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Durch die Wüste. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Durch die Wüste - Karl May


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kann, weil er nichts bewahrt.«

      »Setze dich wieder nieder, und erzähle mir, wo du Abu en Nassr getroffen hast.«

      Ich erstattete ihm ausführlichen Bericht von unserem Abenteuer. Er hörte schweigend zu und schüttelte sodann den Kopf.

      »Du glaubst also, daß er den Kaufmann in Blidah ermordet hat?«

      »Ja.«

      »Du warst nicht dabei!«

      »Ich schließe es.«

      »Nur Allah darf schließen; er ist allwissend, und des Menschen Gedanke ist wie der Reiter, den ein ungehorsames Pferd dorthin trägt, wohin er nicht kommen wollte.«

      »Nur Allah darf schließen, weil er allwissend ist? O Wekil, dein Geist ist müde von den vielen Hammeln mit Kuskussu, die du gegessen hast! Eben weil Allah allwissend ist, braucht er nicht zu schließen; wer schließt, der sucht ein Ergebnis seiner Folgerungen, ohne es vorher zu kennen.«

      »Ich höre, daß du ein Taleb bist, ein Gelehrter, der viele Schulen besucht hat, denn du sprichst in Worten, die niemand verstehen kann. Und du glaubst auch, daß er den Mann im Wadi Tarfaui getötet hat?«

      »Ja.«

      »Warst du dabei?«

      »Nein.«

      »So hat es dir der Tote erzählt?«

      »Wekil, die Hammel, welche du verzehrtest, hätten gewußt, daß ein Toter nicht mehr sprechen kann!«

      »Effendi, jetzt sprichst du selbst eine Unhöflichkeit! Also du warst nicht dabei, und der Tote konnte es dir nicht sagen; woher also willst du wissen, daß er ein Mörder ist?«

      »Ich schließe es.«

      »Ich habe dir bereits gesagt, daß nur Allah schließen darf!«

      »Ich habe seine Spur gesehen und verfolgt, und als ich ihn traf, hat er mir den Mord eingestanden.«

      »Daß du seine Spur gefunden hast, ist kein Beweis, daß er ein Mörder ist, denn mit einer Spur hat noch niemand einen Menschen erschlagen. Und daß er dir den Mord eingestanden hat, das macht mich nicht irre; er ist ein Kusch-schakanün, ein Spaßvogel, dessen Absicht es war, sich einen Scherz zu machen.«

      »Mit einem Morde spaßt man nicht!«

      »Aber mit einem Menschen, und der warst du. Und du glaubst auch endlich, daß er den Führer Sadek erschossen hat?«

      »Ja.«

      »Du warst dabei?«

      »Allerdings.«

      »Und hast es gesehen?«

      »Sehr deutlich. Auch Hadschi Halef Omar ist Zeuge.«

      »Nun wohl, so hat er ihn erschossen; aber willst du wirklich deshalb sagen, daß er ein Mörder sei?«

      »Natürlich!«

      »Sihdi, Allah stärke deine Gedanken, denn du sollst gleich einsehen, daß der Mensch nicht schließen soll!«

      »Nun?«

      »Weil du Zeuge bist, daß er den Führer erschossen hat, schließest du, daß er ein Mörder sei?«

      »Das versteht sich doch ganz von selbst.«

      »Falsch! Wenn es nun eine Blutrache gewesen wäre. Gibt es in deinem Lande keine Blutrache?«

      »Nein.«

      »So sage ich dir, daß der Bluträcher niemals ein Mörder ist. Kein Richter verdammt ihn; nur diejenigen, zu denen der Tote gehörte, haben das Recht, ihn zu verfolgen.«

      »Aber Sadek hat ihn nicht beleidigt!«

      »So wird ihn der Stamm beleidigt haben, zu welchem Sadek gehörte.«

      »Auch das ist nicht der Fall. Wekil, ich will dir sagen, daß ich meinerseits mit diesem Abu en Nassr, der eigentlich Hamd el Amasat heißt und schon vorher wohl auch noch einen armenischen Namen getragen hat, gar nichts zu schaffen haben mag, sobald er mich in Ruhe läßt. Aber er hat den Führer Sadek erschlagen, dessen Sohn Omar Ben Sadek ist, und dieser letztere hat also, wie du vorhin selbst erklärtest, ein Recht auf das Leben des Mörders. Mache es mit ihm ab, doch sorge auch dafür, daß mir dieser Vater der Sieger nicht wieder begegnet, sonst rechne ich mit ihm ab!«

