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In den Schluchten des Balkan. Karl MayЧитать онлайн книгу.

In den Schluchten des Balkan - Karl May


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schüttelte leise den Kopf und sagte:

      »Bir gendsch kan war on bin küstachlück – ein junges Blut hat zehntausend Mut! Und du bist noch jung. Du hast zwar viele Waffen bei dir, aber was helfen sie gegen zehn oder zwanzig und gar fünfzig Feinde?«

      »Mein Pferd ist schnell!«

      »Ich bin kein Kenner, doch sehe ich, daß dein Rappe schön ist; aber diejenigen, welche in die Berge gehen, besitzen auch nur schnelle Tiere. Sie werden dich leicht einholen.«

      »Mein Hengst ist von reinem Blute; er heißt Wind und läuft wie der Wind.«

      »So werden dich doch ihre Kugeln treffen, denn die Kugel fliegt schneller als das flinkeste Pferd. Die Skipetars sind Pferdekenner; sie werden sofort sehen, daß dein Pferd den ihrigen überlegen ist, und dich also nicht offen erwarten, sondern aus dem Hinterhalt auf dich schießen. Wie willst du dich vor ihnen verwahren?«

      »Durch Vorsicht.«

      »Auch diese wird dich nicht retten, denn das Sprichwort sagt: Sakinma dir kawl kabahatun[24]. Du bist ein ehrlicher Mann; sie werden zehnmal vorsichtiger sein als du! Erlaube mir, daß ich dich warne!«

      »Steht diese Warnung vielleicht in Beziehung zu dem, was du mir sagen wolltest?«

      »Ja.«

      »So bin ich sehr wißbegierig, es zu erfahren.«

      »Nun, ich will dir anvertrauen, daß es ein Sicherheitspapier gibt, welches die Freunde, Bekannten und Verbündeten der Unheimlichen besitzen.«

      »Woher weißt du das?«

      »Das weiß hier jedermann. Aber nur wenige kennen die Art und Weise, wie es zu erlangen ist.«

      »Und du aber weißt es?«

      »Nein. Ich bleibe in meinem Garten und mache niemals eine Reise. Aber Schimin, mein Bruder, ist ein Wissender. Ich darf dir das sagen, weil ich dir vertraue, und weil du dieses Land ja bald verlassen wirst.«

      »So wäre es mir lieb, wenn er dasselbe Vertrauen zu mir hätte!«

      »Er wird es haben, wenn ich dich schicke.«

      »Könntest du mir nicht einige Zeilen an ihn geben?«

      »Ich kann nicht schreiben. Aber zeige ihm dein Rosenöl. Er kennt das Fläschchen ganz genau; er weiß, daß ich es an keinen Unwürdigen verkaufe oder verschenke. Und dann, wenn du es ihm zeigest, so sage ihm, daß dich sein Oeje-kardasch[25] oder sein Jary-kardasch[26] sendet. Kein Mensch weiß, daß wir verschiedene Mütter hatten. Sende ich ihm eine vertrauliche Botschaft, so dient das Oeje oder Jary stets als Zeichen, daß er dem Boten trauen kann.«

      »Ich danke dir! Du glaubst also, daß er mir Näheres über das Sicherheitspapier mitteilen werde?«

      »Ich hoffe es. Es sind in dieser Gegend – —«

      Er hielt inne und lauschte. Von weit hinten im Garten hatte sich ein lauter Pfiff hören lassen, welcher jetzt wiederholt wurde.

      »Mein Herr ruft,« fuhr er fort. »Ich muß zu ihm. Hast du dir alles gemerkt, was ich dir gesagt habe?«

      »Alles.«

      »Nun, so vergiß es nicht unterwegs. Allah sei bei dir und gebe dir die Erlaubnis, den schönen Frauen deines Vaterlandes die Düfte meines Gartens zu bringen!«

      Noch ehe ich antworten konnte, hatte er sich von dem Zaune entfernt, und im nächsten Augenblick war das Geräusch seiner Schritte nicht mehr zu hören.

      Konnte ich das Begegnen mit dem Gartenaufseher ein für mich glückliches nennen? Ein unglückliches jedenfalls nicht. Beruhte das, was er mir von dem Papiere der Sicherheit gesagt hatte, auf Wahrheit? Wie ein Lügner hatte er nicht ausgesehen. Auf alle Fälle war es gut, seinen Bruder aufzusuchen, dessen Schmiede höchst wahrscheinlich an dem Wege lag, den nicht nur meine Begleiter, sondern auch der Reiter, welchem ich die Richtung verlegen wollte, einschlagen mußten.

      Ich ritt weiter. Mein Pferd hatte sich während des Gespräches verschnauft und konnte nun desto besser ausgreifen.

