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Die Juweleninsel. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Die Juweleninsel - Karl May


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gut. jetzt aussteigen!« antwortete der Transporteur.

      »Na, na; nur sachte. Ich steige aus, wenn es mir beliebt!« klang es noch zurück.

      »Meinetwegen. Aber nur schnell!«

      Der Wachtmeister schob ihn aus dem Wagen. Der Gefangene blickte sich schnell um, sah das ihn umwogende Gedränge und glaubte, Rettung in demselben zu finden. Mit einem schnellen Sprunge war er mitten zwischen die ausgestiegenen Passagiere hinein und versuchte, sich durch sie hindurchzudrängen.

      »Haltet ihn auf!« rief der Wachtmeister.

      Dieser Ruf war eigentlich überflüssig. Man hatte in dem Manne sofort einen flüchtigen Gefangenen erkannt und ihn umringt und festgehalten.

      »Hier ist er. Nehmen Sie ihn.«

      »Danke, meine Herren! Das war ein geradezu unbegreiflich alberner Versuch mir zu entkommen.«

      Ein auf dem Bahnhofe stationirter Gensdarm trat herbei.

      »Soll ich Ihnen bei dem Transporte helfen, Herr Amtswachtmeister?« frug er.

      »Danke bestens! Er ist mir sicher genug, werde ihn nun aber noch fester nehmen.«

      Er zog eine Leine aus der Tasche, band sie dem Gefangenen um den Arm und führte ihn in dieser Weise neben sich fort. Sein Weg ging nach dem äußersten und höchsten Theile der Stadt, wo hinter ungewöhnlich hohen Mauern die Thürme und Gebäude eines schloßähnlichen Baues hervorragten. Das war Schloß Hochberg, welches seit langer Zeit viele Hunderte derjenigen Unglücklichen in seinen Mauern barg, welche sich gegen die Gesetze vergangen hatten und nun gezwungen waren, dies durch die Entziehung ihrer Freiheit zu büßen. Hochberg war das Zuchthaus für Norland.

      Die Straße endete vor einem breiten, finsteren, massiv mit Eisen beschlagenem Thore, an welchem ein mächtiger Klopfer befestigt war. Der Transporteur ergriff denselben und ließ ihn erschallen. Wie mußte dieser Klang jeden nicht gefühllosen Menschen berühren, der hier gezwungen war, mit dem bisher zurückgelegten Theile seines Lebens abzuschließen!

      Ein kleiner Schieber öffnete sich, an welchem ein bärtiges Gesicht erschien.

      »Wer da!«

      »Transporteur mit Zuwachs.«

      »Herein.«

      Das Thor öffnete sich. Die beiden Ankönimlinge traten in eine finstere tunnelförmige Mauerflur. Der militärische Posten, welcher geöffnet hatte, schloß wieder und öffnete dann eine andere Thür, welche in einen kleinen Hof führte.

      »Gerade aus!«

      Der Transporteur nickte. Er war nicht zum ersten Male hier und mit den Räumlichkeiten dieses Hauses bereits vertraut, wenigstens so weit es ihm gestattet war sie zu betreten. Er führte seinen Gefangenen über den Hof hinüber in ein kleines Stübchen, dessen einziges Fenster mit starken eisernen Kreuzstäben versehen war. Hier saß der Aufseher von der Thorwache, welcher das Höfchen überblicken und den kleinsten Verkehr ganz genau kontroliren konnte. Er hatte jede einoder ausgehende Person in das Passirbuch zu verzeichnen.

      »»Guten Morgen, Herr Aufseher!«

      »Guten Morgen, Herr Amtswachtmeister. Wieder Einen?«

      »Wie Sie sehen.«

      »Bitte, tragen Sie sich hier ein!«

      Der Transporteur vermerkte seinen Namen in das Buch und frug dann:

      »Der Herr Regierungsrath selbst da?«

      »Ja. Werde klingeln.«

      Er bewegte einen Glockenzug. Eine Klingel ertönte in der Ferne, worauf ein zweiter Aufseher erschien.

      »Zuwachs!« meldete der Thorhabende.

      »Kommen Sie!« forderte der Andere den Wachtmeister auf. Er führte ihn aus dem Zimmer durch einen langen Gang in [sic!] einer Thür, hinter welcher er verschwand um ihn anzumelden. Nach einigen Augenblicken kam er wieder zum Vorschein.

