Der Oelprinz. Karl MayЧитать онлайн книгу.
sind sie ausgestorben; der Indianer verhungert körperlich und moralisch, und einen wirklichen, echten Westmann sieht man nur noch in Bilderbüchern. Daran ist das schuld, was der Trapper, der Squatter »Gesindel« nennt. Man sage ja nicht, daß der Grund in dem Vorrücken der Zivilisation liege. Die Zivilisation hat nicht die Aufgabe der Ausrottung, der Vernichtung. Wie oft thaten sich, als die Pacificbahnen erstanden, Gesellschaften von hundert und noch mehr »Gentlemen« zusammen, um, mit Gewehren »neuester« Konstruktion bewaffnet, einen Jagdausflug zu unternehmen. Sie dampften nach dem Westen, ließen in der Prairie halten und schossen aus den sicheren Coupés heraus auf die vorüberziehenden Büffelherden; dann fuhren sie weiter, ließen die Tierleichen zum Verfaulen liegen und rühmten sich, Prairiejäger gewesen zu sein und ein »excellent and eximious« Vergnügen gehabt zu haben. Dabei waren auf ein wirklich getötetes Tier zehn und noch mehr angeschossene, verwundete zu rechnen, welche sich mühsam und schmerzvoll weiterschleppten, um dann elend zu verenden. Der Indianer stand von fern, sah mit ohnmächtigem Grimme zu, in welcher Weise man ihm seine Nahrung raubte, ihn zum Hunger trieb und konnte nichts dagegen thun. Beschwerte er sich, so wurde er ausgelacht; wehrte er sich, so wurde er niedergemacht wie die Büffel, welche er für sein Eigentum hielt und deshalb geschont hatte.
Ganz anders der wirkliche Westmann, der frühere Jäger. Dieser schoß nicht mehr, als er brauchte. Er holte sich das Fleisch mit Gefahr seines Lebens. Er wagte sich auf seinem Pferde mitten in die Büffelherde hinein. Er kämpfte mit dem Mustang, den er sich fangen und zähmen wollte; er trat selbst dem grauen Bären kühn entgegen; sein Leben war ein unaufhörlicher, aber ritterlicher Kampf mit feindlichen Verhältnissen, feindlichen Tieren und feindlichen – Menschen. Dabei mußte er sich auf sich selbst, auf sein Pferd und auf sein Gewehr verlassen können, wenn er nicht »ausgelöscht« werden wollte. Das Pferd war daher sein Freund, die Büchse seine Freundin. Wie mancher Jäger hat oft und zwar sehr oft sein Leben für sein Pferd gewagt! Und mit welcher Liebe hing er an seinem Gewehre, jenem toten, seelenlosen Gegenstande, dem seine dankbare Phantasie dennoch eine Seele beilegte. Er hungerte und dürstete, um vor allen Dingen sein Pferd fressen und saufen zu lassen, und sah erst auf sein Gewehr, ehe er an sich selber dachte. Er gab beiden Namen wie menschlichen Personen und sprach mit ihnen wie mit Menschen, wenn er einsam, nur mit ihnen allein sich in das Gras der Prairie oder in das Moos des Urwaldes gelagert hatte. Zu dieser Art von Westmännern gehörte Sam Hawkens. Die Rauheit seines wilden Lebens hatte sein Herz nicht verdorben, er war trotz derselben ein gemütvolles aber dabei außerordentlich schlaues Kind geblieben.
Was er erwartet hatte, das geschah: Buttler war aufgestanden, kam herbei, pflanzte sich gebieterisch vor dem Tische, an welchem die drei saßen, auf und sagte, ohne sie zu grüßen, in höhnischem Tone:
»Wie prächtig ihr euch ausnehmt, Leute! Ihr scheint höchst sonderbare, höchst lächerliche Drillinge zu sein!«
»Yes,« nickte Sam sehr ernsthaft und sehr bescheiden.
Dieses Eingeständnis klang so komisch, daß Buttler laut auflachte und, während seine Gefährten in das Gelächter einstimmten, fortfuhr:
»Wer seid ihr denn eigentlich?«
»Ich bin der erste,« antwortete Sam.
»Ich der zweite,« fügte Dick Stone hinzu.
»Und ich der dritte,« stimmte Will Parker ein.
»Der erste, der zweite, der dritte? Was denn?« fragte Buttler, nicht gleich wissend, was sie meinten.
