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Der Schut. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Der Schut - Karl May


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seiner Patschen zu hinterlassen.

      Meine vorhin ausgesprochene Vermutung bestätigte sich: der Bursche war von bedeutender Größe. Seine Sohlen waren stark gepolstert, woraus man leicht schließen konnte, daß er eine ansehnliche Masse von Fett mit sich herumtrage. Von hier war er nach einer sandigen Stelle getrollt, auf welcher er sich gewälzt hatte. Von da an gab es keine deutliche Spur mehr. Nur aus leisen Anzeichen ließ sich vermuten, daß er in den Wald zurückgekehrt sei.

      »Wie schade!« klagte Halef. »Dieser Sohn einer Bärenmutter ist nicht einmal so höflich gewesen, auf uns zu warten.«

      »Vielleicht ist es die Tochter einer Bärenmutter und selbst Mutter und Großmutter von vielen Enkeln. Hier, wo sie sich wälzte, hat sie auch den Sand aufgekratzt. Die Krallen sind sehr stumpf und abgestoßen. Sie ist eine sehr alte Tante. Sei froh, ihr nicht unerwartet begegnet zu sein.«

      »Und doch wollte ich, sie käme jetzt herbei, um uns die Verbeugung des Grußes zu machen. Kann ein Bär gegessen werden?«

      »Ja, aber nicht so, wie man einen Apfel mit Fleisch und Schale verspeist. Schinken und Tatzen sind, wenn gut zubereitet, wahre Leckerbissen. Auch die Zunge ist vorzüglich. Vor der Leber muß man sich hüten. Es gibt Völker, welche sie für giftig halten.«

      »Schinken und Tatzen!« rief der Kleine aus. »Sihdi, können wir ihn nicht aufsuchen, um uns diese Leckerbissen von ihm geben zu lassen?«

      »Halef, Halef! Denke an andere Leckerbissen, welche dir nicht sehr gut — — «

      »Schweig!« fiel er mir schnell in die Rede. »Meinst du, daß der Prophet verboten hat, den Schinken und die Tatzen des Bären zu verspeisen?«

      »Er hat es nicht verboten. Die Sprache des Propheten hat zwar ein Wort für Bär, nämlich »Dibb«, aber mit diesem Wort wird zuweilen auch die Hyäne bezeichnet, und ich glaube nicht, daß Mohammed jemals einen wirklichen Bären gesehen hat.«

      »Hätte er es verboten, so würde ich um keinen Preis ein Gelüste nach Bärenschinken hegen; da dem aber nicht so ist, so sehe ich nicht ein, warum wir uns diesen Hochgenuß versagen wollen. Wir gehen in den Wald und schießen das Tier nieder.«

      »Meinst du, daß es da nur so auf uns wartet?«

      »Es muß doch ein bestimmtes Lager haben!«

      »Das ist nicht nötig. Aber wäre dies auch der Fall, so würden wir das Lager nicht finden. Wir haben keine Fährte, und es beginnt bereits zu dunkeln. Wir müssen also auf die Jagd verzichten.«

      »Effendi, mach' es doch möglich!« bat er. »Bedenke, daß dein treuer Halef seiner Hanneh, der Perle der Frauen, erzählen will, daß er einen Bären erlegt habe. Sie würde entzückt und stolz auf mich sein.«

      »Sollte dein Wunsch erfüllt werden, so müßten wir einen oder gar zwei Tage hier verweilen, und dazu haben wir keine Zeit. In einer Viertelstunde wird es Nacht. Wir wollen uns sputen, das Haus Junaks zu erreichen!«

      »Zum Scheïtan mit diesem Hause! Lieber würde ich heute in der Höhle des Bären schlafen und mich dabei in das Fell wickeln, welches ich ihm abgezogen hätte. Aber ich muß gehorchen. Allah gewährt, und Allah versagt. Ich will nicht gegen ihn murren.«

      Also stiegen wir auf und ritten weiter.

      Nach einiger Zeit traten die steilen, mit dunklem Nadelwald bewachsenen Höhen noch weiter zurück, so daß sie eine fast kreisflächenähnliche Lichtung einschlossen, auf welcher wir ein Haus sahen, an das sich zwei Schuppen oder stallähnliche Gebäude lehnten. Nur rechts drüben schob die Höhe einen schmalen zungenförmigen Ausläufer herein, welcher aus felsigem Boden bestand und mit Büschen, Laub — und Nadelbäumen besetzt war.

      Dort, an der Spitze dieser Zunge, sahen wir eine Person stehen, deren Kleidung nicht entscheiden ließ, ob sie männlichen oder weiblichen Geschlechtes sei.

