Am Rio de la Plata. Karl MayЧитать онлайн книгу.
offenbaren wollte?«
»Natürlich die Dominikaner in Tucuman.«
»Ich halte diese Ansicht für die richtige. Die Ordensbrüder wären wohl besser imstande gewesen, die Schrift zu lesen oder den Inhalt der beiden Kipus zu verstehen, als der Sendador.
Ein guter Grund, anzunehmen, daß die Hinterlassenschaft des Padre nicht für ihn, sondern für sie bestimmt war.«
»Aber der Padre hat die Kipus gar nicht bei sich gehabt!«
»Das glaube ich nicht.«
»Mein Freund sagte es, und ich habe keinen Grund, die Worte desselben zu bezweifeln.«
»Ich habe desto mehr Grund. Woher war der Padre?«
»Das weiß ich nicht, denn er hat es dem Sendador nicht mitgeteilt.«
»Wo befanden sich seine Sammlungen, von denen Sie sprachen? Wo lag das Buch, welches nicht gedruckt wurde, also das Manuskript eines so hochwichtigen Werkes?«
»Niemand weiß es.«
»Sollte der Padre gestorben sein, ohne gerade dies Wichtigste dem Sendador mitzuteilen? Sollte er die Uebersetzung der Kipus bei sich getragen haben und nicht auch die Kipus selbst, welche doch wenigstens, ich sage wenigstens, denselben Wert hatten als die Uebersetzung?«
»Hm! Sie bringen mich mit diesen Fragen wirklich in Verlegenheit!«
»Ich bin überzeugt, daß Ihr Freund durch dieselben in eine noch viel größere Bedrängnis geraten würde. Sind meine Vermutungen richtig, so hat er nicht bloß die Schrift widerrechtlich an sich genommen, sondern auch die beiden Kipus unterschlagen.«
»Der Padre hatte sie ja gar nicht bei sich, wie ich Ihnen schon wiederholt erklärt habe!«
»Und ich behaupte, daß er sie bei sich hatte. Er vertraute beides dem Sendador an. Dieser versteht doch die Kitschuasprache?«
»Jawohl.«
»Aber Kipus kann er nicht lesen?«
»Nein.«
»Nun, so sind die beiden Kipus ihm nicht nur überflüssig, sondern sogar gefährlich gewesen. Er kannte das Geheimnis, indem er die Uebersetzung las. Kamen die Kipus zufälligerweise abhanden, und zwar in die Hände eines Mannes, der sie zu entziffern verstand, so war das Geheimnis verraten. Daraus ergab sich die Notwendigkeit, sich ihrer zu entledigen, sie zu vernichten. Was gedenkt er zu thun, nachdem seine Nachforschungen vergeblich gewesen sind?«
»Er giebt sie nicht auf.«
»Er wird keinen besseren Erfolg erzielen.«
»Vielleicht doch, denn er will sich einem Manne anvertrauen, welcher sich in die beigegebenen Zeichnungen besser zu finden vermag, als er selbst. Ich habe den Auftrag erhalten, mich nach so einem Manne umzusehen, und glaube ihn gefunden zu haben.«
»Ich vermute, daß Sie mich meinen.«
»Das ist auch wirklich der Fall.«
»So befinden Sie sich in einem großen Irrtume. Ich bin für Ihre Absichten vollständig unbrauchbar und untauglich. Auch ist die Sache gefährlich. Warum sucht der Sendador nicht selbst nach einem passenden Manne? Warum bleibt er im Urwalde verborgen, und überläßt Ihnen die Aufgabe, welche er wenigstens ebenso leicht ausführen könnte. Allerdings, er würde auch so gefragt werden, wie ich Sie jetzt nach allem ausforsche. Bei verdächtigen Stellen können Sie als Mittelsperson ausweichen und sich auf ihn berufen; er aber müßte direkt antworten, und das ist nicht ungefährlich.«
»Aber wenn ich Sie zu ihm bringe, so muß er Ihre Fragen ja auch beantworten!«
»Ja, aber dann ist es zu einem Rücktritte für mich wohl bereits zu spät.«
»O nein. Sie können sich in jedem Augenblicke von unserm Unternehmen lossagen.«
»Ja, dann aber stecke ich als fremder Mann ganz einsam und verlassen in einem Urwalde oder einer Wüste des Gran Chaco und bin ein verlorenes Menschenkind. Sollte der Sendador das nicht berechnet haben?«
Monteso fuhr sich in komischer Wut mit beiden Händen in das wirre Haar.
