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Im Lande des Mahdi II. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Im Lande des Mahdi II - Karl May


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eigentlich ermordet, sondern zerrissen und aufgefressen.«

      Sofort war ich umringt, und alle riefen auf mich ein, daß ich mich da wohl geirrt habe.

      »Ich irre mich nicht, denn ich weiß die Knochen eines Menschen von denen eines Tieres wohl zu unterscheiden. Dieses Schulterblatt und die Schenkelröhre sind von den Zähnen eines sehr starken, wilden Tieres zermalmt worden. Sollte es in der Steppe oder etwa gar hier im Walde Löwen geben?!«

      »Allah beschütze uns und segne uns mit seiner Gnade!« schrie da unser Fessarah-Führer auf »Das ist kein anderer Teufel gewesen als Chazzak ed Dschuma[8], der Löwe von El Teitel!«

      »Warum wird er nach diesem Orte genannt?«

      »Weil er abwechselnd alle Brunnen, welche zwischen El Teitel und dem Nile liegen, besucht.«

      »Und welchem Umstande verdankt er den andern Namen?«

      »Es vergeht keine Woche, in welcher er nicht einen Menschen zerreißt und frißt. Er ist schon seit länger als einem Jahr in dieser Gegend.«

      »Hat man ihn denn nicht gejagt, nicht versucht, ihn zu erlegen?«

      »Gejagt? Was fällt dir ein! Allah behüte jeden Menschen vor diesem gewaltigen Fresser, welcher größer als ein Ochse und stärker als ein Elefant ist!«

      »Kennt man seinen Lagerplatz? Hat man ihn vielleicht mit einer Löwin oder mit jungen gesehen?«

      »Nein. Darum besitzt er keine bestimmte Wohnung, schläft einmal hier und einmal dort und ist inzwischen von einem Brunnen zum andern unterwegs.«

      »Ah, also ein Wahdani[9]! Ich kenne diese einsamen, weil selbst gegen ihresgleichen feindseligen Tiere. Sie sind die allerschlimmsten. Wenn ein solcher einmal einen Menschen gefressen hat, so bleibt er bei dieser Nahrung und schlägt Tiere nur im Falle des allergrößten Hungers.«

      »Das ist richtig, Effendi, und so ein Menschenfresser ist dieser Vagabund von EI Teitel. Es kommt sogar vor, daß er in einer Woche zwei verschlingt. Wann mag er hier gewesen sein?«

      »Vor vier oder fünf Tagen, wie ich aus der Trockenheit dieser Knochenreste ersehe.«

      »O Allah, das ist schlimm! So kann er heute wieder hier sein. Wenn er gestern oder vorgestern da gewesen wäre, befände er sich heute ganz sicher anderswo; nach so langer Zeit aber kann er seine Runde schon wieder beendet haben.«

      »Das hängt davon ab, wie viele Brunnen er besucht und ob er inzwischen wiederum ein Opfer gefunden hat. Er kann einen Menschen auf einmal nicht verzehren und geht erst dann, wenn er den letzten Markknochen zerschnitten hat, von dannen. Vielleicht hat er volle drei Tage hier gelegen.«

      »So ist Allah uns gnädig gewesen. Der Fresser hätte uns an einem unserer letzten Nachtlager überfallen können. Die Knochen sind vier Tage alt; drei Tage war er hier, also ist er erst einen Tag fort, und wir haben nichts zu befürchten.«

      »Dieser Schluß scheint richtig zu sein, kann uns aber täuschen. Der Löwe zieht, wie jedes andere Raubtier auch, den Ort, an welchem er Fraß fand, denjenigen Stellen vor, die er vergeblich aufsuchte. Er kann also leicht rascher, als du denkst, zurückkehren.«

      »Das mögen sämtliche Heiligen des Kalifates verhüten! Vielleicht befindet er sich gar noch hier und liegt in einem Hinterhalte!«

      »In diesem Falle hätte ich seine Spur gesehen. Dennoch müssen wir vorsichtig sein, da diese Einsiedler verschmitzt und hinterlistig sind und ihre Annäherung nicht wie andere Löwen durch Gebrüll verkünden. Sie schleichen sich vielmehr heimlich wie Panther an und springen lautlos auf ihr Opfer ein. Ich habe einst einen solchen verstockten Sünder geschossen, welcher nur einmal, und zwar vor Freude kurz aufbrüllte, als er auf unsere Fährte traf, und sich dann aber vollständig lautlos näherte.«

      »Was, Effendi, du hast auf einen Löwen geschossen?«

      »Schon auf mehrere.«

      »Und auch getroffen?«

      »Meine Kugel traf nur, als ich Anfänger im Schießen war, ihr Ziel zuweilen nicht.«

