Im Lande des Mahdi III. Karl MayЧитать онлайн книгу.
Sobald er das gethan hat, stürmen wir hinab und drängen ihn in das Wasser.«
»Das klingt allerdings verlockend, will aber dennoch überlegt sein. Draußen an der Furt ist der Feind so von uns, dem Sumpfe und dem Wasser umgeben, daß er nach keiner Seite ausbrechen kann und Rettung einzig nur darin findet, daß er sich ergiebt. Hier aber hat er euch vor sich, den See hinter sich und zu beiden Seiten offenes Land; er kann also, selbst wenn es euch gelingt, ihn zu schlagen, entweichen. Jedenfalls fließt Blut, viel Blut. Dein Trachten muß darauf stehen, vor allen Dingen Ibn Asl persönlich in die Hände zu bekommen; ich glaube aber, wetten zu können, daß – —«
»Gieb dir keine Mühe!« unterbrach er mich, »du bist stark, tapfer und listig, aber doch kein Offizier; deine Kugel fehlt nie ihr Ziel, aber von der Strategie verstehst du nichts; das habe ich wiederholt erfahren. Mein Plan ist gut und wird ausgeführt. Die Erlaubnis, mitzukämpfen, sollst du haben, natürlich unter der Voraussetzung, daß du zu gehorchen weißt!«
Das war ganz im Tone eines Vorgesetzten zu seinem Untergebenen gesprochen. Wie oft hatte ich die Fehler seiner Leute, sogar seine eigenen, gut gemacht, und jetzt wollte er wiederholt erfahren haben, daß ich nichts von Strategie verstand! Ja gewiß, ein Stratege war und bin ich nicht im mindesten; aber Ibn Asl zu fangen, dazu glaubte ich ebensoviel Geschick wie er zu haben. Seine letzten Worte waren geradezu grob; darum stand ich auf und sagte, jedoch im ruhigsten Tone:
»Es giebt keinen Menschen, dem ich zu gehorchen habe, und es wird wahrscheinlich auch nie einen geben. Allah isallamak – Gott behüte dich!«
Bei diesen Worten wendete ich mich um und verließ die Hütte des Häuptlings, in welcher diese eigenartige Beratung stattgefunden hatte. Vor derselben stand Ben Nil. Er sah mir besorgt in das Gesicht und sagte:
»Hamdulillah, es ist besser verlaufen, als ich dachte! Ich glaubte, du werdest hocherzürnt herauskommen. Dein ruhiges Gesicht aber sagt mir, daß man doch nicht so dumm gewesen ist, dir zu widersprechen.«
»Woher weißt du, daß man dies beabsichtigt hat?«
»Vom anderen Dolmetscher, der mir sagte, daß der Reis Effendina während unserer Abwesenheit gedroht habe, Wagunda seinem Schicksale zu überlassen, falls nicht er allein es sei, der zu gebieten habe.«
»Und du hast geglaubt, daß ich ein grimmiges Gesicht dazu machen werde?«
»Natürlich! Eine solche Undankbarkeit muß doch erzürnen!«
»Sie kränkt mich zwar, aber sie erzürnt mich nicht.«
»Kränkt? Also hat man es doch gethan?«
»Ja. Man hat meinen Rat zurückgewiesen, doch ist man so gnädig gewesen, mir zu erlauben, mitzukämpfen, aber unter der Bedingung, daß ich gehorche.«
»Gehorchen? Du?« rief er aus. »Effendi, bleib‘ hier stehen, bis ich wiederkomme! Ich muß fort, hinein zu ihnen, um ihnen zu sagen, was sie sind gegen dich!«
Er wollte fort; ich hielt ihn am Arme zurück und gebot ihm:
»Bleib‘! Du machst es nicht anders. Sie hören nicht auf dich, da sie nicht auf mich gehört haben. Sie werden nur von den Ereignissen eines andern belehrt werden.«
»Aber was willst du thun?« fragte er eifrig. »Es dir ruhig gefallen lassen und dich als gewöhnlicher Askari neben die andern stellen, dich einem dieser Neger gleichachten lassen?«
»O nein. Geh nur in deine Hütte; hole deine Sachen, und komm dann nach der meinigen!«
Er eilte von dannen. Ich begab mich nach der mir und dem Reis Effendina zugewiesenen Hütte, um mein Eigentum an mich zu nehmen. Bald kam Ben Nil. Wir verließen das Dorf und stiegen den Berg hinab, um uns jenseits des See‘s am Waldesrande schlafen zu legen. Ben Nil sprach kein Wort; er war ein braver, feinfühlender Bursche. Er hatte sich über mein ruhiges Gesicht gewundert; ich war auch innerlich ruhig; aber diese Ruhe war keine wohlthuende. Ich ärgerte mich nicht und grämte mich nicht; es war mir nur eine Kränkung widerfahren, und doch konnte ich während dieser ganzen Nacht nicht schlafen. Die Sorge um das Schicksal derer, welche ich verlassen hatte, ließ mir keine Ruhe.
