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Durch das Land der Skipetaren. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Durch das Land der Skipetaren - Karl May


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was du uns hier erzählst, erfüllt mich mit Staunen. Wir haben euch sehr viel zu verdanken, denn ihr habt den größten Verbrecher entlarvt, den es jemals hier gegeben hat. Sollten sie wirklich entflohen sein, er und seine Kumpane, so muß derjenige, der ihnen dazu verholfen hat, auf das allerstrengste bestraft werden. Ich habe dich heute gesehen und gehört; ich glaube, daß du nichts sagst, was du dir nicht vorher überlegt hast. Du mußt also wirkliche Gründe haben, den Kodscha Bascha anzuklagen. Da ich nun der Anwalt bin, also der Oberste nach ihm, so bin ich verpflichtet, an seine Stelle zu treten, wenn er sich seines Amtes unwürdig gemacht hat. Du wirst dich also nun an mich zu wenden haben.«

      Der Mann schien brav zu denken, wenn ich ihm auch keine große Entschiedenheit zutraute. Ohne mich lange zu besinnen, antwortete ich ihm:

      »Es freut mich, in dir einen Mann zu sehen, dem das Wohl der Bürger am Herzen liegt, und ich hoffe, daß du furchtlos und unparteiisch handeln wirst.«

      »Das werde ich tun, doch wirst du mir die Wahrheit deiner Anschuldigung beweisen müssen.«

      »Natürlich!«

      »Du wirst mir also sagen, woher du weißt, daß der Kodscha Bascha mit den Flüchtlingen hier oben gewesen ist und von dem Mübarek Geld bekommen hat.«

      »Nein, das werde ich nicht sagen.«

      »Warum nicht?«

      »Ich will die Person, welche alles gehört und gesehen hat, nicht in Schaden bringen.«

      »Sie wird keinen Schaden haben.«

      »Erlaube, daß ich daran zweifle. Du bist ein sehr braver Mann, aber nicht alle Beamten sind so, wie du. Ich kenne euch zur Genüge. Wenn ich fort sein werde, so wird dieser gute Kodscha Bascha wieder schalten und walten nach Belieben. Jener Person, von welcher ich alles erfahren habe, würde es schlecht ergehen. Es ist also besser, ich nenne ihren Namen nicht.«

      »Aber dann kannst du deine Rede nicht beweisen!«

      »O doch! Das Geld, welches der Kodscha Bascha erhalten hat, wird sich in seiner Tasche oder in seinem Hause finden, und daß er hier oben war und sich mir entriß, das ist auch sehr leicht zu beweisen; denn er hat ein Stück seines Kaftans in meiner Hand gelassen.«

      »Das ist nicht wahr!« rief der Beschuldigte. »Schau her! Fehlt etwa ein Stück?«

      Er deutete mit beiden Händen nach der Stelle, an welcher ich ihn gefaßt gehabt hatte. Der Kaftan war unversehrt.

      »Siehst du, daß du dich irrst!« meinte der Gerichts-Anwalt. »Du scherzest,« erwiederte ich lachend.

      »Wieso?« fragte er erstaunt.

      »Wenn ich die Klugheit deines Gesichtes mustere, so bin ich überzeugt, daß du gesehen hast, wie der Kodscha Bascha sich jetzt verraten hat.«

      »Verraten?«

      »Ja. Er will der oberste der Ehemänner sein und macht doch die Dummheiten eines Anfängers im Verbrechen. Hast du gesehen, wohin er zeigte, als er uns jetzt seinen Kaftan wies?«

      »Ja freilich!«

      »Nun, wohin denn?«

      »Nach der oberen Brust, da links.«

      »Habe ich euch aber erzählt, aus welcher Stelle ich das Stück gerissen habe?«

      »Nein, Effendi.«

      »Nun, ganz genau aus derselben Stelle, auf welche er gedeutet hat. Woher weiß er das?«

      Der Vertreter des Gesetzes blickte mich sehr verblüfft an und fragte:

      »Effendi, bist du vielleicht ein Oberster der Polizei?«

      »Warum fragst du so?«

      »Weil nur ein solch hoher Beamter so scharfsinnige Gedanken haben kann.«

      »Da irrst du dich. Ich wohne nicht im Land des Padischah, sondern im Nemtsche memleketi, dessen Bürger so streng nach den Gesetzen handeln, daß jedes Kind sofort die Unvorsichtigkeit des Kodscha Bascha bemerkt und begriffen hätte.«

      »So hat Allah eure Gegend mit mehr Verstand betraut, als die unserige.«

      »Aber du siehst wohl ein, daß ich recht habe?«

      »Ja, da er nach dieser Stelle deutete, muß er wissen, daß der Kaftan dort verletzt worden ist. Was sagst du dazu, Kodscha Bascha?«

      »Ich sage nichts,« antwortete der Gefragte. »Ich bin zu stolz, mit einem Mann, wie dieser Nemtsche ist, noch länger zu verkehren.«

      »Aber deine Haltung ist keineswegs eine stolze. Was suchst du mit den Händen hinter dir?« fragte ich ihn lachend.

