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Waldröschen I. Die Tochter des Granden. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Waldröschen I. Die Tochter des Granden - Karl May


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es möglich?« fragte sie. »Oh, welch ein Glück! Erzähle, erzähle mir schnell, Rosa!« – »Ja, ich erzähle es dir, aber nicht hier, sondern während der Fahrt im Wagen. Wir dürfen Vater nicht warten lassen, er freut sich sehr, dich begrüßen zu können.«

      Rosa gab Alimpo den Befehl, anzuspannen, und nur wenige Minuten später verließen sie das Zimmer, um einzusteigen.

      Draußen vor der Einfahrt standen die beiden Pferde des Husaren. Mariano war in die Gaststube getreten und hatte sich Wein geben lassen; aber er trank ihn nicht, er dachte gar nicht an das Trinken, denn er sah nur die beiden wunderbaren blauen Augen vor sich, die so voll offener Bewunderung auf ihn niedergeleuchtet hatten. Sie hatten ihn so verwirrt, daß er nicht einmal die herrschaftliche Equipage bemerkte, die draußen stand.

      Jetzt hörte er Pferdegetrappel vor der Tür. Er erhob sich leicht und warf einen Blick durch das Fenster. Da sah er die Equipage, vor welche der Kutscher soeben die Pferde spannte. Es war ihm, als ob ein elektrischer Schlag seinen Körper durchbebe, und mit zwei raschen Schritten stand er unmittelbar am Fenster, um mit weitgeöffneten Augen den Wagenschlag anzustarren, an dem er die Gold in Weiß gemalte Grafenkrone und darunter die beiden Buchstaben R und S erblickte.

      Er fuhr sich mit der Hand an die Schläfe, wo er den Puls laut hämmern fühlte. Da sah er ja das verkörperte Bild seiner Träume! Und diese Träume waren doch nicht Träume, sondern Wirklichkeit gewesen. Es wogte und wallte in ihm wie ein unendliches Entzücken; aber er faßte sich und winkte den Wirt herbei.

      »Wem gehört dieser Wagen?« fragte er denselben. – »Das ist die Equipage des Grafen Emanuel de Rodriganda«, lautete die Antwort. – »Rodriganda?« erklang es langsam und leise. »Und was bedeutet das S?« – »Der Graf heißt Emanuel von Rodriganda-Sevilla. Die Dame, die soeben einsteigt, ist seine Tochter Condesa Rosa.« – »Ah! Und die andere?« – »Eine Fremde. Der Kastellan, Señor Juan Alimpo, hat mir gesagt, daß sie eine Freundin der Condesa sei, eine Engländerin, die nach Rodriganda zu Besuch kommt.«

      Der Wirt trat zurück; Mariano blieb stehen. Er wußte nicht, worauf er seinen Blick richten sollte, auf das jetzt noch unverschleierte Gesicht der Engländerin oder auf das Wappen, dessen Züge ihm wie die Schriftzeichen eines Evangeliums entgegenglänzten. Jetzt hatten die Damen im Wagen Platz genommen; und eben war der Wirt hinausgeeilt, um sich zu empfehlen, da traf Amys Auge das Fenster, an dem der Husar stand. Eine tiefe Glut zog über ihre wunderbaren Züge. Die Pferde zogen an, und der Wagen rollte davon.

      Mariano griff sich abermals an den Kopf. Wachte oder träumte er? Nein, er wachte, und nun wollte er auch nicht träumen und säumen. Er warf ein Geldstück auf den Usch und eilte hinaus.

      »Vorwärts!« sagte er, sich auf den Rappen schwingend. – »Schon?« fragte der Diener, sich über die Eile wundernd.

      Er bekam keine Antwort und mußte sich sputen, den Leutnant, der im Galopp die Gasse hinunterjagte, nicht aus den Augen zu verlieren.

      Erst dann, als Mariano die Stadt weit hinter sich hatte und die Equipage in einiger Entfernung vor sich erblickte, zügelte er den Lauf seines Pferdes. Die Aufwallung seines Bluts legte sich, und er begann ruhiger nachzudenken. Konnte diese Begegnung nicht ein einfacher, ganz und gar bedeutungsloser Zufall sein? Konnte es nicht mehrere Familien geben, welche die Buchstaben R und S in ihrem Wappen trugen? Warum jagte er wie unsinnig hinter dem Wagen her? Rodriganda war doch sein Ziel, und er sah die beiden Damen jedenfalls wieder, auch wenn er sie jetzt hier aus den Augen verlor!

      Er ritt also langsamer und sah die Equipage hinter einer Krümmung der Straße verschwinden. Im nächsten Augenblick aber horchte er erschrocken auf; es war ein Schuß gefallen und noch einer! Gerade hinter jener Krümmung kräuselten sich zwei Rauchwölkchen empor. Hatte man auf die Equipage geschossen?

      Mariano gab dem Pferd die Sporen und sauste vorwärts. Kaum eine Minute nach den beiden Schüssen hatte er die Krümmung erreicht und sah nun, was geschehen war.

      Der Wagen der Gräfin hielt mitten auf der Straße, und vor jenem lagen die beiden Pferde, die durch die Köpfe geschossen waren. Hinter dem Wagen kauerte der Kutscher, vor Angst an allen Gliedern zitternd, und von dem tapferen Kastellan Juan Alimpo war keine Spur zu sehen. Auf dem Tritt des Wagens aber stand ein mit einer Kapuze verhüllter Mann, der den beiden Damen ein Pistol entgegenstreckte, und neben ihm am Boden stand ein zweiter, der das Gewehr angelegt hielt.

      Bei den lauten Hufschlägen seines Pferdes drehten sich die beiden Vermummten herum.

      »Verdammt!« murmelte Henrico, der Mariano sofort erkannte. – »Was geht der uns an!« rief Juanito. »Herunter vom Pferd mit ihm.«

      Darauf legte er seine Büchse auf Mariano an und drückte los. Der junge Mann war aber vorsichtig gewesen. Als der Schuß krachte, warf er seinen Leib zur Seite, und die Kugel flog an ihm vorüber. Im nächsten Augenblick riß er den Säbel aus der Scheide.

      »Fahre dahin, Schurke!«

      Zugleich als er diese Worte rief, hieb er den Räuber mitten über den Kopf, daß jener zusammenbrach. Der Hieb war so furchtbar, daß der Säbel zerbrach; daher zog Mariano das Pistol, sprang vom Pferd und hielt es dem anderen Räuber entgegen. Dieser, anstatt sich zu ergeben, erhob die eigene Waffe, da krachte Marianos Schuß, und Henrico stürzte zu Boden. Die Kugel war ihm in die Stirn gedrungen.

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