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Der blaurote Methusalem. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Der blaurote Methusalem - Karl May


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Die drei Feldstühle, auf denen sie Platz genommen hatten, standen nämlich nicht nebeneinander. Das wäre dem guten Gottfried gegen alle gewohnte Subordination gewesen. Er war jahrelang hinter seinem »Methusalem« hergelaufen und konnte es unmöglich zugeben, daß jetzt eine andere Ordnung eingeführt werde. Darum saß er in der altgewohnten Entfernung von drei Schritten hinter ihm und hielt die Wasserpfeife, deren Schlauchspitze der Student im Munde hatte, in den Händen. Sie war vor der Abreise mit einem neuen Glasballon versehen worden.

      Beide, der Herr sowohl wie auch sein Wichsier, waren ganz genau noch so gekleidet, wie man sie daheim in der Humboldtstraße zu sehen gewohnt gewesen war. Richard saß neben dem »Methusalem« und einige Fuß vor demselben der bekannte Neufundländer, welcher es sich also ebenso angelegen sein ließ wie Gottfried, die heimatliche Reihenfolge beizubehalten.

      Fritz Degenfeld blies die gewohnten dicken Rauchschwaden aus dem Munde und nickte dem Kapitän freundlich zu, welcher soeben von vorn kam und zu ihnen auf die Kampanje stieg.

      »Nun, Kommodore, wie steht‘s?« fragte er. »Werden wir bald die Küste des himmlischen Reiches zu sehen bekommen?«

      »Will es meinen,« antwortete der Gefragte. »Wir werden bereits am Nachmittage vor Hongkong zu Anker gehen. Bald werden sich da vorn die Segel mehren, welche die gleiche Richtung haben.«

      »So haben wir eine feine Fahrt gemacht!«

      »Unvergleichlich! Wir machen siebzehn Knoten. Das will etwas sagen. In nicht ganz vier Tagen von Singapore bis hierher, das soll dem Heimdall Turnerstick ein anderer nachmachen! Es wird es jeder bleiben lassen!«

      »Ja, Sie und Ihr gutes Schiff, da läßt sich etwas erreichen. Ich hätte nicht geglaubt, China so schnell begrüßen zu können.«

      »Wissen Sie denn auch, wie man dieses gelobte Land der Zöpfe begrüßt?«

      »Nun, wie?«

      »Tsching tsching! muß man rufen. Das ist der echt chinesische Gruß.«

      »Ach! Sie sprechen wohl auch ein wenig chinesisch?«

      Turnerstick setzte den Klemmer auf die Nase, hielt ihn dort fest, weil er sonst gleich wieder herabgefallen wäre, warf Degenfeld einen mißbilligenden Blick zu und antwortete:

      »Wie können Sie so fragen! Ein bemoostes Haupt wie Sie hat doch an der Universität ein genug langes Garn gesponnen, um zu wissen, daß man dem Kapitän Turnerstick so nicht kommen darf. Ein wenig chinesisch! Da liegen Sie vor Topp und Takel bei und treiben wohl bis sieben Striche ab! Wenn ich einmal ein Tau in die Hand nehme, so nehme ich es ganz.«

      »So sprechen Sie vollständig chinesisch?«

      »Natürlich! Wie anders?«

      Das war in einem Tone gesprochen, als ob er gefragt worden sei, ob er Wasser trinken könne.

      »Das ist mir neu!« gestand Degenfeld. »Sie haben darüber noch kein einziges Wort verloren!«

      »Wozu sollte ich davon reden? Von etwas, was sich ganz von selbst versteht, macht man doch kein Geschrei.«

      »Nun, desto wertvoller ist mir die Entdeckung, welche ich da an Ihnen mache. Sie haben zugesagt, sich uns für einige Tage anzuschließen. Da ist es für uns natürlich vom größten Vorteile, daß Sie geläufig chinesisch sprechen.«

      »Pah! Nicht der Rede wert! Eine wahre Kleinigkeit! Sie haben doch auch chinesisch getrieben, wie Sie mir sagten.«

      »Nur zwei Jahre lang.«

      »Das ist mehr als genug, denn diese Sprache ist die leichteste, die ich kenne.«

      »Und ich habe ihre Erlernung für höchst schwierig gehalten.«

      »Da haben Sie freilich ein sehr falsches Segel gesetzt. Sie natürlich müssen mit dem obligaten Latein und Griechisch den richtigen Kurs verlieren. Wem der Kopf mit so klassischer Ware vollgestaut wird, der hat eben zuletzt für das Leichteste keinen Platz mehr übrig. Dann segeln solche überstudierte Leute in der Welt herum und können kein Panzerschiff von einer Heringskuff unterscheiden. Ich sage ihnen, das Chinesische ist mir geradezu angeboren gewesen. Es ist ganz von selbst gekommen.«

