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Der Oelprinz. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Der Oelprinz - Karl May


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Die andern mögen hier bleiben, sich zum Aufbruche rüsten und die Ochsen an die Wagen spannen, damit Ihr Zug nach unsrer Rückkehr sofort nach Tucson aufbrechen kann.«

      »Jetzt schon, noch während der Nacht? Wir müssen doch ausruhen und wollten erst am Morgen fort.«

      »Das wird nun nicht möglich sein. Wie die Verhältnisse jetzt liegen, müssen Sie unbedingt auf die fernere Nachtruhe verzichten.«

      Da ertönte von dort, wo die Frauen sich befanden, eine tiefe kräftige Baßstimme im ausgesprochensten sächsischen Dialekte.

      »Hörn Se, daraus wird nischt! Der Mensch will seine ordentliche Ruhe haben und das Vieh ooch. Es wird also hier geblieben!«

      Sam blickte die Sprecherin verwundert an. Einen Einspruch von weiblicher Seite, und noch dazu in diesem Tone, hatte er nicht erwartet. Sie war eine starkknochige Gestalt von sehr männlichem, resolutem Aussehen. Hätte das Feuer heller gebrannt, oder wäre es Tag gewesen, so würde der Kleine bemerkt haben, daß unter ihrer scharf gebauten Nase sich eine dunkle Linie hinzog, welche man beim besten Willen doch nicht anders als einen Schnurrbart nennen konnte.

      »Ja, gucken Sie nur immer her!« fuhr sie fort, als sie den befremdeten Blick des Westmannes auf sich gerichtet sah. »Es wird nich andersch. Bei Tage wird gefahren und bei Nacht geschlafen. Da könnte jeder kommen und unsre Ordnung über den Haufen werfen!«

      »Aber mein Vorschlag zielt nur auf Ihre Sicherheit, auf Ihren Vorteil hin, liebe Frau,« antwortete Sam.

      »Das machen Sie mir nich weiß!« entgegnete sie wegwerfend. »Een ordentlicher Mensch treibt sich nich so mitten in der Nacht und bei solcher Finsterheet in Amerika herum. Ja, wenn’s derheeme wär, da ließ ich mersch gefallen; aber in fremden Erdteelen wartet man hübsch ruhig, bis es Tag geworden is. Verschtehen Se mich?«

      »Freilich verstehe ich Sie, liebe Frau; aber ich denke, —«

      »Liebe Frau?« unterbrach sie ihn. »Ich bin gar nich Ihre liebe Frau! Wissen Se, wer ich eegentlich bin und wie ich heeße?«

      »Natürlich sind Sie die Gattin eines dieser vier Gentlemen.«

      »Gentlemen! Reden Se doch deutsch, wenn Se eene deutsche Frau vor sich haben! Ich bin die Frau Eberschbach, geborene Morgenschtern und verwitwete Leiermüllern. Der da« – — – dabei deutete sie auf einen der drei jüngeren Auswanderer – — »is mein gegenwärtiger Gemahl und Ehemann, Herr Schmiedemeester Ebersbach; so wird’s nämlich geschrieben, gesprochen aber Eberschbach. Und daß Sie’s gleich von vorn’rein wissen, er tanzt nich etwa so, wie Sie pfeifen, sondern er hat sich nach mir zu richten, weil ich elf Jahre älter bin und also mehr Verschtand und Erfahrung haben muß als er. Ich bleibe hier und er folglich ooch. Bei nachtschlafender Zeit wird nich in der Welt herumgefahren.«

      Da keiner der Emigranten eine Entgegnung aussprach, so ließ Sam Hawkens seine lebhaften Aeuglein lustig im Kreise herumgehen und meinte dann:

      »Wenn die Herren gewohnt sind, dieser sehr energischen Lady zu gehorchen, so kann ich allerdings nur bitten, wenigstens für dieses Mal eine Ausnahme zu machen.«

      Er wollte weiter sprechen; sie aber fiel ihm schnell in die Rede:

      »I was Se nich sagen! Eene Ausnahme! Als ob ich mer das gefallen ließe! Da kennen Se mich schlecht! Was gucken Se mich denn so an? Se brauchen keen solches Gesicht zu machen. Wissen Se, ich bin’s, nach der man sich hier zu richten hat, ich; verschtehn Se mich? Wer hat denn die ganzen Kosten bezahlt? Für die Ueberfahrt und nachher ooch für den Landweg bis hierher? Und wer wird noch weiter herborgen müssen? Ich! Ich bin’s Kapital! Jetzt wissen Se alles, und nun woll’n mer wieder schlafen gehn!«

      Wieder sagte keiner der Männer ein Wort dagegen, selbst Schmidt nicht, der doch der Anführer zu sein schien und vor Abend gegen Sam so kräftig aufgetreten war. Darum stand dieser letztere vom Feuer, an welchem er gesessen hatte, auf und sprach in gleichgültigem Tone:

