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Durchs wilde Kurdistan. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Durchs wilde Kurdistan - Karl May


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arl May

      DURCHS WILDE KURDISTAN

      Erstes Kapitel: Der Opfertod des Heiligen

      Wir kehrten von dem Besuche des Häuptlings der Badinankurden zurück. Als wir auf der letzten Höhe ankamen und das Tal der Teufelsanbeter überblicken konnten, bemerkten wir ganz in der Nähe des Hauses, welches dem Bey gehörte, einen ungeheuren Haufen von Reisholz, der von einer Anzahl von Dschesidi immer noch vergrößert wurde. Pir Kamek stand dabei und warf von Zeit zu Zeit ein Stück Erdharz hinein.

      »Das ist sein Opferhaufen,« meinte Ali Bey.

      »Was wird er opfern?«

      »Ich weiß es nicht.«

      »Vielleicht ein Tier?«

      »Nur bei den Heiden werden Tiere verbrannt.«

      »Dann vielleicht Früchte?«

      »Die Dschesidi verbrennen weder Tiere noch Früchte. Der Pir hat mir nicht gesagt, was er verbrennen wird, aber er ist ein großer Heiliger, und was er tut, wird keine Sünde sein.«

      Noch immer ertönten von der gegenüberliegenden Höhe die Salven der ankommenden Pilger, und noch immer wurde denselben im Tale geantwortet; und doch bemerkte ich, als wir unten ankamen, daß dieses Tal kaum noch mehr Menschen zu fassen vermöge. Wir übergaben unsere Tiere und gingen nach dem Grabmale. An dem Wege, welcher zu demselben führte, lag ein Springbrunnen, der von Platten eingefaßt war. Auf einer derselben saß Mir Scheik Khan und sprach mit einer Anzahl von Pilgern, die in ehrerbietiger Haltung und Entfernung vor ihm standen.

      »Dieser Brunnen ist heilig, und nur der Mir, ich und die Priester dürfen auf diesen Steinen sitzen. Zürne also nicht, wenn du stehen mußt!« sagte Ali zu mir.

      »Eure Gebräuche werde ich achten.«

      Als wir uns nahten, gab der Khan den Umstehenden ein Zeichen, worauf sie Platz machten, so daß wir zu ihm kommen konnten. Er erhob sich, kam uns einige Schritte entgegen und reichte uns die Hände.

      »Willkommen bei eurer Rückkehr! Nehmt Platz zu meiner Rechten und Linken!«

      Er deutete dem Bey zur Linken, sodaß mir die rechte Seite übrig blieb. Ich setzte mich auf die geheiligten Steine, ohne daß ich bei einem der Anwesenden den geringsten Verdruß darüber bemerkt hätte. Wie sehr stach ein solches Verhalten gegen dasjenige ab, welches man bei den Mohammedanern zu beobachten hat.

      »Hast du mit dem Häuptling gesprochen?« fragte der Khan.

      »Ja. Es ist alles in der besten Ordnung. Hast du den Pilgern bereits eine Mitteilung gemacht?«

      »Nein.«

      »So wird es Zeit sein, daß die Leute sich versammeln. Gib den Befehl dazu!«

      »Ich bin der Regent des Glaubens, und alles andere ist deine Sache. Ich werde dir den Ruhm, die Gläubigen beschützt und die Feinde besiegt zu haben, niemals verkürzen.«

      Auch dies war eine Bescheidenheit, welche bei den mohammedanischen Imams niemals zu finden ist. Ali Bey erhob sich und schritt von dannen. Während ich mich mit dem Khan unterhielt, bemerkte ich eine Bewegung unter den Pilgern, welche mit jeder Minute größer wurde. Die Frauen blieben an ihren Plätzen stehen, die Kinder ebenso; die Männer aber stellten sich am Bache entlang auf, und die Anführer der einzelnen Stämme, Zweige und Ortschaften bildeten einen Kreis um Ali Bey, der ihnen die Absichten des Mutessarif von Mossul bekannt machte. Dabei herrschte eine Ruhe, eine Ordnung, wie bei der Parade einer europäischen Truppe, ganz verschieden von dem lärmenden Durcheinander, welches man sonst bei orientalischen Kriegern zu sehen und zu hören gewohnt ist. Nach einiger Zeit, in welcher die Anführer den Ihrigen die Mitteilung und die Befehle des Bey überbracht hatten, ging die Versammlung ohne Unordnung wieder auseinander, und ein jeder begab sich an den Platz, den er vorher inne gehabt hatte.

      Ali Bey kam zu uns zurück.

      »Was hast du befohlen?« fragte der Khan.

