Am Rio de la Plata. Karl MayЧитать онлайн книгу.
zu haben. Das ist eben das Kennzeichen eines guten Reiters. Er braucht die Haut des Pferdes nur ganz leise mit dem Sporn zu berühren, so geht es bereits in die Luft.«
Was für Augen machte mir da der Mann! Einen Vortrag wie diesen hatte er nicht erwartet; aber er schwieg. Er betrachtete meine Gewehre, meine Revolver, den Inhalt meines Gürtels. Er fand viel, was ihm unnötig erschien, und er vermißte noch weit mehr, was er für das größte Bedürfnis hielt. Doch unterließ er es, sich darüber in eine Diskussion einzulassen. Meine Abweisung seiner Kordialität wirkte noch nach, und das konnte gar nichts schaden.
Vom Fenster aus bemerkte ich das ledige Pferd, welches für mich bestimmt war. Es war nicht mehr wert als die andern auch. Es blutete ebenso an den beiden Weichen und hatte einen tückisch ängstlichen Blick wie alle diese Tiere, welche keine Liebe und Pflege finden.
»Das ist für mich?« fragte ich.
»Ja, Sennor. Ich habe Ihnen das ruhigste und zuverlässigste ausgewählt.«
»Dafür bin ich Ihnen nicht dankbar, ebensowenig auch dafür, daß Sie es angeputzt haben wie die andern. Ich liebe das nicht. Sie können das alles abnehmen und die Decke auch. Ich reite hart und sitze also auf dem bloßen Sattel.«
»Behüt‘ mich Gott, sind Sie ein Mann! Sie werden es bereuen, die Decken verschmäht zu haben! Soll ich hinabgehen, um sie wegzunehmen?«
»Ja, bitte!«
Er ging.
Ich hatte noch einen zweiten, sehr triftigen Grund, diese Decken zurückzuweisen, aber ich sagte ihm denselben nicht. Dieser Grund bestand in dem Ungeziefer, mit welchem diese Leute bis zur Ueberfülle behaftet zu sein pflegen, und ich fühlte keine Lust, gleich am ersten Tage mit einer solchen Einquartierung bedacht zu werden.
Durch das Fenster blickend, sah ich, daß er die Decken abschnallte. Dabei schien er seinen Gefährten etwas zu erklären. Ich vermutete, daß er ihnen verbot, über meinen ungewöhnlichen Anzug zu lachen. Er schob das Tier hin und her, und dabei bemerkte ich, daß das Pferd das eine Hinterbein schnell und zuckend hob, im Sprunggelenk stark bog und rasch wieder auf den Boden setzte. Ah, hielt man mich für einen so schlechten Reiter, daß man mir ein solches Tier anbieten konnte? Ich öffnete das Fenster und rief hinab:
»Aber, Sennor, das Pferd leidet ja ganz stark am Zuckfuß!«
»Nur ein wenig,« antwortete er herauf.
»Das ist mehr als ein wenig!«
»Sie werden es nicht bemerken, wenn Sie im Sattel sitzen!«
»Ich werde gar nicht auf diesem Pferde sitzen.«
Ich machte das Fenster zu, um den Wirt aufzusuchen. Er gehörte zu den wenigen, welche einen Stall besaßen. In demselben hatte ich mehrere Pferde stehen sehen, von denen eins mir besonders gefallen hatte. Er stand mit seiner ganzen Dienerschaft bereit, mir einen höflichen Abschied zu bereiten. Ich trug ihm mein Anliegen vor, und er war bereit, mir das Pferd abzulassen, und ließ es in den Hof bringen. Ritt ich schlechte Pferde, so war ich gezwungen, oft zu wechseln. Ich brauchte ein Tier, welches sich an mich gewöhnte und auf welches ich mich verlassen konnte. Wechseln wollte ich so wenig wie möglich, am liebsten gar nicht.
Ja, das war ein ganz anderes Tier als der Zuckfuß! Ein vierjähriger Brauner, voll Feuer, stark und doch elegant gebaut, mit hübsch aufgesetztem Halse und prächtiger Hinterhand. Die Yerbateros standen dabei und betrachteten ihn mit bewundernden Blicken.
»Da darf man sich noch nicht aufsetzen,« erklärte Monteso. »Der muß erst einen Tag lang nebenher gehen, um müde zu werden.«
»Ja,« stimmte der Wirt bei. »Er wurde nicht gebraucht und hat über eine Woche im Stalle gestanden. Uebrigens reite ich ihn nur selbst. Er duldet keinen andern im Sattel. Sie werden Ihre Not haben, wenn Sie ihn kaufen, Sennor!«
»Was kostet er?« fragte ich kurz, anstatt der Antwort.
»Sie sollen ihn für fünfhundert Papierthaler haben.«
Das waren nach deutschem Gelde achtzig Mark. Ich handelte nichts ab und zahlte ihm die Summe sofort aus. Ich hätte ihm auch noch mehr gegeben. Im Stalle hatte ich einen englischen Sattel mit zugehörigem Zeuge hängen sehen. Ich kaufte auch das noch und hatte dafür hundert Papierthaler, also sechzehn Mark, zu zahlen.