      »Ganz wie Sie wollen. Sagen wir also gute Nacht, wenn ich mich nicht irre. Es ist das letzte Mal, daß Sie es thun, denn ich bin überzeugt, daß der heutige Schlaf Ihr letzter ist, hihihi!«

      Er wendete sich zum Gehen; da stand die Frau auch schnell auf, hielt ihn am Arme fest und fragte:

      »Unser letzter Schlaf? Wie meenen Se das, Sie kleenes Männchen Sie?«

      Sie war allerdings, als sie so neben ihm stand, um einen Kopf länger als er. Er that, als hätte er diese Bezeichnung nicht gehört, und antwortete:

      »Ich meine, daß Sie früh nicht wieder aufwachen werden.«

      »Warum denn nich?«

      »Weil Sie tot sein werden.«

      »Tot? Das fällt mir gar nich ein! Frau Rosalie Eberschbach schtirbt noch lange nich!«

      »Glauben Sie, daß die zwölf Vagabunden, mit denen Sie es zu thun haben, gesonnen sein werden, sich nach Frau Rosalie Ebersbach zu richten?«

      »Die können uns nischt thun; die sind gefangen und gebunden, wie Sie uns erzählt haben.«

      »Sie werden sich aber frei machen und über Sie herfallen, sobald ich mich mit meinen beiden Kameraden aus der Schenke entfernt habe.«

      »Sie wollen sich entfernen, wollen fort?«

      »Natürlich!«

      »Wohin?«

      »Nach Tucson.«

      »Warum aber denn? Es is doch eegentlich Ihre Pflicht, diese Gefangenen zu bewachen, bis wir uns in Sicherheet befinden! Was soll ich denn von Ihnen denken, wenn Sie uns im Schtiche lassen und von hier verschwinden wie Butter an der Sonne!«

      »Denken Sie, was Sie wollen!«

      »Schöne Rede das, sehr schöne Rede! Haben Se denn noch nich gehört, daß Männer gegen Damen uffmerksam zu sein und sie zu beschützen haben? Und Frau Rosalie Eberschbach is eene Dame, verschtanden!«

      »Ganz richtig; aber wer sich unter meinen Schutz begibt, der hat sich nach mir zu richten. Auch verstanden? Sie sollen überfallen werden. Geschieht das hier, nachdem Sie sich wieder schlafen gelegt haben, so sind Sie verloren. Geschieht es nicht, so können wir nichts beweisen. Um den Beweis zu führen, müssen wir nach Tucson, wo ich den Kommandanten ersuchen will, uns ein Detachement Soldaten zur Hilfe zu geben. Dann sind wir den Finders auch an Zahl so überlegen, daß wir sie ergreifen können, ohne daß es zum Schusse kommt

      und einer von uns verwundet wird. Darum müssen wir sofort aufbrechen, um schon am Morgen in Tucson zu sein und die Falle, welche wir den Finders stellen wollen, fertig zu haben, ehe sie dieselbe bemerken. Können Sie das begreifen, Frau Ebersbach, geborene Leiermüller?«

      »Warum haben Se das nich gleich gesagt?« fragte sie in ganz anderm Tone. »Uebrigens bin ich als Leiermüllern verwitwet, nich aber geboren. Wenn Sie so vernünftig mit mir reden wie eben itzt, bin ich ooch vernünftig. Ich bin nämlich ooch nich uff den Kopp gefallen; das können Sie sich merken. Also wollen wir die Ochsen anschpannen und uns zum Weiterfahren fertig machen. Aber daß nur Schmidt mit Ihnen gehen soll, daraus wird nischt. Ich will mer diese Kerls ooch ansehen. Warten Se een bißchen; ich will mer eene Flinte holen.«

      Sie ging zu ihrem Wagen, in welchem sich das Gewehr befand. Als sie mit demselben zurückkehrte, wurde sie von ihrem Manne gebeten:

      »Bleib da, Rosalie! Das ist nichts für Frauen. Ich werde an deiner Stelle mitgehen.«

      »Du?« antwortete sie. »Du wärscht der Kerl dazu! Schpiel dich nur nich etwa als Mann und Helden uff ; du weeßt, daß ich das een für allemal nich leiden kann. Du bleibst also und wartest, bis ich wiederkomme!«

      Sie wendete sich zu Sam, welcher, leise vor sich hinkichernd, mit ihr und Schmidt nach dem Dorfe ging. Als sie die Schenke erreichten und in dieselbe traten, waren die Finders infolge der drückenden Fesseln aus ihrem betäubenden Rausche erwacht, und Buttler sprach eben zornig auf Stone und Parker ein.

      »Was will der Mann?« fragte Sam Hawkens die beiden.

      »Was soll er wollen,« antwortete Stone. »Wundert sich natürlich darüber, daß wir sie haben und nicht sie uns. Fragt, ob dies der Dank dafür sei, daß


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