Im Lande des Mahdi II. Karl MayЧитать онлайн книгу.
liefst du denn nicht weiter?« fragte mich Ben Nil. »Sie hätten uns nicht eingeholt!«
»Weil ich gar nicht fort will!«
»Du willst hier stecken bleiben?«
»Nein. Ich wollte Ibn Asl nur zeigen, daß ich mir nichts befehlen lasse. Jetzt sind sie alle unter den Bäumen verschwunden. Komm!«
Wir krochen aus dem hohen Schilfe heraus und schnellten uns nach dem Feuer hin, an welchem Ibn Asl gesessen hatte. Dort setzten wir uns nieder. Drei Flinten und drei Tabakspfeifen lagen da, und daneben stand ein thönernes Gefäß mit Rauchtabak. Wir stopften uns schnell jeder eine Pfeife und steckten sie in Brand. Da erscholl hinter uns ein Ruf der Verwunderung: »Dort sitzen sie ja, dort am Feuer!«
Dieser Ruf ging von Mund zu Mund weiter, und man kehrte ebenso schnell, wie man davongelaufen war, zurück. Wir saßen ruhig da und rauchten. Die Männer wußten nicht, was sie dazu sagen sollten. Sie riefen, schrieen und lachten durcheinander. Ibn Asl mußte sich Bahn brechen, um zu uns zu gelangen.
»Allah akbar – Gott ist groß!« rief er aus. »Was fällt euch ein! Wir suchen euch, und ihr sitzt hier!«
»Ich wollte dir nur zeigen, daß ich mich entfernen kann, wenn ich mich entfernen will. Ihr hättet uns gewiß nicht einholen können. Aber ich bin gekommen, um ein Geschäft mit dir zu machen, und werde nicht eher fortgehen, als bis es zustande gekommen ist.«
Ich sagte das in einem so zuversichtlichen Tone, daß sein vorher so finsteres Gesicht sich zu einem Lächeln verzog und er kopfschüttelnd sagte:
»Amm Selad, einen Mann wie du bist, habe ich noch nicht gesehen. Du bist außerordentlich keck; da mir das aber gerade gefällt, so will ich dir den Schabernack, den du uns gespielt hast, nicht anrechnen. Kehrt an eure Plätze zurück!«
Dieser Befehl galt seinen Leuten, welche denselben sogleich befolgten. Er setzte sich zu meiner Rechten nieder, und die beiden andern folgten diesem Beispiele. Ja, keck war ich gewesen, und nun galt es, abzuwarten, ob es gute Folgen haben werde. Wir waren weder gegrüßt noch willkommen geheißen worden, und solange dies unterblieb, durften wir uns nicht sicher fühlen. Ibn Asl nahm die dritte Pfeife, stopfte sie, zündete sie an und sagte dann, mir den Rauch fast gerade in das Gesicht blasend:
»Was soeben geschehen ist, habe ich wirklich noch nicht erlebt. Entweder bist du ein leichtsinniger Spaßvogel oder ein vielerfahrener Händler.«
»Das erstere nicht, sondern das letztere,« antwortete ich. »Ich bin durch viele Gefahren gegangen und fürchte mich nicht, wenn jemand mich empfängt, ohne mich sofort willkommen zu heißen.«
»Kann ich dir »Marhaba«[24] sagen, ohne daß ich dich kenne?«
»Ja und auch nein. Jeder thut nach seiner Art. Ich heiße jeden willkommen, der mich aufsucht.«
»Und wenn er ein schlechter Mensch ist?«
»So habe ich stets noch Zeit, ihn wieder fortzujagen.«
»Nachdem du den Schaden erlitten hast! Nein, erst die Prüfung und dann die Entscheidung!«
»So prüfe! Mir soll es angenehm sein. Aber ich sage dir, daß ich sehr ermüdet bin. Wir sind heute weit geritten und bedürfen des Schlafes. Habe also die Gewogenheit, deine Prüfung nicht etwa über die ganze Nacht auszudehnen!«
Er sah die beiden andern und diese blickten wieder ihn an. Sie wußten nicht, ob sie lustig oder grimmig dreinschauen sollten, bis Ben Nil mit sehr ernsthafter Miene hinzufügte:
»Und Hunger haben wir auch!«
Da lachte Ibn Asl laut auf und antwortete.