Nun war Pferd und Sattel mein, und ich konnte machen, was mir beliebte. Sämtliche Insassen und Bewohner des Hotels hatten sich auf dem Hofe eingefunden. Der Braune hatte keinen Augenblick still gestanden. Er sprang in graziösen Bewegungen im Hofe umher, und der Peon, welcher ihn aus dem Stalle gelassen hatte, gab sich vergeblich Mühe, ihn am Halfterbande zu fassen. Als noch zwei andere Knechte sich diesen Bemühungen anschlossen, wurde das Pferd geradezu wild und verteidigte sich mit den Hufen gegen die es bedrängenden Männer. Es wurden Lassos herbeigeholt; aber das Tier schien die Weise, wie man sich dieser Riemen bedient, genau zu kennen. Er that so oft die Schlinge geflogen kam, um sich um seinen Hals zusammenzuziehen, einen Seitensprung, durch welchen es ihm gelang, der Gefangenschaft auszuweichen.
Monteso lachte die Knechte aus. Er behauptete, sie seien im Gebrauche des Lasso nicht geschickt genug. Aber als er es dann selbst versuchte, hatte er ganz denselben Mißerfolg, wie sie, und seinen Kameraden erging es ebenso.
»Sennor, Sie müssen sich der Bola bedienen,« sagte er zu mir. »Das Pferd hat den Teufel im Leibe. Werden ihm nicht die Kugeln um die Hinterbeine geworfen, so daß es stürzen muß, so bekommen Sie es nicht in Ihre Gewalt.«
»Meinen Sie? Ich denke, daß der Lasso genügend ist, es zu fangen. Denn ich glaube, daß es bisher am nötigen Geschick gefehlt hat.«
Er machte ein ganz unbeschreibliches Gesicht und musterte mich mit einem Blicke, ungefähr wie ein Rechenkünstler einen Schulknaben ansehen würde, welcher behauptet, im Kopfe aus einer hundertstelligen Zahl die Kubikwurzel ziehen zu können.
»Das klingt sehr hübsch aus Ihrem Munde!« lachte er. »Getrauen etwa Sie sich, es besser zu machen als wir alle? So versuchen Sie es! Sie werden ausgelacht werden, wie ich.
Ich rollte meinen Riemen auf, legte die Schlinge und näherte mich dem Pferde. Es sprang weiter, und ich folgte ihm langsam von der Seite. Dabei schwang ich den Lasso um den Kopf. Jetzt machte ich eine schnelle Armbewegung, als ob ich die Schlinge schleudern wolle, that dies aber nicht. Der Braune ließ sich betrügen; er machte einen Seitensprung. Kaum jedoch hatten seine Hufe den Boden wieder berührt, so flog ihm der Riemen um den Hals. Ich hielt das andere Ende desselben fest und wurde vom Pferde einmal um den Hof gezerrt. Dabei aber zog sich die Schlinge so fest zusammen, daß dem Tiere der Atem verging und es stehen bleiben mußte. Augenblicklich stand ich neben ihm und sprang auf. Ich lockerte die Schlinge, und nun gab es sich alle Mühe, mich abzuwerfen. Es folgte ein Kampf zwischen Reiter und Pferd, welcher mir den Schweiß in dicken Tropfen in das Gesicht trieb; aber ich blieb Sieger, und der Braune mußte sich ergeben.
Nun stieg ich ab, schickte nach meinen Sachen, welche sich noch oben in dem Zimmer befanden, und legte dem Pferde indessen den Zaum an. Als ich dann meine schöne Santillodecke auf den Rücken des Pferdes gab, um den Sattel darauf zu legen, sagte Monteso:
»Sie sind ein sehr tüchtiger Reiter, Sennor!«
»Und wie ist es mit dem Lasso?«
»Nun, den werfen Sie ausgezeichnet. Ich bin beinahe überzeugt, daß Ihre Begleitung uns wenigstens keine schweren Hindernisse bereiten wird.«
»Ich danke Ihnen für diese Aufrichtigkeit! Vielleicht sehen Sie ein, daß ich Ihnen nützlich, anstatt hinderlich bin. Steigen wir jetzt auf!«
Meinen Henrystutzen umhängend, stieg ich in den Sattel und ritt auf die Straße. Der Wirt und seine Untergebenen machten mir tiefe Verbeugungen und knixten noch hinter mir her. Der Umstand, daß ich mich nicht vom Pferde hatte werfen lassen, hatte ihre Achtung für mich erhöht.
Der erste Mensch, welchen ich sah, als ich auf die Straße kam, war Sennor Esquilo Anibal Andaro, der famose Haziendero, welcher mir den Bravo nachgeschickt hatte. Er stand dem Thore des Hauses gegenüber, und es hatte den Anschein, als ob er nur gekommen sei, Zeuge meiner Abreise zu sein. Wußte er denn, daß ich jetzt Montevideo verlassen wollte? Von wem hatte er das erfahren können? Er warf einen