      Wollte ich mich in gerader Linie halten, so mußte ich über Höhen hinweg, welche jedenfalls große Schwierigkeiten boten. Darum beschloß ich, mich lieber möglichst am Fuße derselben zu halten.

      Von dem Plateau Tokatschyk kommend, sucht der Burgasfluß in ziemlich grad nördlicher Richtung die Arda zu gewinnen, der er bei Ada seine Wasser zuführt. An diesem kleinen Flusse liegt Koschikawak. Der stumpfe Winkel, den er mit der Arda bildet, schließt eine Niederung ein, die nach Süden zu immer höher emporsteigt und dann in die Hochebene von Taschlyk übergeht. Diese Höhe wollte ich vermeiden.

      Es gelang mir dies, obgleich ich die Gegend nicht kannte, keine eigentlichen Wege fand und mehrere Flüßchen, die der Arda von links her zuströmten, überschreiten oder vielmehr durchschwimmen mußte.

      Die Sonne hatte sich immer mehr gesenkt und war sodann hinter den fernen Bergen verschwunden. Ich konnte auf eine nur kurze Dämmerung rechnen und ließ den Rappen galoppieren, bis ich abermals an ein ziemlich breites Wasser kam und da bemerkte ich, daß unterhalb meines Haltortes eine Brücke über dasselbe führte.

      Ich ritt zu ihr hin und fand eine Straße. Als ich über die Brücke gekommen war, sah ich – zum ersten Male in der Türkei einen Wegweiser. Er bestand aus einem Felsstück, das aus der Erde ragte und auf das man mit Kalk zwei Worte geschrieben hatte.

      Hätte ich die Bedeutung oder vielmehr den Zweck dieses Steines nicht erraten, so wäre ich von dem ersten der beiden Wörter »Kylawuz« eines Genauen unterrichtet worden, denn dieses Wort heißt eben Wegweiser.

      Das andere Wort aber lautete »Dere Kiöj«. Daß dieses ein Dorf bedeute, das wußte ich; wo aber lag es? Der Wegweiser war da; das Wort stand auf demselben; aber leider war der Stein oben abgeplattet, und auf dieser horizontalen Abplattung standen die beiden Worte.

      Grad aus führte das Ding, das ich soeben Straße genannt habe, und nach rechts hin, dem Wasser entlang, führte ein ebensolches Ding. Welches dieser beiden »Dinge« aber ging nach Dere Kiöj? Welchen Nutzen brachte mir dieser >erste< Wegweiser?

      Ich überlegte, daß der Wasserlauf, an dem ich mich befand, der Burgas wohl nicht sein könne, und daß, folgte ich ihm, ich zu weit nördlich kommen würde. Daher beschloß ich, gradaus zu reiten.

      Es wurde mittlerweile ganz dunkel. Ich sah gar nicht, ob mein Pferd das »Ding« noch unter den Hufen hatte, wußte aber, daß ich mich auf den Rappen verlassen konnte.

      So war ich denn wohl gegen eine halbe Stunde weiter getrabt, als das Pferd unter leisem Schnauben den Kopf auf und nieder bewegte.

      Ich strengte meine Augen an und bemerkte rechts von mir einen breiten, dunklen Gegenstand, von dem aus eine Erhöhung gegen den düsteren Himmel strebte. Es war ein Haus mit einem hohen Schornstein.

      Sollte dies die gesuchte Schmiede sein? Dann befand ich mich ja ganz in der Nähe von Koschikawak, das ich suchte.

      Ich ritt näher an das Haus heran.

      »Bana bak – hört!« rief ich.

      Niemand antwortete.

      »Sawul, alargha – holla, aufgeschaut!«

      Es blieb ruhig. Auch bemerkte ich kein Licht. Sollte das Haus unbewohnt, vielleicht eine Ruine sein?

      Ich stieg vom Pferde und führte es ganz an das Mauerwerk heran. Rih begann wieder zu schnauben. Das kam mir verdächtig vor. Trotzdem er ein Araber war, hatte er doch von mir eine indianische Schulung erhalten. Wenn er in dieser Weise schnaubte, das heißt, wenn er durch die weit geöffneten und vorgestreckten Nüstern die Luft so prüfend einsog und dann in einzelnen, möglichst leisen Absätzen wieder ausstieß, dann war ganz sicher »etwas nicht richtig im Staate Dänemark«.

      Ich zog also die beiden Revolver hervor, und begann, das Haus an seiner Außenseite zu untersuchen. Es war einstöckig und lang gestreckt. Die Türe war verschlossen. Ich klopfte mehrere Male vergebens. Links von ihr fand


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<p>24</p>

Vorsicht ist die Bedingung des Verbrechens.

<p>25</p>

Stiefbruder.

<p>26</p>

Halbbruder.

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