»na, Drilling natürlich!« antwortete Sam mit außerordentlicher Treuherzigkeit.
Ein zweites, allgemeines Gelächter folgte diesen seinen Worten. Buttler war geschlagen; darum fuhr er den Kleinen unwillig an:
»Macht keine dummen Witze! Ich bin gewohnt, ernsthaft mit mir verkehren zu lassen. Daß ihr nicht Drillinge sein könnt, sieht man ja. Ich wollte eure Namen wissen. Heraus damit also!«
»Ich heiße Grinell,« antwortete Sam kleinlaut.
»Und ich Berry,« gestand Dick furchtsam.
»Und ich White,« stieß Will sehr ängstlich hervor.
»Grinell, Berry und White,« meinte Buttler, »eure Namen kenne ich jetzt. Nun sagt mir auch, was ihr seid!«
»Fallensteller,« erklärte Sam Hawkens.
»Fallensteller?« lachte der Examinator. »Ihr seht mir ganz und gar nicht so aus, als ob ihr jemals einen Biber oder ein Racoon gefangen hättet!«
»Haben auch noch nicht,« gab der kleine Sam bescheiden zu.
»Ah, habt noch nicht! Wollt also wohl erst?«
»Yes.«
»Gut, sehr gut! Wo kommt ihr denn her?«
»Von Castroville unten herauf.«
»Was habt ihr dort getrieben?«
»Einen Kleiderladen, Compagniegeschäft zu dreien.«
»So so! Ist wohl schlecht gegangen?«
»Yes. Haben ein wenig Bankerott gemacht; hatten zu viel ausgeborgt, Kredit gegeben, aber keinen bekommen.«
»Richtig, richtig! Haben es euch gleich angesehen, daß ihr pleite gehen müßt. Also Kleiderhändler, vielleicht gar Schneider. Drei Schneider, die aus Ungeschick in die Pleite gefallen sind und nun den außerordentlich klugen Gedanken gefaßt haben, sich als Trapper wieder aufzuhelfen! Hört ihr es?«
Diese Frage war an seine Genossen gerichtet, welche dem Gespräche mit ironischem Behagen zuhörten. Sie ließen ein drittes, schallendes Gelächter hören. Sam Hawkens aber rief scheinbar zornig.-
»Ungeschick? Da irrt Ihr Euch gewaltig, Sir. Wir wußten wohl, woran wir waren. Aus der Pleite mußte natürlich für uns etwas abfallen, sonst hätten wir sie nicht gemacht.«
Er zog seinen bockledernen Jagdrock vorn auf, klopfte auf seinen breiten Gürtel, daß es metallisch klang, und fügte stolz hinzu:
»Hier sitzen die Moneten, Sir!«
Das Gesicht Buttlers nahm den Ausdruck eines Raubvogels an, der nach Beute ausspäht, und in möglichst unbefangenem Tone fragte er:
»Ihr habt Moneten? Dann seid ihr freilich klüger gewesen, als ihr ausseht. Wieviel hat euch denn der Bankerott eingebracht?«
»Ueber zweitausend Dollar.«
»Die tragt ihr bei euch?«
»Yes.«
»Die ganze Summe?«
»Yes,«
»Auf der Reise, in dieser unsichern Gegend!«
»Pshaw! Wir haben Waffen.«
»Die würden euch verteufelt wenig nützen. Wenn zum Beispiel die Finders kämen, die würden euch drei Schneider ausbeuteln, ehe ihr nur Zeit fändet, die Augen aufzumachen. Warum habt ihr das viele Geld nicht lieber einer Bank anvertraut?«
»Werden es noch thun.«
»Wo?«
»Droben in Prescott.«
»Da hinauf wollt ihr?«
»Yes.«
»Als Fallensteller?«
»Yes.«
»Habt ihr denn Fallen?«
»Nein.«
»Woher wollt ihr sie nehmen?«
»In Prescott kaufen.«
»Himmel! Seid ihr Menschen! Was gedenkt ihr denn da oben zu fangen?«
»Biber und – und – und —«
Er stockte verlegen.
»Und – und – was denn weiter?« drang Buttler in den Kleinen.
»Grizzlybären.«
Da ertönte von den andern Tischen ein wahrhaft homerisches Gelächter herüber. Buttler lachte auch, daß ihm die Thränen in die Augen traten und der Atem versagte, und rief, als er sich einigermaßen beruhigt hatte:
»Grizzlybären wollt ihr