      »Das ist Guszka, Herr,« sagte der Konakdschi. »Soll ich sie rufen?«

      »Wer ist Guszka?«

      »Das Weib Junaks, des Ruß — und Kohlenhändlers.«

      »Du brauchst sie nicht zu rufen, denn ich sehe, daß sie uns jetzt bemerkt.«

      War dies der Vorname oder nur ein Schmeichelname, welcher auf die Seeleneigentümlichkeiten seiner Trägerin schließen ließ? Guszka ist nämlich auch serbisch und bedeutet »Gans«. Aber nach dem, was mir unser letzter Wirt, der Schäfer, über sie mitgeteilt hatte, stand nicht zu erwarten, daß sie die bekannte Eigenschaft des gleichnamigen Schwimmvogels besäße. Ich war neugierig, wie sie uns aufnehmen würde.

      Schon jetzt verstellte sie sich. Sie tat, als hätte sie uns noch nicht gesehen, und schritt langsam und gesenkten Kopfes dem Hause zu. Der Ausdruck »Haus« war eigentlich hier eine großartige Schmeichelei. Die Mauern bestanden aus Steinen, die ohne bindenden Mörtel übereinander gelegt und deren Zwischenräume mit Erde und Moos verstopft waren. Die Bedeckung war ein primitives Knüppeldach, mit Wassermoos und getrocknetem Farnkraut bekleidet. Die Türe war so eng und niedrig, als sei sie nur für Kinder gemacht gewesen, und die Fensteröffnungen hatten grad die nötige Größe, um die Nase hinausstecken zu können.

      Noch trauriger sahen die beiden anderen Bauwerke aus. Hätten sie sich nicht gar so innig an das Haus gelehnt, so wären sie augenblicklich umgefallen.

      Die Frau verschwand in einem dieser Schuppen, ohne uns einen Blick zugeworfen zu haben. Wir stiegen vor dem Hause ab. Die Türe war verriegelt. Der Konakdschi schlug mit dem Gewehrkolben dagegen.

      Erst nach längerer Zeit wurde geöffnet, und die Frau trat in die Spalte.

      Es gibt ein Märchen von einer alten Zauberin, welche — tief im Wald lebend — einen Jeden, der sich zu ihr verirrt, in den Backofen steckt, um ihn zu braten und dann zu verspeisen. An diese Hexe mußte ich unwillkürlich denken, als ich jetzt die Frau erblickte. Sollte ihr Name Guszka, Gans, für ihre Individualität bezeichnend sein, so war sie doch nur mit einer jener steinalten Gänse zu vergleichen, welche auf jeden Fremden wie bissige Kettenhunde losfahren und nur darum nicht mit Borsdorfer Aepfeln und Beifußzweigen in Berührung kommen, weil ihr Fleisch zu hart geworden ist.

      Sie war erschrecklich lang und ebenso erschrecklich dürr. Um uns durch die Tür betrachten zu können, mußte ihr Ober — zu dem Unterkörper fast einen rechten Winkel bilden. Ihr Gesicht war auch sehr in die Länge gezogen; es war überhaupt alles an ihr lang. Die scharfe, sichelförmig gebogene Nase, das spitze, von unten nach oben strebende Kinn, der breite, lippen — und zahnlose Mund, die großen, lappenartigen Ohren, die eng beisammenstehenden kleinen, wimperlosen und rot geränderten Augen, die tiefen Falten, in denen der Schmutz zu greifen war: das alles wirkte so abstoßend wie möglich. Den Kopf trug sie unbedeckt. Das dünne Haar, dessen Boden fischschuppenartig durchschimmerte, war nicht geflochten. Es hing in wirren, verfilzten Strähnen herab. Denkt man sich dazu ein unsäglich schmutziges Hemd und eine ebenso saubere, unten am Knöchel zusammengebundene Frauenhose und zwei nackte, skelettartige Füße, welche noch nie mit einem Tropfen Wasser in Berührung gekommen zu sein schienen, so wird man glauben, daß diese unvergleichliche Guszka ganz das Aussehen einer aus dem klassischen Altertum übrig gebliebenen Gorgo oder Furie hatten.

      Und als sie jetzt zu reden begann, zuckte ich beinahe zusammen. Das klang ganz genau wie die heisere Stimme einer Krähe, die sich über irgend etwas erbost.

      »Was wollt ihr? Wer seid ihr? Warum haltet ihr an?« krähte sie. »Reitet weiter!«

      Sie tat, als ob sie die Türe verriegeln wollte; unser Führer aber schob sich dazwischen und sagte:

      »Weiter reiten? Nein, das tun wir nicht. Wir bleiben hier.«

      »Das geht nicht! Das kann nicht gehen! Ihr habt hier nichts zu suchen. Ich nehme keine Fremden bei mir auf!«

      »Ich bin dir doch nicht fremd. Du wirst mich ganz gewiß kennen!«

      »Aber die Andern nicht.«

      »Es sind meine Freunde.«

      »Die meinigen nicht.«

      Sie schob ihn hinaus und er


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