      Der »Methusalem« kannte die Achillesferse des Kapitäns. Darum hütete er sich sehr wohl, den geringsten Zweifel hören zu lassen. Er sagte im ernstesten Tone:

      »Das kann eben nur Ihnen passieren. Sie sind ein wahrer Walfisch im Meere der Dialekte. Sie schwimmen spielend drin herum und blasen die schwierigsten Paradigmen nur so aus der Nase.«

      Turnerstick hielt den Klemmer empor, warf durch denselben einen forschenden Blick auf den Sprecher und fragte sehr ernst:

      »Durch die Nase! Soll das etwa eine Hindeutung auf meine Gesichtszüge enthalten?«

      »Was fällt Ihnen ein! Ich spreche vom Walfisch, und daß der bläst, das wissen Sie wohl!«

      »Ja, und zwar aus der Nase. Sie haben recht. Wie der sich im Wasser wälzt, so wälze ich mich in den Sprachen herum. Und gerad das Chinesische ist mir völlig wurst.«

      »Für mich ist es im Gegenteile ein sehr harter Knochen gewesen, an welchem ich mir die Zähne locker gebissen habe. Bedenken Sie nur die Dialekte! Es sind ihrer neun!«

      »Das ist wenig genug! So ein Dialekt läuft bei mir hinunter wie ein steifer Grog. Die Hauptsache ist, daß man sich eben an die Hauptsache hält, und das sind im Chinesischen die Endungen.«

      »So? Ich bin stets der Meinung gewesen, daß das Chinesische gar keine Endungen habe.«

      »Was! Keine Endungen! Ja, nun ist‘s mir freilich sehr erklärlich, daß Sie es trotz zwei voller Jahre zu nichts gebracht haben! Wenn Sie nichts von den Endungen wissen, so ist das gerade so, als wenn Sie ohne Wasser schwimmen oder ohne Flügel fliegen wollen. Ich sage Ihnen, daß ich im stande bin, Ihnen das ganze Chinesische mit allen neun Dialekten in fünf Minuten beizubringen!«

      »Unglaublich!«

      »Sie werden es gleich glauben müssen. Nennen Sie mir doch einmal die Namen von einigen chinesischen Städten oder Flüssen!«

      »Das ist sehr leicht. Da haben wir zum Beispiel Jang-tsekiang, Ma-seng, Pe-king, Hong-kong, Wu-sung – —«

      »Halt!« unterbrach ihn der Kapitän. »Das genügt vollständig. Da haben Sie ja gleich fünf Endungen!«,

      »Endungen? Wohl nicht!«

      »Was denn? Sie haben sie ja genannt, ang, eng, ing, ong und ung! Wenn das keine Endungen sind, dann bin ich nicht Heimdall Turnerstick! Diese Endungen sind die wirklichen Kaninchen! Mit ihrer Hilfe schüttelt man das Chinesische nur so aus den Aermeln. Das ist der wahre Jakob. Die Endungen, die Endungen, die geben den Speck zu den dicken Erbsen. Sie freilich mit Ihrem Griechischen und Lateinischen haben gar keine Ahnung von einer anständigen, brauchbaren und bequemen Endung! Ich glaube, auf allen Ihren Universitäten ist keine einzige ordentliche und mundgerechte Endung zu finden wie so ein chinesisches ing, ang oder ung! Mit fünf solchen Endungen stecke ich ganz China in den Sack. Das werde ich Ihnen in kurzer Zeit beweisen. Da draußen hält ein Kutter auf uns zu. Es ist ein Lotse. Ich werde ihm sogleich das Signal geben, da er an Bord kommen soll. Dann werde ich chinesisch mit ihm sprechen, und Sie sollen Ihre Freude daran haben. Sie werden sich wundern, daß Sie nicht ganz von selbst auch darauf gekommen sind.«

      Er gab den betreffenden Befehl, und bald wehte vom Vortop des Klippers das Zeichen »PT« des internationalen Signalbuches.

      Der Lotse sah die Aufforderung und folgte derselben. Er hatte kein chinesisches Boot. Sein Fahrzeug war sehr scharf auf den Kiel gebaut, und der Vorsteven stand fast rechtwinkelig auf. Es führte eine sehr hohe Stenge, horizontal liegendes Bugspriet, Gaffel- und Gaffeltopsegel, Stackfock und großen Klüver. Es war eine Lust, zu sehen, wie schnell und anmutig es herbeigeschossen kam. Es gab den Lotsen an Bord und hielt dann mit der Bedienung von dem Klipper ab.

      Der Lotse ging chinesisch gekleidet und trug einen ungeheuer breiten Grashut, welcher sein Gesicht so beschattete, daß es kaum zu erkennen war, auf dem Kopfe.

      »Jetzt passen Sie auf!« sagte der Kapitän zu Fritz Degenfeld. »Jetzt geht es los mit dem Chinesischen.«

      Er


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