Im Lande des Mahdi II. Karl MayЧитать онлайн книгу.
dich nicht! Ich habe dir gesagt, daß auch ich Adlerohren gegessen habe, und dich gewarnt. Es handelt sich allerdings um eine That, aber nicht um eine solche, welche du schon begangen hast, sondern um eine, welche der Fakir el Fukara erst noch vorzunehmen hat.«
»Effendi, da täuschest du dich. Ich verstehe dich nicht!«
»Verstelle dich nicht! Ich habe dir vorhin sehr offen gesagt, daß ihr zu dumm seid, mich zu betrügen. Ihr habt einen Anschlag gegen mich gesponnen.«
»Das ist nicht wahr. Welcher Anschlag könnte das sein?«
»Der Fakir el Fukara soll euch befreien helfen, indem er deinen Sohn Ibn Asl holt.«
»Kein Mensch, kein einziger hat daran gedacht, Effendi! Der Fakir weiß ja gar nicht, wo sich mein Sohn befindet.«
»Du hast es ihm mitgeteilt.«
»Nein. Wir haben gar nicht von ihm gesprochen.«
»Auch nicht von dem Reïs Effendina?«
»Nein.«
»Denke doch an die Adlerohren! Du hast ihm gesagt, in welcher Gefahr sich der Reïs Effendina befindet.«
»Nicht zu ihm, sondern zu dir habe ich davon gesprochen. Dir habe ich gesagt, daß er in Chartum vergiftet werden soll.«
»Ja, das hast du sogar beschworen und dabei einen Meineid geleistet, den Allah dir nicht vergeben wird.«
»Es war die Wahrheit!«
So? Warum hast du da soeben dem Fakir el Fukara erzählt, daß der Reïs Effendina in die Sunutwälder bei der Dschesireh Hassaniah gelockt werden soll?«
»Allah, Allah!« rief er erschrocken aus, indem er mich anstarrte wie einer, vor dem plötzlich bei heiterem Himmel ein Blitz in den Erdboden gefahren ist.
»Du erschrickst? Ja, dein Sohn befindet sich bei der Dschesireh Hassaniah, und der Fakir el Fukara soll schleunigst hin, um ihn zu benachrichtigen, daß euer Angriff auf uns verunglückt ist, und daß Ihr euch in unsern Händen befindet.«
»Ich – weiß – kein – Wort, kein – Wort – davon!« stammelte er.
»Das ist eigentlich nicht notwendig,« lachte ich. »Die Hauptsache ist, daß ich es weiß. Ich habe noch mehr gehört. Dein Sohn Ibn Asl soll mit seinen Leuten und seinem Schiffe bis Makaui oder Katena nilabwärts gehen und dann links in die Steppe marschieren, um uns zu überfallen und euch zu befreien. Du siehst, daß meine Adlerohren mir sehr gute Dienste leisten.«
»Du bist ein Teufel, ja, du bist der richtige und wirkliche Scheitan!« rief er jetzt in seinem grimmigsten Tone aus. »Gehört hast du nichts; das weiß ich genau; dennoch bist du von allem unterrichtet, und das kann nur die Folge davon sein, daß du mit der Hölle im Bunde stehst!«
»Oder mit Allah. Du bist ein schauderhafter Bösewicht; also kann die Macht, welche mir gegen dich beisteht, keine böse, sondern sie muß eine gute sein. Deine Anschläge sind entdeckt, und ich werde dafür sorgen, daß sie zunichte werden; deinem Sohne werde ich einen Besuch abstatten, ohne zu fragen, ob ich ihm willkommen bin, und wehe ihm, wenn ich finde, daß er dem Reïs Effendina auch nur ein Haar gekrümmt hat! Euch beide werde ich jetzt wieder hinüber zum Feuer schaffen lassen. Ihr habt zu wenig Gehirn, zu erraten, weshalb ich euch von den anderen absonderte. Hättet ihr euch Ueberlegt, daß, wie ihr nun schon oft erfahren habt, alles, was ich thue, einen bestimmten Zweck hat, so wäret ihr nicht in die Falle gegangen, welche ich euch damit stellte.«
Als sich die beiden wieder in der Nähe des Feuers befanden, nahm ich mich der Wunde des Dschelabi sorgfältiger an, als es vorhin geschehen war. Günstigen Falles blieb er für das ganze Leben lahm; da aber in jenen Gegenden die geringste Verletzung leicht einen gefährlichen Charakter annehmen kann, so war eine schlimmere Wendung gar nicht ausgeschlossen.