Ich sann und sann, wie ihnen doch zu helfen sei, und kam endlich auf einen Gedanken, welcher mir zwar nicht den Schlaf, aber doch innere Beruhigung brachte. Es gab zwar gegen die Ausführung desselben mancherlei Bedenken, aber nach reiflicher Ueberlegung kam ich, gerade als es Tag wurde, zu der Ueberzeugung, daß ich nichts Besseres thun könne, als diesem Vorsatze treu zu bleiben. Da erwachte Ben Nil aus seinem Schlafe, welcher auch ziemlich unruhig gewesen war. Wir wuschen uns im See, und nachdem wir uns abgetrocknet hatten, fragte er mich:
»Was nun, Effendi? Steigen wir wieder hinauf in das Dorf?«
»Nein, wir werden uns nach Foguda.«
»Nach Foguda? Das ist das Dorf der Gohk, von welchem uns der Dolmetscher gestern erzählte, als er uns die Umgegend erklärte. Was wollen wir dort?«
»Hilfe für Wagunda holen.«
»So willst du diese Undankbaren nicht ihrem Schicksale überlassen?«
»Nein. Ich weiß, daß sie in ihr Unglück rennen, wenn ich ihnen nicht helfe, und da sie meine Hilfe von sich weisen, muß ich sie zwingen, sie anzunehmen.«
»Sie sind es nicht wert, Effendi! Und bedenke die Gefahren des Weges, den wir zurückzulegen haben!«
»Warum diese Worte? Ich weiß, daß du dich nicht fürchtest.«
»Aus Sorge für dich, nicht für mich. Ich gehe mit dir bis an das Ende der Welt; aber es ist meine Pflicht, dich darauf aufmerksam zu machen. Der Dolmetscher sagte, daß Foguda drei volle Tagreisen von hier entfernt sei. Bedenke, daß wir keine Reittiere haben und also laufen müssen, durch Urwald und Sumpf, den wir nicht kennen.«
»Er hat die genaue Richtung angesagt und den Weg kurz beschrieben. Das genügt mir.«
»Du willst die Bewohner von Foguda aufbieten, mit uns hierher zu ziehen?«
»Ja. Foguda liegt seitwärts des Weges, auf welchem Ihn Asl hierher kommen wird. Wir legen uns mit den dortigen Gohk auf die Lauer, lassen ihn vorüber und folgen ihm. Hier stellen wir uns hinter ihm auf und fallen, wenn er das Dorf angreift, über ihn her.«
»Diesen Plan willst du den Leuten in Foguda erklären? Aber du kennst ja deren Sprache ebensowenig, wie ich sie kenne. Und einen Dolmetscher haben wir nicht mit!«
»Ich rechne auf mein gutes Glück. Vielleicht giebt es einen unter ihnen, der ein wenig Arabisch versteht und wenn nicht, so hoffe ich, mit der Zeichensprache und einigen Worten, die mir doch bekannt sind, auszukommen.«
»Und du glaubst, daß die Fogudakrieger uns hierher begleiten werden?«
»Ich bin überzeugt davon, da sie zu demselben Stamme mit den Bewohnern von Wagunda gehören.«
»Nun wohl! Du hast stets die besten Gedanken, und so wird der jetzige wohl auch der richtige sein. Laß uns aufbrechen, denn wir müssen drei Tage lang tüchtig marschieren. Aber wovon leben wir?«
»Von Früchten, welche wir finden werden, und von dem, was wir schießen. Uebrigens haben wir gestern so viel gegessen, daß ich für heute und morgen wohl nichts brauchen werde.«
Wir verließen den See und schritten in der Richtung, nach welcher wir gestern geritten waren, fort, ohne daß es mir einfiel, noch einen Blick hinauf nach dem Dorfe zu richten, wo alles noch zu schlafen schien. Wir waren ungefähr zehn Minuten gegangen und durchquerten gerade ein leichtes Gebüsch, als ich hinter uns ein Schnaufen hörte, ähnlich demjenigen eines Hundes, welcher seinen Herrn verloren hat und nun ängstlich nach der Spur desselben sucht. Ich drehte mich um und hielt das Gewehr zum Schusse bereit. Wir wurden verfolgt, hatten aber, wie ich bald sah, nichts zu fürchten, denn unser Verfolger war kein anderer, als der lange Selim, der mit Riesenschritten, so daß sein langes Gewand hinter ihm flog, uns nachgeeilt kam.
»Halt, Effendi, halt!« rief er, als er mich erblickte. »Wo wollt ihr hin?«
»Sage erst, wohin du selber willst?«
»Mit euch!« antwortete er, indem er keuchend bei uns stehen blieb.
»Bleib‘