerdick über alle meine Sachen lagerte, drohte das Maß meiner Geduld zu erschöpfen. Ein ähnliches lästiges Insekt in allen Hütten war eine Pillenwespe, ein Tier von fünf Zentimeter Länge, die sich mit Vorliebe in der Spitze der Kegelwölbung des Strohdachs einzunisten pflegte. Ihre Stiche waren viel schlimmer als Bienenstiche. Harmlose Eidechsen gehören in allen Tropenländern zu den gewöhnlichen Hausinsassen; da belebten hübsch gefärbte Skinke meine Behausung, und der zierliche Gecko lief an den Wänden ebenso häufig auf und ab wie in Ägypten und Nubien. Am zahlreichsten waren die gemütlichen Agamen, deren beständiges Kopfnicken die fanatischen Mohammedaner ärgert, denn sie glauben, der Teufel spotte ihrer Gebete, die sie mit steten Verbeugungen begleiten.

      Beim Beginn der Regenzeit überraschte mich auch die Menge der Chamäleons. Das sonderbare Augenverdrehen dieser Tiere diente mir zu Späßen, mit denen ich vor allem die Faki, die mohammedanischen Priester und Schreibkundigen, ärgerte, die sich durch Fanatismus auszeichneten. »Wessen Bild,« fragte ich, »ist ein solches Chamäleon, wenn es das eine Auge nach oben, das andere zu Boden gerichtet hat? Das ist ein Faki; mit dem einen Auge schaut er zu Gott im Himmel auf, mit dem andern aber auf die Erde mit ihren Tälern.«

      Auch sonst habe ich meine Umgebung, die sich fast ausschließlich zum Islam bekannte, mit Kritik nicht geschont, und eigentlich muß man sich wundern, daß unser Verhältnis nicht ernstlich gestört wurde. Denn trotz der ausgezeichneten Behandlung befand ich mich in recht zweifelhafter Gesellschaft. Alljährlich pflegten die Seribenverwalter Raubzüge ins Gebiet der Dinka zu unternehmen, um sich mit frischen Viehvorräten zu versehen. Da sich die verschiedenen Gesellschaften Konkurrenz machten, war man von Anfang an über eine Art Seribenrecht übereingekommen. Die unmittelbar abhängigen Gebiete waren scharf abgegrenzt, und die Straßen, die zur Meschra führen, durften nur von denjenigen Handelsgesellschaften betreten werden, die darauf ein gewohnheitsmäßiges Recht begründen konnten. Fast jede Seriba hatte ihre eigene Straße, auf der sie brandschatzte, und eine Straße ohne Räuberei war hierzulande keine Straße. Am eifrigsten überwachten die Chartumer Gesellschaften ihre Gerechtsame auf Viehraub. Im Jahr 1868 soll die Beute der Gesellschaft des Ghattas aus 8000 Stück Rindern bestanden haben. Dagegen war das Ergebnis des Jahres 1869 kläglich, da die Dinka ihre Herden noch rechtzeitig in unzugängliche Sümpfe geflüchtet hatten. Um das Bedürfnis eines Jahres zu decken, mußte ein solcher Raubzug mindestens 2000 Stück Vieh einbringen. Zwei Drittel der Beute fiel der Verwaltung zu, ein Drittel den Soldaten, von denen die Rinder nach Belieben verschachert wurden. Die Helfershelfer und Hehler dieses verbrecherischen Handels waren die Gellaba, die sich in allen Seriben eingenistet hatten. Abwechselnd handelten sie mit Baumwollenzeug, Mützen, Flinten, Spiegeln, dann wieder mit Sklaven und Sklavinnen, Koransprüchen und Amuletten, Rindern, Ziegen und Schafen.

