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Der beiden Quitzows letzte Fahrten. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Der beiden Quitzows letzte Fahrten - Karl May


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wenn sich sein Wissen darum ergiebt, ebenso gestraft wie sie. Auch soll Niemand Mordbrenner schützen oder ihnen Schutz gewähren. Wird ein Mann oder Ort mit Raub und Brand angegriffen, da soll man die Sturmglocken läuten und Lärmen machen lassen. Dann sollen Alle den Feind verfolgen, ihm nachstellen, ihn hindern und anhalten, seinen Schaden wieder gut zu machen. Ist ein Jemand nicht in handhafter, wahrer That ergriffen oder berüchtigt, den wollen Wir vor Uns kommen lassen und ihn darum zur Rede setzen; kann er sich dann rechtlich entschuldigen, so soll ihm das zu gute kommen, wo nicht, so soll er leiden, was sich gebühret. Auch soll Jeder seine Knechte anhalten, hiernach zu verfahren, und in allen diesen löblichen Dingen für sie stehen. Alle Herren, Mannen und Städte sollen ihre weltlichen Gerichte löblich bestellen, damit Jedermann schnell Recht erhalten könne, und es soll auch Niemand dem Andern in seine Gerichte eingreifen. Jeder aber, der gegen diese Befehle handeln wird, soll deshalb gestrafet werden, wie es sich von Rechts wegen gebühret.

      Solches ist gegeben und befohlen zum allgemeinen Wohle Unsers Landes, damit ein Jeder wohnen könne in Fried und Eintracht unter den Seinen und sich freue der redlichen Arbeit seiner Hände! – —

      Hier draußen vor der Stadt hatte diese Verkündigung keinen, wenigstens keinen bemerkbaren Zuhörer gefunden, und der Diener wandte sich langsam zur Stadt zurück, in welcher Freude und Jubel herrschte über diesen kraftvollen Griff der markgräflichen Faust in die schädlichen Wirren des Faustrechtes. Mit dieser Verordnung war eine Drohung ausgesprochen worden gegen die beutesüchtige Ritterschaft, die es sich zur Hauptaufgabe gestellt hatte, den friedfertigen Bürger und Handelsmann seines Eigenthums und rechtmäßigen Gewinnes zu berauben, und in ihr lag der Anbruch einer geordneten Zeit garantirt, wie sie von den bisher Schutzlosen längst schon ersehnt worden war.

      Darum ging es heut, und besonders am Abende, gar laut und fröhlich in den Schankstätten und Herbergen der Stadt Tangermünde her und das Lob des Herrn Friedrich von Zollern ward verkündigt von Haus zu Haus, von Stube zu Stube. Tiefe Ruhe dagegen herrschte in dem mauerumschlossenen Hause an der Stendaler Straße, und von seinen Bewohnern war kein hörbares Lebenszeichen zu bemerken.

      Nur aus der Esse stieg zuweilen ein rothglühender Schwalch, durch welchen hellleuchtende Funken gleich feurigen Käfern schossen, oder es hob sich in kerzengrader Richtung eine schwarze, dichte Rauchsäule empor, welche sich oben ausbreitete, um dann schwer und langsam auf die Umgebung herab zu fallen. »Im Zauberhause wird der Höllenzwang gesprochen,« sagten die Leute, welche es bemerkten, bekreuzigten sich und beteten eine Ave Maria.

      In dem vordern Wohnraum des Hauses saßen drei Personen, welche wohl geeignet waren, einen ungewöhnlichen Eindruck auf den Beschauer hervorzubringen. Es waren dies ein Jüngling und zwei Frauen. Der Erstere saß an dem mit einer starken Eichenholzplatte versehenen Tische und seine hohe, kraftvolle Gestalt war über ein dickes Buch gebeugt, welches die Inschrift führte: »Kreutterbuch deß Hochgelahrten und Weitberühmten Herrn Doctor Petri Andrae Matthioli. Jetzt wiederumb mit vielen schönen newen Figuren, auch nützlichen Artzneyen und anderen guten Stücken zum dritten mal auß sondern Fleiß gemehret und verfertigt durch Joachimum Camerarium, der löblichen Reichsstadt Nürnberg Medicum Doctor. Sampt wohlgeordnetem genugsamem Bericht von den Destillir und Brennöfen.« Er schien seine Aufmerksamkeit ungetheilt auf den Inhalt dieses Buches zu verwenden, denn es lag eine sehr sichtbare Spannung in seinen männlich schönen Zügen, und nur selten warf sein ernstes Auge einen Blick auf die beiden weiblichen Gestalten, welche mit ihm den niedrigen Raum belebten. Die Eine von ihnen war eine Jungfrau fast in demselben Alter wie er und ebenso wie er durch Schönheit und Adel ausgezeichnet, welcher sich ihrem lieblichen Angesichte sehr leicht erkennbar aufprägte; die Andere aber, vom Alter krumm und gebückt, trug eine seltene Häßlichkeit zur Schau, und ihre Gesichtsbildung war ganz eine solche, mit welcher der Aberglaube seine Hexen auszustatten pflegt.

