Scepter und Hammer. Karl MayЧитать онлайн книгу.
Excellenz?« frug ich.
»Ja, doch schone den Mann und das Pferd. Er hat Sympathien für uns und hält sehr viel auf das Thier!«
»Wird gemacht, Durchlaucht!« Ich lade also sorgfältig und richte den Lauf meines Geschützes. Donnerwetter, der Kerl ist nur noch hundert Schritte vom Walde entfernt, und zwischen ihm und dem dichten Gebüsch liegt ein Wirthshaus, hinter welchem er vorüberreiten muß! Was thun? Es gibt nur eine Möglichkeit: Das Parterre des Hauses besteht aus einer einzigen Stube; man kann von vorn hinein und hinten durch die Fenster wieder heraussehen. Ich visire genau, der Reiter verschwindet hinter dem Hause, ich protze ab – die Kugel geht durch die beiden Fenster und reißt hinter dem Hause dem Adjutanten die Satteltasche in Stücke. Die Schlacht wurde gewonnen, und als ich am andern Morgen in das Wirthshaus kam, sah ich erst genau, welch einen Meisterschuß ich gethan hatte. Nun, meint Ihr noch immer nicht, daß das Schicksal einer Schlacht von einem einzigen Schusse abhängen kann?« hape.«
»Ja, das ist am Den!« stimmte Baldrian bei. —
»Glaubt, was Ihr wollt; es fällt mir gar nicht ein, zwei dumme Köpfe klug machen zu wollen! Aber das ist sicher, daß der Hauptmann von Wallroth bei der Artillerie gestanden hat, denn ich kenne ihn von meiner Dienstzeit her und sehr genau. Zwar führte er nicht meine Batterie, aber er war ein Liebling seiner Oberen und auch seiner Untergebenen. Dann verschwand er plötzlich, und ich habe ihn seit jener Zeit jetzt zum ersten Male wiedergesehen.«
»Wo mag er wohl herstammen?« frug Thomas.
»Das weiß Niemand,« antwortete Heinrich; »geht mich auch gar nichts an. Nur das fällt mir auf, daß er so vertraut mit der Zigeunerin ist.«
»Mit der Zarpa? Das ist wahr. Wie mag er wohl mit diesem Weipsen zusammengekommen sein? Das ist nämlich eine Hexe, die ich sehr genau kenne. Ich hape sie erst kürzlich peopachtet, als – — Donnerwetter, was pin ich doch für ein Esel!«
»Was, Du kennst die Zigeunerin? Wo hast Du sie gesehen?«
»Darum hast Du Dich nichts zu pekümmern, denn ein Gelpschnapel wie Du praucht nicht Alles zu erfahren.«
»Das ist am Den,« bestätigte Baldrian höchst trocken.
»Richtig, alter Grenadier!« antwortete Heinrich. »Seit die ganz besondere Gunst des jungen Herrn auf den Kavalleristen gefallen ist, kann es mit Euch Beiden kein Mensch aushalten; der Grenadier beißt, der Kavallerist schlägt aus, und der Artillerist – pah, der läßt sie machen, was sie wollen. Er geht zu seiner Barbara Seidenmüller.«
Er erhob sich lachend und ging. Thomas schien sich aus seiner Entfernung nicht viel zu machen.
»Laß ihn laufen, Paldrian,« meinte er; »nun können wir ungestört mit einander sprechen. Hast Du die Zarpa wirklich noch nicht gesehen?«
»Nein.«
»Ich hape sie zum ersten Male gesehen, als ich mein Gesellenstück —«
»War sie denn beim Herzog?« fragte ganz erstaunt der sonst so wortkarge Baldrian.
»Natürlich. Sie war seine Geliepte; sie hatte es ihm angethan; sie hatte ihn verhext und verzaupert, so daß er ohne sie nicht lepen konnte.«
»Was sollte sie denn hier?«
»Das weiß ich heute noch nicht. Die Meisterin pekam den jungen Herrn, der damals natürlich noch nicht der junge Herr war, und kaum war ihre Stunde vorüper, so mußte ich die Zarpa holen, die mit dem Neugeporenen wohl eine halpe Stunde lang fort war, ehe sie ihn wieder prachte. Sie war damals ein Mädchen, wie es keine zweite giept, und ich selpst hätte mich in sie verschameriren mögen, wenn ich mich nicht so sehr vor ihrer Zauperei gefürchtet hätte. Später war sie auf einige Jahre verschwunden; nachher kehrte sie einmal auf einen Tag hier ein; das war gerad, als ich den Meister auf Urlaup pesuchte, und seit dieser Zeit hat sie sich pis auf den heutigen Tag nicht wieder sehen lassen.«
»Hm, das ist am Den!«
»Ja, das ist gewiß und wahrhaftig am den, und ich pin wirklich pegierig, was sie hier vorhat. Sie ist von Allen empfangen worden, als op sie der liepe Gott selper sei. Jetzt sitzen sie drin und sprechen so leise, als op die größten Staatsgeheimnisse verhandelt würden. Horche nur einmal an den Laden; Du hörst gewiß kein Wort von dem, was in der Stupe gesprochen wird!«
Allerdings war von außen kein Wort zu vernehmen; doch hatte das seinen Grund einfach in dem Umstande, daß in der Stube nicht gesprochen wurde.