Nun war ich neugierig, wie der Fakir el Fukara sich verhalten werde. Teilte er mir den Plan des Alten mit, so war es gut; im andern Falle aber mußte ich ihn hindern, den ihm gewordenen Auftrag auszuführen. Er hatte sich wieder abseits von den übrigen gesetzt und gab mir, als die an der Wache nicht beteiligten Asaker sich zu schlafen niederlegten, einen Wink, zu ihm zu kommen. Als ich dieser Aufforderung gefolgt war, sagte er.
»Setze dich für einige Augenblicke zu mir, Effendi! Ich möchte über eine Angelegenheit, welche mir sehr wichtig ist, mit dir sprechen.«
Ich nahm in der Erwartung neben ihm Platz, daß er mir sein Gespräch mit dem Alten mitteilen werde, aber schon der Anfang zeigte, daß ich mich geirrt hatte, denn er begann:
»Du bist ein Christ. Kennst du euer Kitab el mukaddas[17] genau?«
»Ja. Ich habe es mit besonderem Fleiße studiert.«
»Und kennst du auch die Erklärungen, welche eure Schriftgelehrten dazu gegeben haben?«
»Ja.«
»So sage mir, ob ihr Muhammed für einen Propheten haltet!«
»Nach unserer Ueberzeugung ist er kein Prophet, sondern nur ein gewöhnlicher Mensch.«
»So giebt es bei euch wohl gar keine Propheten?«
»O doch! Wir verstehen unter den Propheten diejenigen vom heiligen Geiste erleuchteten Männer, welche Gott zu seinem Volke sandte, um dasselbe über die ewigen Wahrheiten zu belehren und es auf den Weg des Heils zu leiten.«
»Das hat Muhammed doch auch gethan!«
»Nein. Der Weg, auf welchen er seine Anhänger wies, ist ein Irrweg.«
»So haltet ihr seine Lehre für durchaus falsch?«
»Ich möchte diese Frage freilich nicht mit einem kurzen ja beantworten. Er hat Richtiges und Falsches zusammengeworfen. Da, wo er lebte, gab es Juden und Christen. Von diesen lernte er den Inhalt unserer Bibel kennen und konstruierte sich aus derselben und aus allerlei heidnischen Anschauungen, welche er vorfand, die Lehre, welche ihr Islam nennt. Was davon aus unserer heiligen Schrift stammt, ist richtig, das übrige aber falsch. Da nun selbst die reinste Wahrheit, wenn sie mit der Lüge verquickt wird, nicht mehr Wahrheit ist, so muß der Kuran trotz vieler Stellen, mit denen wir einverstanden sind, verworfen werden.«
»Effendi, ihr begeht den großen Fehler, den Kuran zu verurteilen, ohne ihn zu kennen.«
»Das ist nicht wahr. Ich kann diese deine Behauptung mit vollem Rechte umdrehen. Giebt es eine einzige muhammedanische Medresse[18], an welcher die Schüler unsere Bibel kennen lernen?«
»Nein, denn es ist Lehrern und Schülern verboten, sich mit den Lehren Andersgläubiger zu beschäftigen. Sie würden eine große Sünde begehen, wenn sie dies thäten.«
»An unsern Medressen aber giebt es sehr gelehrte und sehr berühmte Männer, welche mit ihren Schülern den Kuran studieren und denselben wenigstens, ich sage wenigstens, ebenso genau kennen wie eure Professoren. Ihr könnt die Bibel gar nicht kennen und nennt uns dennoch Giaurs; wir aber kennen den Kuran und sind also sehr wohl im stande, über den Islam ein Urteil zu fällen.«
»Bist du auch der Schüler eines solchen Lehrers gewesen?«
»Ja, und zwar des berühmtesten. Er hat Abu ‚l feda, Beidhawi, Alis hundert Sprüche, Samachschari und andere eurer Gelehrten übersetzt. ich lernte bei ihm eure Sprache, den Kuran, die Sunna und die von euren Religionslehrern dazu gegebenen Erläuterungen kennen und bin bereit, dir über den Islam jede gewünschte Aufklärung zu geben.«
»Wunder über Wunder! Ein Christ will mir, dem gelehrten Fakir el Fukara, Erklärung des Kuran, der Sunna und aller heiligen Schriften geben! Sollte man so etwas für möglich halten! Du bist nicht nur in Thaten, sondern auch in Worten verwegen, Effendi!«
»Von einer Verwegenheit kann da gar keine Rede sein. Was ich sage, hat alles Grund und vollständige Berechtigung. Versuche es!«
»Nein. Ich werde mich hüten, mit einem Christen über den Islam zu disputieren. Du lässest dich doch nicht bekehren. Es waren nur einige wenige Fragen, welche du mir beantworten solltest. Selbst dem weisesten der Weisen ist
17
Heilige Buch = Bibel.
18
Universität.