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Der beiden Quitzows letzte Fahrten. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Der beiden Quitzows letzte Fahrten - Karl May


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Henning von Bismarck ist gekommen, zu gedenken der Kinder Juda, welche da sitzen unter den Weiden zu Babylon und hängen ihre Harfen – — —«

      »Schweigt und kommt!«

      Der Ton dieser Unterbrechung klang jetzt so barsch, daß sie endlich beherzigt wurde. Die beiden glücklichen Kinder Israels folgten dem Voranschreitenden bis an den Ort, an welchem Bismarck stand, dem gegenüber sie sich zu voluminösen Lobes— und Dankesüberhebungen anschickten, dabei aber von ihm mit zwar leiser, jedoch scharfer Mahnung abgewiesen wurden:

      »Was schreit Ihr da in dem Gange, als stäkt Ihr an dem Spieße? Es gilt hier, vorsichtig zu sein, und mir scheint, ich habe Stimmen in der Kapelle vernommen.«

      Keiner wagte auf diese Warnung ein Wort zu sagen. Der Ritter und Detlev öffneten die Thür, um zu lauschen. Wirklich vernahmen sie ein Wechselgespräch zwischen einer männlichen und weiblichen Stimme, und als sie es wagten, bis an die Ecke des Altares vorzutreten, sahen sie den Pater Eusebius, welcher vor einer weiblichen Gestalt stand, die in einem der Kirchenstühle Platz genommen hatte.

      »Ja, es ruht ein schwerer Fluch auf Euch und Eurem irren Glauben. Ihr habt Eure Gesetze unter Donner und Blitz vom Sinai empfangen, und das Wetter hat seit jener Zeit fortgeleuchtet über Eurem starren Haupte bis auf den heutigen Tag. Der Messias ist gekommen, Euch das Heil zu bringen; Ihr aber wolltet ihn nicht erkennen, sondern habt ihn verfolgt, an das Kreuz geschlagen und gemartert bis zum Tode. Der Sohn Gottes mußte sterben wie ein gewöhnlicher Verbrecher, und diese Schuld liegt auf Euch und Eurem Volke bergesschwer. Und dennoch streckte die heilige christliche Kirche ihre versöhnende Hand aus auch nach Euch; sie will Euch von dem Fluche erlösen, Euch Gnade und Vergebung bringen; Ihr aber weist die Barmherzigkeit Gottes von Euch und schleppt Eure Last unter Seufzen und Weinen weiter. Willst auch Du so thöricht sein wie die Anderen, meine Tochter? Siehe, die Liebe sucht Dich, und das Erbarmen des Lammes, welches aller Welt Sünde trägt, will Dich erreichen. Du kannst Heil und Segen bringen auf Dich und die Deinen; warum willst Du die Langmuth Gottes in schnödem Eigensinne in Zorn und Rache verwandeln?«

      »Laßt mich gehen mit Euren Reden,« hauchte es zurück. »Ich verstehe sie nicht und werde lieber sterben, als daß ich von dem Glauben meiner Väter weiche!«

      »Gott der Gerechte,« stieß Itzig hervor; »das ist das Kind meines Herzens, Fleisch von meinem Fleische und Blut von meinem Blute! Der Baalspfaffe hat sie genommen in seine Krallen, um sie untreu zu machen, daß sie verläßt ihren Glauben und bringt Schande auf das graue Haupt ihres Vaters!«

      »Sei ruhig, Jude,« befahl ihm Detlev. »Willst Du Dich und uns verrathen?«

      »Was soll ich sein? Ruhig soll ich sein, wenn zerrissen wird meine Taube von dem Geier, welcher sie verschlingen will mit seinem Rachen?«

      »Wenn Du nicht schweigest, so stecke ich Dich wieder hinter in das Loch; da magst Du schreien, so viel Du nur immer willst!«

      »Gott Abrahams, Isaaks und Israels, was wollt Ihr thun? In das Loch wollt Ihr mich stecken? Ich werde schweigen und meine Zunge halten bis in alle Ewigkeit, Sela!«

      »Du willst meine Rede nicht verstehen?« fuhr der Pater fort, indem er seine Hand hart auf die Schulter des Mädchens legte. »Gut, so werde ich auch Dein Weinen nicht verstehen, wenn Du um Deinen Vater jammerst, über den der Tod beschlossen ist! Deines Herzens Härtigkeit ist es zuzuschreiben, daß ich ihm meine Hilfe entziehe, wenn das Gericht über ihn ausgeführt wird.«

      »Nein, nein,« weinte das Mädchen; »das werdet Ihr nicht thun! Ihr sprecht von der Liebe Eures Gottes und von seiner Gnade und Barmherzigkeit, und wenn Eure Worte Wahrheit enthalten, so könnt Ihr nicht grausam handeln an Denen, die Euch kein Leides zugefügt haben.«

      »Du sprichst thöricht! Auch die Liebe muß streng sein, wenn ihr widerstrebt wird. Sie will den irrigen Sünder nicht fallen lassen und bringt ihn, wenn er sich gegen ihren heiligen Willen sträubt, mit Gewalt zum Heile. Ich werde Dich unterrichten in den Sätzen unseres alleinseligmachenden Glaubens und für Deine Seele sorgen, wie der Bräutigam sorgt für das Glück seines süßen Bräutleins. Du wirst die Gnade erkennen, die Dich ergreifen und zur Seligkeit führen will, und Deine Seele wird mit der meinigen verbunden sein, wie das Herz des Weibes hängt an dem des geliebten Mannes, denn mich erbarmt des verirrten Schäfleins, und ich will es zurückführen zur fetten Weide und es lieben und leiten, damit es sich nicht wieder hinaus in die Wüste verlaufe!«

      Er bog sich tief zu ihr nieder und versuchte, den Arm um sie zu schlingen; sie aber schnellte empor und stieß ihn mit aller ihr zu Gebote stehenden Kraft von sich.