      Die Frauen spannen und der Jüngling las, und keins von ihnen versuchte, die dabei herrschende Stille durch ein Wort, eine laute Bemerkung zu unterbrechen, bis draußen vom Thore her ein lautes Klopfen ertönte. Ueberrascht horchten alle Drei empor, und die Jungfrau sprach mit einer tiefen, klangvollen Altstimme:

      »Wer mag es sein, der in so später Abendstunde sich an unser verrufenes Haus wagt? Detlev, willst Du vielleicht nachschauen?«

      Der Angerufene erhob sich.

      »Doch vielleicht ein Hilfesuchender, den die Noth zwingt, seine Scheu vor dem »Zauberhause« zu überwinden,« meinte er.

      »Halt!« fiel die Alte ein; »bleibt hier, junger Herr. In einem verzauberten Hause muß die Hexe das Thor bewachen, und mein Gesicht paßt besser hinaus, als das Eurige!«

      Sie legte die tanzende Spindel zur Ruhe, schob den Jüngling zur Seite und trat hinaus in den Hof. Sie war nicht das einzige Wesen, welches durch das Pochen an das Thor gerufen worden war, sondern an demselben wurde sie von noch zweien mit laut jubelnden Tönen empfangen, die einen Andern zur sofortigen Flucht bewogen hätten: es war ein riesiger Fanghund mit wahrhaft bärenmäßigen Gliedern und ein Leopard, welcher unter unbeschreiblichen Tönen seine elastisch kraftvolle Gestalt schmeichelnd an die Herrin schmiegte. Diese trat zu einem kleinen Gucklocke, durch welches man, ohne selbst bemerkt zu werden, einen forschenden Blick auf jeden Einlaßbegehrenden zu werfen vermochte, und erkannte zwei Männer,

      von denen der Eine wartend am Thore stand, während der Andere einige Schritte zurück bei den Pferden hielt.

      »Wer seid Ihr, und was ist Euer Begehr zu dieser späten Stunde?« frug sie mit einer Stimme, deren schriller Ton ganz zu dem Ausdrucke ihres Gesichtes paßte.

      »Wohnt Herr Suteminn in diesem Hause?« gegenfragte kurz und befehlend der Angeredete.

      »Ja. Was wollt Ihr von ihm?«

      »Ist er daheim oder nicht?«

      »Er ist daheim. Aber hört Ihr es denn nicht, daß ich wissen will, was Ihr von ihm begehrt?«

      »Oeffne die Thür; ich habe mit ihm zu reden!«

      »Dieses Haus steht nicht für Jeden offen. Sagt, wer Ihr seid und was Ihr wollt; ich darf nicht um jedes Fremden willen den Herrn bei seinen Büchern stören.«

      »So geh’ und sag’, Herr Friedrich schicke mich!«

      So dunkel und ungenügend der Alten diese Worte erschienen, sie waren in einem Tone gesprochen, welcher sie veranlaßte, von weiteren Fragen abzusehen, und ihre sich entfernenden Schritte bewiesen, daß sie der erhaltenen Weisung Folge leiste. Auch währte es nur eine kurze Zeit, so erschien sie wieder, aber nicht in dem breiten Hauptthore, sondern an dem kleinen Nebenpförtchen, welches sich, nachdem die Riegel zurückgeschoben waren, kreischend in den Angeln drehte.

      »Tretet ein! ich werde Euch führen!«

      Er mußte sich bücken, um in den Hof zu gelangen, und wäre bei dem Anblicke der beiden Thiere, welche an den Seiten der Frau standen, fast wieder zurückgetreten, wenn ihn nicht die friedliche Haltung derselben und sein persönlicher Muth daran verhindert hätten. Der Weg führte durch das Wohnzimmer. Als der Fremdling dieses betrat und die beiden jungen Leute erblickte, hemmte er erstaunt seine Schritte; er schien Wesen von ihrer Art gar nicht in diesem Hause vermuthet zu haben; aber schon hatte die Alte die in das Nebengemach führende Thür geöffnet und winkte ihm, einzutreten.

      Es war nur ein kleiner Raum, in dessen hinterstem Winkel sich ein breiter Heerd befand, über welchem die trichterförmige Oeffnung des Schornsteins gähnte. In einem über dem Feuer angebrachten Kessel brodelte eine Flüssigkeit, welche ein kräftiges, kräuterhaftes Aroma verbreitete; die Wände waren mit Flaschen, Gläsern, Tiegeln und allerlei für den Laien räthselhaften Gefäßen und Gegenständen bedeckt, und aus dem bis zur Decke reichenden Büchergestell sah eine für die damalige Zeit ganz bedeutende Anzahl Hefte, Rollen und Folianten auf den Besucher herab.

      Der Inhaber dieses Gemaches hatte am Tische gesessen und ein vor seinem Sessel aufgeschlagenes Buch zeigte, in welcher Beschäftigung er unterbrochen worden war. Jetzt aber stand er vor seinem Besuche, und es war in diesem Augenblicke selbst für Denjenigen, welcher die Beiden nicht gekannt hätte, zu bemerken, daß sich hier zwei nicht ganz gewöhnliche Leute einander gegenüber befanden. Die hochaufgerichtete, reckenhafte Gestalt des Hausherrn zeugte von einer Fülle physischer Kraft, wie sie nur Wenigen gegeben ist, während seine Umgebung


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