      In Gurfala, einer Seriba des Bongolandes, entdeckte ich eine Getreidebranntweinbrennerei. Die Nubier frönen dort maßlos dem Branntweingenuß. Sobald neue Warenvorräte aus Chartum anlangen, füllen sich die Lager mit ganzen Reihen großer Glasballons, die meist aus Breslau stammen. Die Verwalter trinken den Spiritus rein, sie können ihn nicht stark genug haben; die übrigen gießen zwei Drittel Wasser dazu oder mischen ihn unter die Merissa, das einheimische aus Negerhirse gebraute Bier. Den Trinkern mundeten besonders die scharfen, durstreizenden Rettiche aus meinem Garten, den ich mir mit viel Lust und Mühe angelegt hatte und in dem Mais, Tabak, Gurken und allerlei europäische Gemüse vorzüglich gediehen. Bei den Gelagen wurde ich mit Bitten nach diesem Reizmittel überhäuft. Mit Vorliebe erkoren die Nubier die ersten Morgenstunden dazu, um sich zu betrinken; sie waren dann für den ganzen Rest des Tages unausstehlich. Im trunkenen Zustand wird der Nubier so streitsüchtig wie der Deutsche, nur entfesselt sich dabei seine schrankenlose Wildheit, und Mord und Totschlag sind nicht selten der Ausgang.

      In der Hauptseriba verging selten eine Woche ohne einen Unfall durch unvorsichtiges Schießen. Selbst stets in Gefahr, von den Kugeln der Seribenbewohner durchlöchert zu werden, mußte ich bei allem Ärger obendrein immer mit meinem chirurgischen Rat herhalten, wenn es sich darum handelte, die Knochen zu bandagieren oder Kugeln und Schrot aus dem Fleisch zu entfernen.

      Oft wurde ich auch in meiner nächtlichen Ruhe beeinträchtigt. Besonders unausstehlich war das ewige Geplärr der lauten Gebetsübungen, das in den Abendstunden erscholl. Es war um aus der Haut zu fahren. Da waren Faki angekommen aus Darfur, die in einem selbst den gelehrtesten Chartumern völlig unverständlichen Kauderwelsch die Verse des Koran herableierten; das schnurrte nur so wie ein Mühlrad. Meine eigenen Leute, die doch gute Mohammedaner waren, nahmen für mich Partei und verwiesen die nächtlichen Ruhestörer aus der Nähe meiner Hütte.

      Ab und zu waren nächtliche Orgien an der Tagesordnung; als Vorwand für die Wahl der Tageszeit mußte die gar nicht sehr bemerkliche Mückenplage dienen. Wenn die Nubier sich an ihrer abscheulichen Merissa betrunken hatten, tobten sie ihren Übermut an den riesigen Pauken aus, die am Eingang der Seriba hingen. Dicht dabei stand meine Hütte, die Pauken waren mir daher beständig ein Dorn im Auge. Ich wußte mir nur dadurch ab und zu Ruhe zu verschaffen, daß ich Salzsäure auf die Felle spritzte, so daß sie beim nächsten Gebrauch platzten.

      Auch die von den eingeborenen Kogur oder Zauberern bei Krankheiten betriebenen Teufelaustreibungen vermehrten die nächtliche Unruhe. In den höchsten und schneidig schärfsten Tönen, vergleichbar etwa dem Gackern geängstigter Hühner, beginnt der Zauberer seine Beschwörung. Der erste Teil dauert mitunter zwei Stunden ohne die geringste Unterbrechung. Die Einleitung, so wurde mir gesagt, sei nötig, um den Teufel überhaupt zur Antwort zu bewegen. Dann folgen die Fragen und Antworten; die Sprache des Teufels wird durch Bauchrednerkunst vorgetäuscht. Der Zauberer fragt nach Namen und Herkunft des Teufels, nach der Dauer seines Innewohnens, nach Art und Stand desselben und seiner Sippe und Verwandtschaft. Hat er nach stundenlangem Mühen endlich alles herausbekommen, was er wünschte, dann beginnt die Verordnung eines Mittels. Der Kogur geht in den Wald und holt eine Wurzel oder ein Kraut, die in vielen Fällen die Genesung herbeiführen. Das erinnerte mich lebhaft an all den Hokuspokus, mit dem sich bei uns Quacksalber und Wunderdoktoren zu umgeben pflegen und der namentlich dazu dient, ganz einfache, längst bekannte Mittel unter irgendeinem abenteuerlichen Namen oder einer wunderbar aufgeputzten Form der Neugierde des Publikums aufzudrängen. Klappern gehört überall zum Handwerk.

      5. Ein seltsames Hirtenvolk

      Der lange Aufenthalt in der Seriba Ghattas hat mich in enge Verbindung mit den benachbarten Völkerschaften gebracht und mir Gelegenheit zu einer Menge von Beobachtungen und Erkundungen geboten, die ich auf einigen Ausflügen in westlicher


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