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Von Bagdad nach Stambul. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Von Bagdad nach Stambul - Karl May


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war unser Plan belauscht worden. Die Bejat hatten ihn dann als Gefangene den Bebbeh verraten, jedenfalls um sich die Milde ihrer Besieger zu erwerben.

      »Dumm war er ferner,« meinte der Nachbar des vorigen, »daß er sich von dir betrügen ließ.«

      »Ja. Aber dumm war auch Gasahl Gaboya, daß er uns befahl, die Reiter und den Rappen zu schonen. Um die Männer war es nicht schade, sondern nur um das Pferd. Nun sind uns vier entflohen, der Anführer mit ihnen, und weil sie keine Pferde mehr haben, ist es ihnen möglich, über die wildesten Berge zu fliehen. Mit den Pferden aber mußten sie den Weg einhalten, den wir ihnen unten verlegt haben.«

      Die drei Bebbeh hatten Pilze gesammelt, welche sie hier ausschnitten und reinigten, ehe sie dieselben in das Lager bringen wollten. Dies gab Zeit und Gelegenheit zu einem vertraulichen Austausche der Meinungen.

      »Was hat der Scheik nun beschlossen?« fragte der dritte.

      »Er hat einen Boten hinab gesandt. Die andere Abteilung soll warten, bis die Sonne am höchsten steht. Hat sich dann von den Entflohenen noch keiner gefunden, so sollen die andern aufbrechen und zu uns stoßen, denn dann sind die Flüchtlinge sicher entkommen. Wir aber kehren heute noch zurück.«

      »Was geschieht mit den beiden Gefangenen?«

      »Das sind vornehme Männer, denn sie haben noch kein Wort gesprochen. Sie werden uns aber noch sagen, wer sie sind, und ein schweres Lösegeld bezahlen müssen, wenn sie nicht sterben wollen.«

      Ich hatte nun genug gehört und zog mich vorsichtig wieder zurück. Diese drei waren mit ihrer Arbeit fast zu Ende, und wenn sie sich erhoben, so konnte ich sehr leicht von ihnen bemerkt werden.

      Also ich war dumm, der dümmste von uns allen! Ich mußte dieses erfreuliche Kompliment leider hinnehmen, ohne es jetzt erwidern zu können. Am meisten machte mir der Umstand zu schaffen, daß bereits um Mittag aufgebrochen werden solle. Bis dahin also mußten die Haddedihn frei sein. Aber auf welche Weise?

      Jetzt erhoben sich die drei Männer; ich hatte mich also gar nicht zu früh entfernt. Der, der sich für einen Dschiaf ausgegeben hatte, sagte:

      »Geht! Ich werde erst nach den Pferden sehen.«

      Ihm folgte ich von weitem. Er führte mich, freilich ohne sein Wissen, nach einer Bodensenkung, auf deren Sohle ein Wässerchen floß. Hier waren über achtzig Pferde an die Stämme der Bäume und Sträucher gebunden, und zwar in je einer solchen Entfernung, daß sie genug Grünes fanden, ohne sich nahe kommen zu können. Der Platz war hell und sonnig, und vom ersten bis zum letzten Pferde hatte man vielleicht achthundert Schritte zu gehen.

      Ich konnte von oben alles genau betrachten. Es waren ganz prachtvolle Pferde da, und im Geiste las ich mir schon die sechs besten aus. Am meisten befriedigte es mich, daß nur ein einziger Kurde die Aufsicht über die Tiere hatte. Es war gar nicht schwer, ihn zu überwältigen.

      Mein unfreiwilliger Führer machte sich mit einem Braunblässen zu schaffen, der vielleicht das beste Pferd des ganzen Trupps war. Jedenfalls war er der Herr desselben und ich beschloß, ihm um seines liebenswürdigen Kompliments willen Gelegenheit zu geben, auf seinen eigenen Beinen nach Hause zu reiten.

      Er sprach einige Worte mit der Wache und ging dann dem Lager zu. Ich folgte ihm auch jetzt und hatte nun die Ueberzeugung, daß mir in der weiteren Umgebung des Lagers kein Mensch mehr begegnen würde. Ich konnte mich also in die unmittelbare Nähe desselben wagen.

      Nach einer sorgfältigen und sehr langsamen Rekognoszierung hatte ich sechzehn Hütten gezählt, die unter den Bäumen eine Art von Halbkreis bildeten. In der größten Hütte wohnte jedenfalls Scheik Gasahl Gaboya, denn sie war an ihrer Spitze mit einem alten Turbantuche geschmückt. Sie stand auf dem innersten Punkte des Halbkreises, so daß ich ihr leicht nahe kommen konnte, und neben ihr erhob sich die, in der sich die Gefangenen befanden; denn vor derselben saßen zwei Kurden, mit den Gewehren im Arme.