      »Sihdi, jetzt trieft deine Rede von Weisheit. Ich werde mit Omar sprechen, der ihn freigeben soll; du aber bist mein Gast, so lange es dir gefällt.«

      Er erhob sich und schritt nach dem Hofe. Ich wußte voraus, daß alle seine Bemühungen bei Omar vergeblich sein würden. Wirklich kehrte er nach einer Zeit mit finsterer Miene zurück und blieb auch schweigsam, als der am Spieße gebratene Hammel aufgetragen wurde, den die lieblichen Hennafinger der »Rose von Kbilli« zubereitet hatten. Ich und Halef, wir langten wacker zu, und eben hatte mir der Wekil gesagt, daß Omar seine Mahlzeit hinaus in den Hof bekommen solle, da er nicht zu bewegen sei, von seinem Gefangenen fortzugehen, als draußen ein lauter Schrei erscholl. Ich horchte auf, und der Ruf wiederholte sich:

      »Breh, Effendina, zu Hilfe!«

      Dieser Ruf galt mir. Ich sprang auf und eilte hinaus. Omar lag an der Erde und balgte sich mit den Soldaten herum, der Gefangene aber war nicht zu sehen. Am andern Ausgange aber stand der Schwarze und grinste mir mit schadenfroher Miene entgegen:

      »Fort, Sihdi – dort reiten!«

      Drei Schritte brachten mich vor das Haus, und ich sah Abu en Nassr eben zwischen den Palmen verschwinden. Er ritt ein Eilkamel, welches einen ganz famosen Schritt zu haben schien. Ich erriet alles. Der Wekil war erfolglos im Hofe gewesen, aber er wollte Abu en Nassr retten; er hatte dem Schwarzen den Befehl gegeben, das Kamel bereit zu halten, und den Soldaten befohlen, Omar zu halten und den Gefangenen loszuschneiden. Die elf mutigen Helden hatten sich an diesen einen gewagt, und der Streich war gelungen.

      Freilich hatten sie dieses Gelingen teuer bezahlt. Omar hatte sein Messer gebraucht, und als ich den Knäuel, den die Kämpfenden bildeten, auseinanderbrachte, sah ich, daß mehrere von ihnen bluteten.

      »Er ist fort, Sihdi!« keuchte der junge Führer vor Wut und Anstrengung.

      »Ich sah es.«

      »Wohin?«

      »Dorthin.«

      Ich deutete mit der Hand die Himmelsrichtung an.

      »Strafe du diese hier, Effendi, ich aber werde dem Entflohenen nachjagen.«

      »Er saß auf einem Reitkamele.«

      »Ich werde ihn dennoch ereilen.«

      »Du hast kein Tier!«

      »Sihdi, ich habe hier Freunde, welche mir ein edles Tier geben werden, und Datteln und Wasserschläuche. Ehe er am Horizonte verschwindet, werde ich auf seiner Spur sein. Du wirst auch die meinige finden, wenn du mir nachkommen willst.«

      Er eilte von dannen.

      Halef hatte alles gesehen und mir auch geholfen, Omar aus den Händen der Soldaten zu befreien. Er glühte vor Zorn.

      »Warum habt ihr diesen Menschen befreit, ihr Hunde, ihr Abkömmlinge von Mäusen und Ratten – — —«

      Er hätte sicherlich seine Strafpredigt fortgesetzt, wenn nicht die Wekila auf dem Platze erschienen wäre. Sie war wieder dicht verschleiert.

      »Was ist geschehen?« fragte sie mich.

      »Deine Truppen sind über meinen Führer hergefallen —«

      »Ihr Schurken, ihr Buben!« rief sie, mit dem Fuße stampfend und die roten Fäuste durch die Hülle zwängend.

      »Und haben den Gefangenen befreit – — —«

      »Ihr Spitzbuben, ihr Betrüger!« fuhr sie fort, und es hatte allen Anschein, als ob sie sich an ihnen vergreifen werde.

      »Auf Befehl des Wekil,« fügte ich hinzu.

      »Des Wekil? – Der Wurm, der Ungehorsame, der Unnütze, der Trotzkopf! Meine Hand soll über ihn kommen, und zwar sogleich, in diesem Augenblick!«

      Sie wandte sich um und


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