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Das Vermaechtnis des Inka. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Das Vermaechtnis des Inka - Karl May


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Der Thee wird nicht getrunken, sondern mittels einer dünnen, metallenen Röhre, Bombilla genannt, die man in den Mund nimmt, aus dem Kürbis gesogen. Da die Bombilla sehr heiß wird, verbrennen sich Ausländer, welche diese Art des Trinkens nicht gewöhnt sind, gewöhnlich Lippen und Zunge, bis sie gelernt haben, vorsichtig zu sein.

      Solchen Mate bekamen die drei Gäste. Der Chirurg sog das Getränk mit Vorsicht in den Mund, Fritze war lange genug im Lande gewesen, um zu wissen, daß er sich in acht zu nehmen habe; der Doktor aber brachte dem Mate sofort den Tribut, welchen in der Regel jeder Ausländer ihm bringt. Die Bombilla war heiß, und er sog zu kräftig, infolgedessen er zu viel des wohl achtzig Grad nach Reaumur haltenden Thees in den Mund bekam. Er verbrannte sich, und da er es für unanständig hielt, den Mate auszuspucken, schluckte er ihn hinab —Natürlich verbrannte er sich auch den Schlund und rief, indem er sein Gesicht schmerzlich verzog:

      »O weh, meine Lippen, mein Gaumen, mein Schlund, lateinisch Labia, Palatum und Gluttus genannt! Das ist ja der reine Teufelstrank, ganz geeignet, die Verdammten in der Hölle innerlich zu martern! Ich danke ganz ergebenst für dieses Ilex-Wasser!«

      »Dat habe ick bei die ersten Versuche ooch Jesagt,« meinte Fritze. »Bei zu kräftige Anziehungskraft verfeuerwerkert man sich die Jeschmacksorgane, doch dauert’s nicht lange, bis man sich injerichtet und den richtigen Manometerdruck anjewöhnt hat. Trinken Sie man weiter, Herr Doktor!«

      »Fällt mir gar nicht ein! Ich glaube, mein Schlund ist eine einzige Brandblase!«

      Er war durch kein Zureden zu bewegen, noch einen Zug zu thun. Die beiden andern aber hatten ihre Calabazas (Flaschenkürbisse) bald ausgeleert, und dann wurden sie von dem Majordomus aufgefordert, sich mit nach dem Corral zu begeben, um dem hochinteressanten Zeichnen der Rinder beizuwohnen. Don Parmesan legte seinen roten Poncho, sein Kopftuch und die Chiripa ab, welche beide von derselben Farbe waren. Von Morgenstern nach dem Grunde befragt, antwortete er:

      »Wissen Euer Gnaden noch nicht, daß die rote Farbe diese halbwilden Rinder reizt? Wer rot gekleidet ist, soll sich hüten, einem Toro nahe zu kommen.«

      »Meinen Sie? Meines Wissens ist es nur vom Puter wissenschaftlich festgestellt, daß er gegen diese schöne Farbe idiosynkrasiert. Aber daß auch das Rind, Bos auf lateinisch, denselben Widerwillen besitzt, ist wohl hie und da geäußert, aber noch von keinem Zoologen mit unumstößlichen Beispielen belegt worden. Da ich nun Zoolog bin und hier eine so vortreffliche Gelegenheit finde, mir hier den Stoff zu einer gelehrten Abhandlung über dieses Thema zu sammeln, so würde es eine Sünde gegen die Wissenschaft sein, wenn ich meine roten Kleidungsstücke ablegen wollte.«

      »Aber Sie begeben sich in Gefahr, Señor!«

      »Der echte Jünger der Wissenschaft darf, wenn es gilt, ein Problem zu lösen, nicht fragen, ob eine Gefahr damit ver-

      bunden ist. Ich bleibe also angekleidet, wie ich bin.«

      »Ick ooch,« stimmte Fritze bei. »Da ich der Diener eines Zoologen bin, darf mir selbst der größte Ochse nichts andres als nur ein Gegenstand dieser edlen Wissenschaft sein.«

      Der Majordomus hatte jedenfalls seine eigenen Gedanken, hielt es aber nicht für nötig, auch seinerseits eine Warnung auszusprechen, die doch auch ohne Erfolg gewesen wäre. Man ging hinaus. Der Haupteingang des Corrals war zu, doch gab es neben demselben eine kleine, schmale Oeffnung, durch welche ein Mensch schlüpfen konnte; diese benutzten die drei Gäste, um in den Corral zu kommen. Der Majordomus blieb außerhalb desselben.

      Der Rodeo, wie man das Zusammentreiben einer Herde in die Corrals nennt, war im vollsten Gange. Die Masse der Rinder hielt eingeschüchtert im hintern Teile des umzäunten Platzes; das Jungvieh aber, welches gezeichnet werden sollte, jagte, von den Gauchos verfolgt, auf dem freien Raume umher. Jedes Rind, welchem die Marke aufgebrannt werden sollte, mußte eingefangen und so gefesselt werden, daß es keinen Widerstand zu leisten vermochte. Dazu gehörten, wie es hier auf dieser Estancia gehandhabt wurde, fünf Gauchos. Andre waren beschäftigt, ein Feuer zu unterhalten, in welchem die Stempel glühend gemacht wurden.

