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In den Schluchten des Balkan. Karl MayЧитать онлайн книгу.

In den Schluchten des Balkan - Karl May


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ist Silahdschi[6] und hat zugleich ein Kahwehane[7], wo seine Waffen zum Verkaufe aushängen.«

      »Wo wohnt er?«

      »In der Gasse, die nach dem Dorf Tschatak führt.«

      »Ich danke dir! Aber nun schweige auch du, so wie ich verschwiegen sein werde.«

      Jetzt nun ging ich nach dem Innern des Hauses zurück. Den Mienen des Kiaja und des Nachtwächters sah ich es nicht an, ob sie errieten, daß meine Entfernung eine ihnen feindliche Ursache gehabt habe. Halef zog sich augenblicklich zurück.

      »Nun,« fuhr ich in dem unterbrochenen Gespräche fort, »möchte ich gern wissen, was dieser frühere Steuereinnehmer von Uskub bei dir gewollt hat.«

      »Er erkundigte sich nach dem Wege,« antwortete der Kiaja.

      »Wohin?«

      »Nach Sofala.«

      Sofala lag grad gegen Süden, während ich überzeugt war, daß die drei Flüchtigen nach West geritten seien. Dieser brave Kiaja wollte mich also von der richtigen Bahn ablenken. Ich ließ ihm natürlich nicht merken, daß ich seinen Worten keinen Glauben schenkte, und fragte:

      »Nicht wahr, Manach el Barscha kam von Edreneh?«

      »Ja.«

      »So ist er von dort aus über Samanka, Tschingerli und Orta-kiöj grad nach West geritten und nun hier ganz plötzlich nach Süd umgebogen. Wenn er nach Sofala wollte, konnte er doch sofort über Tatar, Ada, Schahandscha, Demotika und Mandra südlich reiten. Warum hat er infolge dieses Winkels, dieser Ecke einen Umweg von mehr als sechszehn Reitstunden vor sich gelegt?«

      »Ich habe ihn nicht gefragt.«

      »Und ich kann es nicht begreifen.«

      »Er darf sich nicht sehen lassen. Man will ihn fangen. Vielleicht hat er die Zabtie[8] irre leiten wollen.«

      »Das ist möglich.«

      »Du suchst ihn auch? Du willst ihn fangen?«

      »Ja.«

      »So mußt du der Richtung folgen, die ich dir angegeben habe.«

      »Es ist sehr gut, daß du mir das gesagt hast. Wohnt in dieser südlichen Richtung kein Verwandter oder Bekannter von dir, an den ich mich nötigenfalls wenden könnte?«

      »Nein.«

      »Aber Verwandte hast du doch?«

      »Nein.«

      »Keine Eltern?«

      »Nein.«

      »Keinen Bruder, keine Schwester?«

      »Auch nicht.«

      Das war eine Lüge. Und der Wächter, welcher jedenfalls die Verhältnisse seines Dorfobersten kannte, machte keine Miene, mir die Wahrheit zu verraten. Diese beiden Menschen sahen mich für einen sehr hohen Herrn an; dennoch täuschten sie mich. Ich, der ich doch nur ein Fremder war, ganz allein auf mich selbst angewiesen, hatte natürlich nicht die mindeste Macht gegen sie in den Händen. List war es allein, die ich anwenden konnte, und diese bestand hier auch nur darin, daß ich mir den Anschein gab, als ob ich den Worten des Kiaja Glauben schenke. Ich zog mein Notizbuch aus der Tasche, blätterte darin, so tuend, als ob ich etwas suche, machte dann eine Miene, wie wenn ich das Gesuchte gefunden hätte, und sagte:

      »Ja, es ist richtig: der Stareschin von Bu-Kiöj, ein harter, rücksichtsloser und ungerechter Beamter. Dazu kommt, daß du Flüchtlinge entkommen lässest, anstatt sie festzuhalten. Man wird dir – —«

      »Hart? Rücksichtslos? Ungerecht?« unterbrach er mich. »Effendi, es ist ganz unmöglich, daß ich gemeint bin!«

      »Wer anders denn? Ich habe heut keine Zeit, mich länger mit dir zu befassen; aber du kannst dich darauf verlassen, daß eine jede Ungerechtigkeit ihre sichere Strafe findet. Hast du gehört, was der Prophet von den Ujuhn Allah[9] gesagt hat?«

      »Ja, Emir,« antwortete er kleinlaut.