»Sennor, Sie machen mich mit Ihrem unmotivierten Mißtrauen ganz verrückt!« erklärte er. »Aber ich hoffe, Sie noch bekehren und für das Unternehmen engagieren zu können.«
»Hoffen Sie nicht zu viel! Ich wiederhole, daß ich nicht der geeignete Mann bin. Ein Fremder muß unfähig sein, Ihren Forderungen zu entsprechen. Sie ahnen nicht, welche Kenntnisse unter Umständen dazu gehören, den betreffenden See und den vermauerten Schacht zu entdecken.«
»Den Schacht fanden wir nicht; den See aber haben wir. Nur die betreffende Stelle desselben war nicht zu entdecken.«
»Das glaube ich gern. Angenommen, daß in Wirklichkeit solche Schätze in demselben versenkt worden sind, meinen Sie etwa, daß man an der betreffenden Stelle nur niederzutauchen brauche, um das Gesuchte zu finden? Ich wiederhole, daß zur Lösung Ihrer Aufgabe Kenntnisse gehören, von denen Sie gar keine Ahnung haben. Wollte ich Ihnen das erklären, so würden Sie mich nicht verstehen. Diese Kenntnisse kann nur ein Inländer oder wenigstens ein Gelehrter besitzen, welcher jahrelang die Verhältnisse hier studiert hat. ich aber befinde mich erst seit wenigen Stunden hier im Lande und bin gar nicht einmal ein Gelehrter.«
»Das wird sich finden. Ich habe Vertrauen zu Ihnen; das genügt mir einstweilen. Auch sind Sie bereits an die Gefahren und Entbehrungen einer solchen Reise gewöhnt. Sie haben vollständige Freiheit, nach Belieben über sich zu verfügen. Was kann ich mehr von Ihnen verlangen? Und wenn wir einig werden, so wird das ja auch zu Ihrem Vorteile sein. Sagten Sie mir heute nicht, daß Sie nicht reich seien?«
»Das sagte ich allerdings.«
»Nun, so bedenken Sie, daß Sie sofort ein steinreicher Mann sein werden, wenn unser Vorhaben gelingt. Welchen Teilsatz jeder erhält, das muß freilich erst besprochen werden.«
»Das reizt mich nicht. Ich sagte Ihnen vorhin, daß es ganz andere Schätze gebe, als diejenigen, nach denen Sie suchen. Und aus Rücksicht auf einen so fraglichen Gewinn lasse ich mich nicht auf Abenteuer ein, welche fast wahrscheinlich zu einem schlimmen Ende führen.«
Ich hatte längst aufgehört, zu essen. Der Yerbatero war erst jetzt fertig. Er ballte seine Serviette zusammen, warf sie unmutig auf den Tisch und fragte:
»So sagen Sie sich also von uns los?«
»Nein. Ich reite mit Ihnen, aber ohne mich zu irgend etwas verbindlich zu machen.«
Sein verfinstertes Gesicht heiterte sich sofort auf.
»Schön, schön!« rief er aus. »Das ist ein Wort, welches ich gelten lasse. Wir sind also einig?«
»O nein! Seien wir nicht allzu sanguinisch! Ich will Ihnen offen gestehen, daß die Angelegenheit an sich einen großen Reiz für mich besitzt. Die Sache an und für sich entspricht so ganz und gar gewissen Neigungen von mir. Und da ich mir das Land und die Bewohner desselben ansehen will, so ist es am besten, ich mache es so wie derjenige, welcher schnell schwimmen lernen will.– Ich springe da in das Wasser, wo es am allertiefsten ist. Also, wenn Sie mich mitnehmen wollen, so gehe ich mit. Aber ich mache meine Bedingungen.«
»Heraus mit ihnen!«
Monteso lachte jetzt am ganzen Gesichte. Die Erklärung, daß ich mit wolle, erfreute ihn außerordentlich. Ich erfuhr später tagtäglich, daß er mich wirklich tief in sein ehrliches Herz geschlossen hatte.
»Eigentlich habe ich nur eine einzige Bedingung,« sagte ich. »Wer nimmt überhaupt teil an der Expedition?«
»Nur der Sendador und wir, die wir hier sitzen. Wir sechs haben eine lange Reihe von Jahren zusammen gearbeitet, wir kennen uns; wir passen zu einander und wissen, daß wir uns auf einander verlassen können. Sie haben es nur mit tüchtigen und verschwiegenen Leuten zu thun.«
»Auf diese letztere Eigenschaft, nämlich die Verschwiegenheit, gründe ich die Bedingungen, welche ich zu machen beabsichtige. Ich habe Ihnen offen das Mißtrauen angedeutet, welches ich gegen den Sendador hege. Es liegt nicht nur in meinem, sondern auch in Ihrem Interesse, daß er nichts davon erfährt.