Mutter Brandauer saß am Tische und strickte, ohne von ihrer Arbeit aufzusehen. Sie zeigte bei dieser Beschäftigung einen Eifer, als gelte es, die Welt mit ihren Maschen glücklich zu machen. Der Schmied hatte die Hauspostille vor sich liegen und that, als ob er lese, und im dunkelsten Winkel des Zimmers saß Zarba und rauchte aus demselben kurzen Stummel, den sie auch in dem Arbeitskabinet des Herzogs in Brand gesteckt hatte. beobachtete.
Endlich schlug Brandauer das Buch zu und warf einen fragenden Blick auf die Hausfrau, welche denselben bejahend erwiderte. Er stand auf, holte sich die lange Pfeife, stopfte sie sich mit jener Umständlichkeit, welche darauf ausgeht, sich einen wirklichen Genuß zu verschaffen, und griff dann zum Fidibus; dann schob er, einige tüchtige Rauchwolken ausstoßend, den Tabakskasten nach derjenigen Seite des Tisches, welche der Zigeunerin zugekehrt war, und meinte:
»Nimm Tabak, Zarba, wenn Du fertig bist.«
»Danke, Meister! Eure Sorte paßt mir nicht.«
»Hast wohl etwas Feineres?«
»Möglich! Die Zingaritta raucht ein Kraut, welches nur Fürsten bezahlen können.«
»Oh! Woher beziehst Du es?«
»Es kommt aus dem Morgenlande und wächst zwischen den heimathlichen Bergen der Boinjaaren. Dort an den Abhängen des Pandjköra gehen die Jungfrauen, wenn der Mond das Herz des Krautes bestrahlt, beim Sternenscheine hinaus auf das Feld, um mit zarten Händen die Herzblätter einzusammeln, die man dann am großen Tage der Göttin zum Tempel bringt, damit der Geist der Zukunft auf sie niedersteige. Wer dann die Düfte dieses Krautes trinkt, über den kommt die Gabe der Weissagung, daß er die Sprache der Sterne versteht und weiß, was die Linien der Hand bedeuten.«
»Rauchtest Du das Kraut auch als Mädchen?«
»Nein.«
»Aber Du hattest doch die Gabe der Weissagung reichlicher als alle die Deinen!«
»Ich hatte der Gaben noch mehrere,« antwortete sie ausweichend und mit düsterer Miene; »sie sind verschwunden, und mit ihnen ist hin die Jugend und das Glück. Zarba säete Liebe und erntete Haß, sie gab Glück und Seligkeit und nahm Spott und Verachtung dafür hin. Ihr Lachen hat sich in Weinen verkehrt, ihre Liebe ist zur Rache geworden; ihr Himmel heißt Hölle, ihr Segen wurde Fluch, und ihre Schritte verklingen im tiefsten Schatten der Nacht. Im Dunkel ihres Lebens leuchtet nur ein Licht, der Stern der Rache und der Vergeltung.«
»Das klingt schlimm, Zarba, so schlimm und traurig, als hättest Du keine Freunde, welche Deiner in Liebe gedenken!«
»Freunde? Wo sind sie, und wie heißen ihre Namen?«
»Denkst Du nicht an uns?«
»An Euch? Seid Ihr meine Freunde?«
Ihr Auge funkelte unter den tiefen Höhlen hervor, und ihr Angesicht nahm den finstersten Ausdruck an, der ihr möglich war.
»Meinst Du vielleicht das Gegentheil?«
Sie schwieg eine Weile; dann entgegnete sie:
»Der Sohn dieser Erde spricht von Liebe; er glaubt an sie und opfert ihr sein Leben, und doch ist sie ein Gespenst, welches schrecklich anzuschauen ist, wenn sie die gleißende Hülle von sich wirft, denn ihr Name heißt – Selbstsucht. Euer Gott schuf und liebt die Menschen, um von ihnen angebetet zu werden; die Erde liebt die Sonne, weil sie sich an ihren Strahlen wärmt; das Kind liebt die Eltern, weil es von ihnen Alles empfängt, was es bedarf; die Eltern lieben das Kind, weil es Fleisch von ihrem Fleisch und Blut von ihrem Blute ist; der Gatte liebt die Gattin, weil er durch sie glücklich werden will, und der Freund liebt den Freund, weil er seiner bedarf. O, ich kenne Eure Liebe, ich kenne Eure Hingebung, Eure Opferfreudigkeit! Eure Liebe hat mir das