      Jetzt konnte ich zu Halef zurückkehren. Er saß noch auf dem Baume, von dem er nun herabstieg. Ich setzte ihm meinen freilich sehr kühnen und gefährlichen Befreiungsplan auseinander, dann versteckten wir uns an einem Platz, wo wir den Weg überblicken konnten. Und mit Ungeduld warteten wir auf die Zeit des Handelns. Ein solches Warten hat stets etwas Aufregendes, Verzehrendes, während der Augenblick der Tat die Nerven kalt und ruhig macht.

      Gegen zwei Stunden waren vergangen, da sahen wir ganz unten einen einzelnen Reiter erscheinen.

      »Dieser wird die Ankunft verkünden sollen,« meinte Halef.

      »Möglich. Hast du die hohe Eiche gesehen oberhalb der Einsenkung, in der sich die Pferde befinden?«

      »Ja, Sihdi.«

      »Schleiche dich jetzt hin und erwarte mich dort. Ich muß hören, was dieser Reiter zu sagen hat. Hier, nimm Dojan mit. Ich kann ihn jetzt nicht brauchen. Auch die Gewehre nimm zu dir!«

      Er nahm den Hund und entfernte sich; ich aber beeilte mich, dem Zelte des Scheik so nahe zu kommen, daß ich hören konnte, was gesprochen wurde. Es gelang mir, soweit dies möglich war. Kaum hatte ich hinter einem Baumstamme Posto gefaßt, so kam der Reiter herangaloppiert. Er sprang vom Pferde.

      »Wo ist der Scheik?« hörte ich ihn fragen.

      »Dort in seinem Zelte!«

      Gasahl Gaboya trat heraus und ihm entgegen.

      »Was bringst du?«

      »Die Krieger werden gleich erscheinen.«

      »So habt ihr keinen der Entronnenen gesehen?«

      »Keinen.«

      »Ihr habt die Augen geschlossen gehalten.«

      »Wir haben gewacht die ganze Nacht und bis jetzt. Wir haben alle Seitentäler besetzt, aber niemand gesehen.«

      »Jetzt kommen sie!« rief es draußen vor dem Lager.

      Auf diesen Ruf eilte alles hinaus auf die Lichtung; sogar die beiden Wächter schlossen sich an. Sie wußten ihre beiden Gefangenen ja gefesselt!

      Die Gelegenheit war günstiger, als ich gehofft hatte. Mit einem Sprunge stand ich hinter dem Zelte der Gefangenen – zwei Messerschnitte, und ich befand mich in dem Innern desselben. Da lagen sie nebeneinander, an Händen und Füßen gebunden.

      »Mohammed Emin, Amad el Ghandur, auf! Schnell!«

      Zwei Sekunden genügten, die Stricke zu durchschneiden.

      »Kommt, schnell!«

      »Ohne Waffen?« fragte Mohammed Emin.

      »Wer hat sie euch abgenommen?«

      »Der Scheik hat sie.«

      Ich trat wieder hinten aus dem Zelte heraus und spähte in die Runde. Kein Mensch hatte acht auf das Lager.

      »Heraus und mir nach!«

      Ich sprang hinüber zum Zelte des Scheiks und huschte hinein, die Haddedihn mir nach. Sie befanden sich in einer fieberhaften Aufregung. Hier hingen ihre Waffen, auch zwei ausgelegte Pistolen und eine lange, persische Flinte, dem Scheik gehörig. Ich nahm Pistolen und Flinte an mich und blickte wieder hinaus; noch immer waren wir unbeachtet. Wir schlichen uns wieder hinaus und rannten dann dem Tale zu. Dies war wohl fünf Minuten entfernt, aber in zwei Minuten waren wir bei Halef.

      »Maschallah! Wunder Gottes!« rief er.

      »Jetzt zu den Pferden!« sagte ich.

      Der Wächter saß unten, mit dem Rücken gegen uns gekehrt. Auf einen Wink sprang der Hund hinab, und sofort lag der Mann am Boden. Er hatte einen Schrei ausgestoßen, zu einem zweiten hatte er wohl den Mut nicht. Ich bezeichnete die sechs besten Pferde und rief Amad el Ghandur zu:

      »Halte sie einstweilen! Halef, Mohammed, schnell die andern in den Wald!«

      Die beiden verstanden mich sofort. Eben erhob sich hinter uns ein lautes Bewillkommnungsgeschrei, als wir von Pferd zu Pferd sprangen, um die Leinen durchzuschneiden. Fünfundzwanzig Leinen pro Mann, das war sehr schnell abgetan, dann jagten wir die freien Tiere mit Schlägen und Steinwürfen in den Wald. Amad el Ghandur hatte Mühe, seine sechs Tiere festzuhalten. Ich hatte drei Gewehre umzuhängen und zwei Pistolen einzustecken.


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