      »Sie sind schärfer als das Messer, welches dir in das Herz dringt, um dich zu töten. Sie dringen tiefer; sie dringen in die Seele, und vor ihnen kann kein Leugnen bestehen. Denke immer an diese Augen des Allwissenden, sonst wird es dir schlimmer ergehen, als einem ‚abid elaßnam[10] trotz der Ssalawat[11], welche du pünktlich einzuhalten gewohnt bist! Ich gehe. Allah lenke die Gefühle deines Herzens und die Gedanken deines Kopfes! Allah jusellimak – Gott behüte dich!«

      Er verneigte sich tief und ehrerbietig und antwortete:

      »Nesinin sa‘id – deine Jahre seien gesegnet!«

      Der Nachtwächter verbeugte sich so tief, daß sein Gesicht fast den Boden berührte, und sagte türkisch:

      »Akibetiniz chajir ola Sultanum – möge Ihr Ende gut sein, mein Herr!«

      Er gab mir also den Plural anstatt den Singular, eine große Höflichkeit; doch als ich durch die Türe hinaustrat, hörte ich den Kiaja, welcher mir soeben erst gesegnete Jahre gewünscht hatte, leise und ingrimmig murmeln:

      »Ingali ‚min hon.«

      Es bedeutet das so ziemlich dasselbe, was in gebräuchlicherem Arabisch ausgedrückt wird: »ruh lildschehennum – geh‘ zum Teufel!« Es war also wohl vorauszusehen, daß meine an ihn gerichtete fromme Ermahnung von keinem großen Nutzen sein werde.

      Ich stieg wieder auf, und wir ritten zum Dorf hinaus, aber nicht in westlicher, sondern in südlicher Richtung. Erst als wir nicht mehr gesehen werden konnten, bogen wir wieder in den Weg ein, welcher uns nach Geren, einem ungefähr anderthalb Stunden entfernten Dorfe, führen mußte.

      Jetzt erst bemerkte ich, daß wir nur noch zwei Kawassen bei uns hatten.

      »Wo ist dein Untergebener?« fragte ich den Kawaß-Baschi.

      »Er ist zurück nach Edreneh.«

      Das antwortete er so ruhig, als ob es sich um etwas ganz und gar Selbstverständliches handle.

      »Warum?«

      »Er konnte uns nicht länger folgen.«

      »Aber weshalb denn?«

      »Er hatte den basch dömnessi gölin[12]. Er konnte es nicht länger mehr aushalten.«

      »Wie kommt er denn zu diesem Schwindel?«

      »Weil sein Pferd gelaufen ist,« antwortete er ernsthaft.

      »Du sagtest ja, ihr könntet so fein reiten!«

      »Ja; aber man muß das Pferd stehen bleiben lassen. Wenn es läuft, so wankt und wackelt und schaukelt es zum Erbarmen. Das vermag doch nur der Magen eines Kassak russialy[13] auszuhalten. Meine Badschirsak[14] sind verschwunden; sie sind weg; sie sind bis hinunter in diejenigen des Pferdes gerutscht; ich fühle sie nicht mehr; ich fühle nur noch den Schalwar[15], welcher mir da festklebt, wo ich mir meine gute, eigene Haut hinweggeritten habe. Wäre ich derjenige, der den Teufel zu bestrafen hat, so würde ich ihn verurteilen, mit euch nach Menlik zu reiten. Er würde ohne Haut und Knochen dort ankommen und lieber im stärksten Feuer der Hölle sitzen, als auf diesem Pferd.«

      Das war eine Klagrede, über welche wir andern zwar lachen mußten, doch tat mir der Mann immerhin leid. Er machte ein gar zu jämmerliches Gesicht. Seine Haut war ihm trotz der kurzen Zeit, während welcher er auf dem Pferde saß, an einigen Stellen abhanden gekommen. Seinem Kameraden erging es jedenfalls nicht besser, denn er murmelte in den Bart hinein:

      »Wallahi, öjle dir – bei Allah, es ist so!«

      Mehr als diesen Stoßseufzer ließ er zwar nicht hören, aber seinem Gesicht


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<p>6</p>

Waffenschmied.

<p>7</p>

Kaffeehaus, Kaffeestube.

<p>8</p>

Polizei.

<p>9</p>

Augen Gottes.

<p>10</p>

Heiden.

<p>11</p>

Gebete.

<p>12</p>

»Seeschwindel« = Seekrankheit.

<p>13</p>

Kosake.

<p>14</p>

Eingeweide.

<p>15</p>

Hose.

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