      »Schweig‘!« schrie er mich zornig an. »Es wird ein großes Wehe über dich ergehen, und du wirst noch nach langen Jahren an die Folgen deiner Verleumdung denken müssen. Siehst du denn nicht, daß mein Kaftan gar nicht zerrissen ist?«

      »Ganz gewiß. Ich sehe aber auch, daß es ein anderer Kaftan ist. Derjenige, welchen du heute anhattest und also auch vorhin getragen haben wirst, war älter als dieser.«

      »Ich habe nur den einzigen.«

      »Wollen sehen!«

      »Ja, der Kodscha Bascha hat nur diesen einen Kaftan,« bestätigte der Knecht.

      »Du hast nur zu sprechen, wenn du gefragt wirst,« belehrte ich ihn. Und mich an den Anwalt wendend, fuhr ich fort:

      »Weißt du vielleicht, wie viele Kaftans der Kodscha Bascha hatte?«

      »Nein, Effendi. Wer bekümmert sich um das Gewand eines andern?«

      »Aber du weißt wohl, wohin er die Pferde der drei Verbrecher geschafft hat? Ich überließ sie ihm.«

      »In seinen Stall.«

      »Hat er selbst auch Pferde?«

      »Ja.«

      »Wie viele?«

      »Vier. Er hält sie gewöhnlich in seiner Umzäunung, damit sie sich im Freien befinden.«

      »Welche Farbe haben sie?«

      »Sie sind schwarz, denn er hat eine Vorliebe für Rappen. Nicht wahr, Bascha?«

      »Was gehen diese Menschen meine Pferde an!« antwortete der Gefragte.

      »Sehr viel, das weißt du wohl auch,« erwiderte ich. »Du hast die Entflohenen mit Pferden unterstützt, und da sie Grund haben, die Farben ihrer bisherigen Rosse zu wechseln, so wirst du ihnen andere gegeben haben. Es wird sehr gut für dich sein, wenn wir dich im Besitz sämtlicher Tiere finden. Hier gibt es nichts zu retten. Die Hütte ist niedergebrannt, und in kurzer Zeit wird es dunkel sein. Der alte Mübarek ist so klug gewesen, sie vor seiner Entfernung anzuzünden, sonst hätten wir wohl viele Beweise schlimmer Taten darin gefunden. Er hat sogar Pulver vorrätig gehabt, sie in Brand zu setzen oder gar leicht in die Luft zu sprengen. Es war von dem Kodscha Bascha eine Verrücktheit, zu sagen, daß wir sie angezündet hätten. Grad uns lag alles daran, sie unversehrt zu finden. Gehen wir also jetzt zu der Wohnung des Gerichtes, um euch zu überzeugen, daß die Gefangenen wirklich fort sind.«

      Als wir uns zum Gehen anschickten, sah ich den Hadschi eiligst davonspringen, und gleich darauf erscholl von dem Weg her seine drohende Stimme:

      »Halt, du bleibst, sonst steche ich dir das Messer zwischen die Rippen!«

      »Laß mich!« rief eine andere Stimme. »Was habe ich mit dir zu schaffen?«

      »Gar nichts, aber ich desto mehr mit dir. Du bist gefangen.«

      »Oho!«

      »Ja, und wenn du dich nicht fügest, so habe ich hier eine Peitsche, welche der Knecht sehr leicht kennen lernen kann, nachdem bereits sein Herr ihre Liebkosungen erfahren hat.«

      Aha! Der Knecht hatte sich beeilen wollen, vor uns nach der Wohnung des Kodscha Bascha zu kommen, wohl um die Familie zu warnen und vorzubereiten. Er wurde, wie sein Herr, in die Mitte genommen.

      Und zum zweitenmal bewegte sich ein so sonderbarer Zug den Berg hinab. Einige Männer trugen Feuerbrände, um den Weg zu beleuchten. Alle Bewohner des Ortes waren alarmiert, und als wir den Hof erreichten,


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