      »Herein!«

      Der Transporteur trat ein, zog die Thür hinter sich zu und stand an derselben in strammer militärischer Haltung ohne zu grüßen. Er wußte, daß er erst auf die Anrede des Direktors zu sprechen hatte. Dieser, welcher, wie bereits bemerkt, den Charakter eines Regierungsrathes hatte, war ein hoch und stark gebauter Mann. Er trug die Uniform höherer Anstaltsbeamten mit Brillons [sic!] und einen langen Stoßdegen. Der dichte Schnurrbart stand ihm à la maggiar zu beiden Seiten weit ab, und sein ganzes Aeußere zeigte, daß mit ihm nicht wohl zu scherzen sei. Er blickte den Eingetretenen gar nicht an, bis er nach einiger Zeit die Feder weglegte und, noch immer mit den vor ihm liegenden Papieren beschäftigt, in kurzem Tone frug.

      »Wer?«

      »Amtswachtmeister Haller aus Fallum, Herr Regierungsrath.«

      »Was bringen Sie?«

      »Männlichen Zuwachs, einen.«

      »Namen?«

      »Heinrich Hartig aus Fallum.«

      »Stand?«

      »Fischer oder Schiffer.«

      »»Einlieferungsakten!«

      Der Transporteur überreichte ihm das Aktenheft, welches er bereits parat gehalten hatte.

      »Schön, haben Sie persönliche Bemerkungen?«

      »Zu Befehl, Herr Regierungsrath.«

      »Welche? Aber kurz!«

      »Hartig war angeklagt, seine Frau und seinen Stiefsohn lebensgefährlich und kontinuirlich maltraitirt zu haben. Er kam unter meine Bewachung, machte einen Fluchtversuch und versetzte mir dabei drei Messerstiche hier in Hand und Arm. Er ist ein Trinker, ein bösartiger, gefühlloser und auch frecher Gesell, der sich sogar noch während des heutigen Transportes renitent erwiesen hat. Er meinte unter anderem, daß auch bereits schon Amtswachtmeister auf dem Zuchthause gewesen seien, und versuchte noch auf dem Bahnhofe zu entspringen, wurde aber vom Publikum sofort ergriffen.«

      »Fertig!«

      »Zu Befehl!«

      »Werden ihn zu fassen wissen. Erhält dritte Disziplinarklasse und zwanzig Tage Kostentziehung gleich als Anfang und Willkommen. Hier, Ihre Empfangsbescheinigung, Herr Wachtmeister. Adieu.«

      Während der Direktor nun Einblick in die Einlieferungsakten des neuen Züchtlings nahm, kehrte der Transporteur in das Stübchen des Thorhabenden zurück, um die dort abgelegte Kopfbedeckung zu holen.

      »Leben Sie wohl, Hartig,« meinte er, sich zum Gehen anschickend. »Haben Sie vielleicht etwas an Ihre Frau und Ihre Kinder auszurichten? Es ist zum letzten Male, daß dies auf solche Weise geschehen kann.«

      »Packen Sie sich fort!« lautete die dankbare Antwort.

      »Gut! Adieu, Herr Aufseher!«

      »Adieu, Herr Wachtmeister!«

      Er ging. Der Gefangene war von diesem Augenblicke an von der Außenwelt abgeschlossen, war keine Person, sondern nur ein Gegenstand, auf den sich die physiologischen Bestrebungen seiner Vorgesetzten richteten, und besaß keine Selbstbestimmung, keinen freien Willen mehr. Nach einiger Zeit öffnete sich die Thür wieder, und abermals trat ein Aufseher ein.

      »Komm!« meinte dieser, nachdem er ihn mit einem kurzen Blicke überflogen hatte.

      »Oho! Hier geht es wohl per Du?«

      Der Thorhabende, welcher bisher schweigsam dagesessen hatte, wandte sich jetzt zu seinem Kollegen.

      Ein ganz und gar frecher und unverschämter Bengel. Muß scharf gehalten werden.«

      »Wird es schon spüren. Vorwärts!«

      Er faßte ihn und schob ihn zur Thür hinaus. Es ging denselben Korridor hinunter, welchen vorhin der Transporteur durchschritten hatte, dann rechts ab bis an eine vollständig eiserne Thür. Als zwei große Vorlegeschlösser von derselben entfernt und drei starke Riegel zurückgeschoben waren, zeigte sich hinter dieser Thür ein schmaler kurzer Gang, welcher keine Fenster besaß und deshalb von einer Lampe beleuchtet wurde. Zu beiden Seiten desselben befanden sich je acht ähnlich verschlossene eiserne Thüren,


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