      »Und hast Löwen getötet?«

      »Ja.«

      »Mit wie vielen Schüssen?«

      »Mit einem. Nur ein einziges Mal waren zwei Kugeln nötig.«

      »O, Effendi, wie schön du lügst; nein, wie schön du lügst!«

      Es fiel mir gar nicht ein, ihm diesen Ausruf übel zu nehmen, denn ich kannte ja die Art und Weise, in welcher die Wüsten- und Steppenbewohner den Löwen zu jagen pflegen. Ist sein Lager aufgespürt, so versammeln sich sämtliche Krieger eines Stammes oder auch mehrerer Stämme und reiten hin. Das Lager wird umstellt und mit Steinen beworfen; dabei brüllt jeder, so sehr und viel er kann, bis der aufgejagte Löwe erscheint. Jetzt krachen, ohne daß man es mit dem Zielen genau nimmt, alle Flinten. Die Kugeln gehen daneben; vielleicht trifft zufällig eine einzige, und das verwundete Tier springt brüllend auf die Menge ein, um einen Reiter oder zwei vorn Pferde zu reißen und zu töten. Die andern springen zurück, um zu laden, bleiben dann halten und schießen wieder – mit demselben Erfolge. Der Löwe geht abermals vor und zerfetzt einen dritten. In dieser Weise folgt Salve auf Salve, bis das Tier endlich mit völlig durchlöcherter Haut und nicht tödlich getroffen, sondern vom Blutverluste erschöpft, zusammenbricht, aber auch so und so viele Menschen den unrühmlichen Sieg mit ihrem Leben bezahlt haben. Die andern fallen jubelnd über die Leiche des »Wüstenkönigs« her, schlagen sie, treten sie mit Füßen, spucken sie an und bewerfen sie mit allen möglichen und unmöglichen Schandwörtern und Schimpfreden. Das geschieht nie in der Nacht, sondern stets am Tage. Daß aber ein einzelner Europäer in dunkler Nacht den Löwen an der Tränke erwartet oder aufsucht, um ihn durch einen Schuß in das Auge oder in das Herz zu erlegen, das ist für diese Leute eine Fabel, eine vollständige Unmöglichkeit; das glauben sie einfach nicht, und so nahm ich es dem Führer auch nicht übel, daß er glaubte, ich wolle ihn mit einer »schönen Lüge« unterhalten.

      »Er hat Löwen getötet!« fuhr er lachend fort. »Mit einem Schusse! Des Nachts! Und er war ganz allein! O Allah, o Muhammed, welch ein gewaltiger Held doch dieser unser Effendi ist! Ich möchte ihn einmal so als Sijad es Saba[10] sehen!«

      »Wünsche dir das nicht,« warnte ich, doch nicht etwa in beleidigtem Tone. »Dieser dein Wunsch könnte nur dadurch, daß der Löwe käme, in Erfüllung gehen, und ich glaube nicht, daß du dich über dieselbe freuen würdest.«

      »Sogar sehr, sehr würde ich mich freuen, meinte er, noch immer lachend. »Ich fürchte mich ebensowenig wie du vor ihm. Der Menschenfresser ist ein ungeheuer großes Tier, und wenn ich ihn nahe genug herankommen lasse, kann ich ihn gar nicht fehlen. Was ein Deutscher vermag, der nicht einmal hier geboren ist, das kann auch ich, der ich ein Sohn dieses Landes bin. Ich biete dir eine Wette an, daß ich, wenn der Löwe kommt, ganz dasselbe thue, was du unternimmst.«

      »Gut! Um was wetten wir?«

      »Setzest du deine Uhr und dein Fernrohr gegen meine Visionsflinte?«

      »Ja.«

      »Und du scherzest auch nicht?«

      »Nein. Gehst du also die Wette ein?«

      »Ja; ich schwöre es bei Allah und dem Barte des Propheten. Willst du etwa zurücktreten?«

      »Nein. Du hast bei Allah und dem Barte des Propheten geschworen und kannst also auch nicht zurück. Erst widersprachst du mir aus Unglauben; dann kam dir das Verlangen nach der Uhr und dem Rohre. Du glaubst, dieser beiden Gegenstände sicher zu sein, da du überzeugt bist, daß ich, falls der Löwe ja erscheint, ganz hübsch und vorsichtig am Feuer sitzen werde. Aber du irrst dich.«

      Er sah eine Weile vor sich nieder; dann sagte er:

      »Ich will dich nicht beleidigen, aber ich glaube es dir nicht.«

      »Und ich denke zwar nicht, daß das Tier kommen wird, aber falls es kommt, werde ich dir beweisen, daß du dich irrst. Die Wette gilt?«

      »Ja;


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<p>8</p>

Wöchentlicher Zerreißer.

<p>9</p>

Einsiedler.

<p>10</p>

Löwenjäger.

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