»Bei Allah, ihr seid sonderbare Menschen! Aber ich will einmal von meinen Gewohnheiten abweichen und euch Vertrauen schenken.«
»Das kann dir doch gar nicht schwer fallen,« sagte ich. »Eigentlich wäre es viel schwerer für mich, Vertrauen zu dir zu hegen. Wir haben das Wagnis unternommen, dich aufzusuchen. Ist das nicht der beste Beweis, daß wir es ehrlich meinen?«
»Ich sollte das eigentlich denken!«
»Denke es, so wirst du dich nicht irren! Ich war sehr erfreut, als ich hörte, daß du hier bei der Dschesireh seist. Ich wollte hinauf nach dem Bahr el Ghasal oder gar bis zum Bahr el Dschebel, um dort irgend eine Seriba aufzusuchen. Das wäre eine weite Reise ins Ungewisse hinein gewesen. Jetzt kann ich, wenn du es erlaubst, mich zu dir halten und bin überzeugt, daß wir in immerwährender Geschäftsverbindung bleiben werden.«
»Es fragt sich, welche Preise du bezahlst.«
»Wie die Ware, so der Preis. Ich kaufe den Requiq gleich frisch vom Fange weg und transportiere ihn selbst.«
»Du hast aber doch keine Leute dazu!«
»Die werbe ich später an. Ich denke, daß ich bei den Schilluk oder Nuehr genug Krieger bekommen kann.«
»Das erfordert viel Geld, das heißt viel Ware, denn da oben wird nur mit Ware bezahlt!«
»Die kaufe ich in Faschodah. Geld habe ich.«
»Dann wagest du freilich viel. Wie nun, wenn ich dich töte, um dir das Geld abzunehmen?«
»Du bist zu klug, dies zu thun.«
»Nennst du es Klugheit von mir, dir dein Geld zu lassen?«
»Ja. Beraubtest du mich jetzt, so hättest du einen einmaligen Gewinn; bist du aber ehrlich, so kannst du oft und viel mehr von mir verdienen.«
»Du rechnest richtig. Es wird dir bei mir nichts geschehen.«
»So freut es mich, daß ich mich in dir nicht getäuscht habe. Was mich betrifft, so wird Murad Nassyr für mich bürgen.«
»Das ist es, was mich bewogen hat, dich zu mir zu lassen. Du kennst ihn; du hast von ihm gekauft, und so will ich annehmen, daß ich mit dir werde zufrieden sein können. Ich habe nichts dagegen, daß du mit mir ziehst.«
»Wohin wird dein Zug gerichtet sein?«
»Davon später. Jetzt wollen wir uns nur erst kennen lernen. Ich heiße dich willkommen, dich und deinen Gehilfen. Ihr sollt bei mir schlafen und jetzt auch mit uns essen.«
Von den andern Feuern drang ein sehr appetitlicher Bratenduft herbei. Man hatte, wie ich erfuhr, am Nachmittage ein Rind geschlachtet. Es war in Streifen zerschnitten worden, welche man jetzt röstete. Wir erhielten unsern Anteil und aßen wacker mit. Dabei wurde gesprochen, das heißt, ich mußte sprechen. Ibn Asl fragte mich aus. Er wollte soviel wie möglich von mir hören, mich, meine Vergangenheit, meine Verhältnisse so eingehend wie möglich kennen lernen. Ich gab ihm den ausführlichsten Bescheid. Natürlich war alles, was ich erzählte, ersonnen. Ich dachte mir einen Sklavenhändler in Suez, malte mir die Umstände aus, in welchen er sich befinden konnte, kalkulierte über die möglichen Geschäftsverbindungen, dachte nach, welche Reisen er gemacht haben könne, und brachte, da ich die betreffende Scenerie zur Genüge kannte, mit leidlichem Glück ein Bild fertig, für welches Ibn Asl sich mehr und mehr zu interessieren begann. Der Mann taute auf und teilte mir später auch verschiedenes aus seinem Leben mit.
Was ich da hörte, machte mich grauen. Dieser Mensch hatte nie ein Herz, ein Gewissen gehabt. Seine Seele schien gar nichts Menschliches zu haben. Er hatte eine wahre, wirkliche Lust am Bösen, und je mehr und je länger er erzählte, desto größer wurde der Abscheu, welchen er mir einflößte. Er hingegen schien immer mehr Wohlgefallen an mir zu finden; seine Aufrichtigkeit wuchs. Er erzählte mir schließlich von mir selbst, von dem Schaden, den ich ihm durch die Befreiung der Frauen und Mädchen der Fessarah bereitet hatte. Er schilderte mich, natürlich von seinem Standpunkte aus, und aus jedem seiner Worte sprach ein Haß, ein Grimm gegen mich, der einen andern als mich vielleicht zum Zittern gebracht hätte. Er teilte mir mit, daß er mir Leute entgegengesandt habe, welche mich in der Steppe aufheben sollten, und schloß mit den Worten:
»Diesen Leuten habe ich meinen Vater zum Anführer gegeben, und bin also sicher, daß nichts versäumt werden wird, seiner habhaft zu werden.«
»Man kann ihn aber doch leicht umgehen,« meinte ich. »Kennt
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Willkommen.