      Der Gefragte streckte den Arm aus und deutete auf einen Trupp von vielleicht zwanzig Männern, die den Pfad emporstiegen, auf dem wir vorhin herabgekommen waren.

      »Siehe, das sind Krieger aus Aïram, Hadschi Dsho und Schura Khan, welche diese Gegend sehr gut kennen. Sie gehen den Türken entgegen und werden uns von deren Kommen rechtzeitig benachrichtigen. Auch gegen Baadri hin habe ich Wachen stehen, so daß es ganz unmöglich ist, uns zu überraschen. Bis es Nacht wird, ist noch drei Stunden Zeit, und das genügt, um alles Ueberflüssige nach dem Tale Idiz zu bringen. Die Männer werden aufbrechen, und Selek wird ihnen den Weg zeigen.«

      »Werden sie bei dem Beginne der heiligen Handlungen zurückgekehrt sein?«

      »Ja; das ist sicher.«

      »So mögen sie gehen!«

      Nach einiger Zeit schritt ein sehr, sehr langer Zug von Männern, welche Tiere mit sich führten oder verschiedene Habseligkeiten trugen, an uns vorüber, wo sie, immer einer nach dem andern, hinter dem Grabmale verschwanden. Dann kamen sie über demselben auf einem Felsenpfade wieder zum Vorschein, und man konnte von unserem Sitz aus ihren Weg verfolgen, bis derselbe oben in den hohen dichten Wald verlief.

      Jetzt mußte ich mit Ali Bey gehen, um das Mahl einzunehmen. Nach demselben trat der Baschi-Bozuk zu mir.

      »Herr, ich muß dir etwas sagen!«

      »Was?«

      »Uns droht eine große Gefahr!«

      »Ah! Welche?«

      »Ich weiß es nicht; aber diese Teufelsmänner haben mich seit einer halben Stunde mit Augen angesehen, welche ganz fürchterlich sind. Es sieht grad so aus, als ob sie mich töten wollten!«

      Da der Buluk Emini seine Uniform trug, so konnte ich mir das Verhalten der von den Türken bedrohten Dschesidi sehr leicht erklären; doch war ich vollständig überzeugt, daß ihm nichts geschehen werde.

      »Das ist schlimm!« meinte ich. »Wenn sie dich töten, wer wird dann den Schwanz deines Esels bedienen?«

      »Herr, sie werden den Esel auch mit erstechen! Hast du nicht gesehen, daß sie die meisten Büffel und Schafe, die vorhanden sind, bereits getötet haben?«

      »Dein Esel ist sicher, und du bist es auch. Ihr gehört zusammen, und man wird euch nicht auseinanderreißen.«

      »Versprichst du mir dies?«

      »Ich verspreche es dir!«

      »Aber ich hatte Angst, als du vorhin abwesend warst. Gehst du wieder fort von hier?«

      »Ich werde bleiben; aber ich befehle dir, stets hier im Hause zu sein und dich nicht unter die Dschesidi zu mischen, sonst ist es mir unmöglich, dich zu beschützen!«

      Er ging, halb und halb getröstet, von dannen, der Held, den der Mutessarif mir zu meinem Schutze mit gegeben hatte. Aber es kam auch noch von einer andern Seite eine Warnung: Halef suchte mich auf.

      »Sihdi, weißt du, daß es Krieg geben wird?«

      »Krieg? Zwischen wem?«

      »Zwischen den Osmanly und den Teufelsleuten.«

      »Wer sagte es?«

      »Niemand.«

      »Niemand? Du hast doch wohl gehört, was wir heute früh in Baadri bereits davon gesprochen haben?«

      »Nichts habe ich gehört, denn ihr spracht türkisch, und diese Leute sprechen die Sprache so aus, daß ich sie nicht verstehen kann. Aber ich sah, daß es eine große Versammlung gab und daß nach derselben alle Männer die Waffen untersuchten. Nachher haben sie ihre Tiere und Güter fort geschafft, und als ich zu Scheik Mohammed Emin hinauf auf die Plattform kam, war er beschäftigt, die alte Ladung aus seinen Pistolen zu nehmen, um sie gegen eine neue zu vertauschen. Sind dies nicht genug Zeichen, daß man eine Gefahr erwartet?«

      »Du hast recht, Halef. Morgen früh beim Anbruch des Tages werden die Türken von Baadri und auch von Kaloni her über die Dschesidi herfallen.«

      »Und das wissen die Dschesidi?«

      »Ja.«

      »Wie hoch zählen die Türken?«

      »Fünfzehnhundert Mann.«

      »Es werden viele von ihnen fallen, da ihr Plan verraten


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