      Der ganze Vorgang ging folgendermaßen vor sich: Das betreffende Rind wurde zunächst von den übrigen geschieden. Während es dann über den Platz rannte, jagte ihm ein Gaucho nach, um ihm den Lasso über den Kopf zu werfen. Die Schlinge zog sich stets mit unfehlbarer Sicherheit um den Hals zusammen, benahm dem Tiere den Atem und riß es nieder. Sofort waren die vier andern Gauchos bei der Hand, um ihre Schlingen um die Beine zu werfen. Die Pferde, auf denen diese fünf Reiter saßen, und an deren Sattelknöpfe die Enden der Lassos befestigt waren, kannten das, was sie zu thun hatten, sehr genau; sie zogen, jedes in der betreffenden Richtung, die Lassos straff an, wodurch die Beine des Rindes scharf ausgestreckt wurden, und in diesem Augenblicke sprang ein sechster Gaucho mit dem glühenden Stempel herbei, um ihn dem Tiere auf den linken Oberschenkel zu drücken. War dies geschehen, so ließ man es frei; es sprang auf, rannte, vor Schmerz und Aufregung brüllend, einige Male hin und her und kehrte dann zur Herde zurück, um sich in derselben zu verstecken.

      Diese Prozedur lief nicht immer glatt ab. Zuweilen saß ein Lasso nicht an der gewünschten Stelle fest; das Tier konnte sich also bewegen und sich wehren. Dann war Hilfe oder doppelte Anstrengung notwendig, und das ging nicht ohne Rufen und Schreien, ohne Scenen ab, bei denen es einem Europäer hätte angst und bange werden mögen. Das gequälte Rind sträubte sich brüllend; die andern stimmten ein und stoben schnaubend auseinander, um auf dem Platze umherzujagen, bis sie von den Gauchos mit hochgeschwungenen Lassos und Bolas wieder zusammengetrieben wurden. Da kam es vor, daß ein widerspenstiger Ochse sich zur Wehr setzte und der angegriffene Reiter sich nur durch Aufbietung aller seiner Geschicklichkeit zu retten vermochte.

      »Dat ist allerdings hochinteressant,« sagte Fritze nach einer solchen Scene zu seinem Herrn. »Ick habe doch auch schon zu Pferde jesessen, aber sonne Jelenkigkeit, wie hier erforderlich ist, kann ick nicht aufweisen. Ick bin überzogen, daß dat erste beste Rind mir über den Haufen rennen würde, Ihnen nicht auch, Herr Doktor?«

      »Mit mathematischer Gewißheit kann ich diese Frage nicht beantworten,« meinte bedachtsam der Doktor. »Ich habe noch keine Erfahrungen darüber, und man soll, wie die Wissenschaft lehrt, nur das behaupten, was man beweisen kann. Uebrigens liegt mir an dem Beweise, daß ich umgerannt würde, bedeutend weniger als an demjenigen, daß der Wiederkäuer, welchen wir mit dem Worte Rind bezeichnen, wirklich einen so großen Widerwillen gegen die rote Farbe hat, wie vorhin behauptet wurde. Ich hoffe, du wirst mir behilflich sein, einen darauf bezüglichen Versuch anzustellen.«

      »Sehr jerne, wenn es nämlich ohne zerbrochene Gliedmaßen jeschehen kann.«

      »Ohne allen Zweifel!«

      »So? Denken Sie doch an den Büffel beim Stierjefecht!«

      »Das war ein Bison americanus, während wir es hier mit einfachen argentinischen Rindern zu thun haben. Ich beabsichtige eine Probe zu machen, und zwar eine Doppelprobe. Wir sind beide rot gekleidet; ich nähere mich einem Ochsen, und du bemühst dich, an eine Kuh zu kommen. Auf diese Weise erfahren wir nicht nur, ob das Rind im allgemeinen die betreffende Abneigung besitzt, sondern es wird zugleich auch die besondere und sehr wichtige Frage beantwortet, bei welchem Genus diese Aversion bedeutender ist, ob beim Genus masculinum oder bei dem Genus femininum.«

      »Jut, aber wenn ick nun jrad an den bösern Genus jerate!«

      »Das steht nicht zu erwarten, da ich den Ochsen auf mich nehmen werde und jede Eigenschaft, also voraussichtlich auch dieser Widerwille, beim männlichen Geschlechte schärfer ausgeprägt ist, als beim weiblichen, welches ja bekanntermaßen stets die schwächere Hälfte bildet. Also, bist du bereit?«

      »Ja, ick will mir Ihnen zu Jefallen für diese zoologische Frage interessieren.«

      »Es ist nicht eigentlich eine allgemein zoologische, sondern eine besonders zoopsychologische.«

      »Dat ist eins und dasselbe. Ob ick zoologisch oder zoopsychologisch niederjerannt werde, bleibt sich gleich. Beides ist gleich unanjenehm, soll aber für Ihnen jewagt werden.«

      »So nimm du die Kuh, welche eben jetzt gebrannt wird.«

      Er zeigte auf das Tier, welches eben jetzt gefesselt an der Erde lag, um die Marke zu erhalten. Die beiden Deutschen hatten bisher an der Umzäunung


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