      »Geht, Scheinheiliger! Ich habe Nichts mit Euch zu schaffen. Nie mag ich Eure Lehren hören, denn Ihr verbergt hinter ihnen nur die Tücke und Falschheit Eures Herzens!«

      »Nein, mein süßes Jungfräulein, nicht Tücke ist es und Falschheit, welche in meinem Herzen wohnt, sondern Deine Schönheit hat mir den Sinn gerührt, daß ich Dich nicht möchte in das Verderben laufen lassen. Dein Zorn hilft Dir Nichts, denn die Hand des Heiles hat Dich erfaßt und wird Dich nicht wieder von sich lassen. Wehre Dich also nicht, sondern vertraue Dich meinem Arme an; er ist stark und warm, und es wird Dir behaglich dünken, von ihm geschützt und gehalten zu werden.«

      Er trat wieder auf sie zu; sie aber wich zurück.

      »Geht, sage ich Euch, Elender; ich mag von Euch Nichts wissen!«

      »So sagt Ihr alle, die Ihr nicht erkennen wollet, was zu Eurem Frieden dient; aber das währt nur kurze Zeit, und bald wirst Du Dich an mich gewöhnt haben!«

      Er ergriff sie mit beiden Händen und zog sie an sich; sie strengte sich vergeblich an, von ihm loszukommen; ihre Kräfte waren denen des frommen Mannes nicht gewachsen.

      »Laßt mich, oder ich rufe um Hilfe!«

      »Hilfe? Hier giebt es für Dich keine, außer bei mir!«

      »Meinst Du?« klang es neben ihm, und zu gleicher Zeit fiel eine Faust so kräftig auf seinen Schädel, daß er mit den Händen suchend um sich griff und dann zu Boden stürzte.

      Es war Detlev gewesen, welcher den guten Hieb geführt hatte; er bückte sich nieder und schnürte dem Mönche mit dem Stricke, welchen derselbe um die Kutte trug, Hände und Füße zusammen.

      »Mein Kind, meine Tochter!« rief der Jude. »Ich werde singen, spielen wie David auf dem Psalter und mit neun Saiten: Lobe den Herrn, meine Seele, der dir hat wiedergegeben den Liebling, der verloren war! Wie wird erschrecken und staunen mein Weib, wenn sie wird hören von den großen Thaten, die wir haben gethan unter den Philistern! Es wird sich erheben ein Lob im Gebirge, und in den Thälern wird erklingen der Ruhm von Aron Itzig und Veit Schmuel aus Gardelegen.«

      Jetzt erhob sich Detlev aus seiner gebückten Stellung und sein Auge fiel zum ersten Male auf die Jüdin, deren Gesicht er bisher noch nicht erblickt hatte. Hoch und stolz stand ihre herrliche Gestalt vor ihm, beleuchtet von dem ewigen Lichte und dem Scheine der Laterne, welche jetzt Schmuel in der Hand trug. Ihr großes, orientalisch geschnittenes, dunkles Auge ruhte mit einem Ausdrucke auf ihm, der ihn im tiefsten Innern erbeben machte, und als sie jetzt ihre Stimme erhob, war ihr Klang ein ganz anderer, als vorhin dem Pater gegenüber.

      »Dank Euch, Herr, für die Hilfe, die Ihr mir geleistet habt! Ich weiß nicht, wer Ihr seid, aber mein Herz wird an Euch und diese Stunde denken, so lange ich lebe!«

      Sie ergriff seine Hand und drückte sie dankend an sich. Er fühlte die Fülle des Busens unter ihr erbeben; nie gekannte Regungen durchflutheten ihn, und es geschah ihm zum ersten Male in seinem Leben, daß er vor Verwirrung keine Worte fand.

      Bismarck löste ihn aus dieser peinlich seligen Lage, indem er das Schweigen brach.

      »Laßt uns eilen, daß wir von hinnen gehen. Man könnte uns sonst entdecken, und dann würde es uns wohl schwerlich gelingen, aus diesem Hause zu entkommen!«

      »Noch müssen wir warten, Ritter,« antwortete Detlev, der dem Sprecher gegenüber seine Sprache wiederfand. »Der Gang, durch welchen wir uns entfernen müssen, ist jetzt nicht sicher für uns, da sich mehrere Knechte der Herren von dem Kruge in demselben befinden. Sie sind ausgezogen, mich zu fangen, und werden, wenn sie mich nicht finden, wohl bald


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