Waldröschen IV. Matavese, der Fürst des Felsens. Teil 2. Karl MayЧитать онлайн книгу.
– »Gut! Führe uns nach der Weide, wo sich die Pferde befinden.«
Sternau lud zunächst seine Gewehre wieder, dann ließ er sich nach der Weide bringen. Hier wurden die drei besten Pferde ausgewählt und nach der Schlucht gebracht. Alle vorhandenen Waffen wurden in Decken gebunden und den Pferden aufgeladen. Darauf wurde auch der Gefangene auf ein Pferd geschnallt. Endlich stiegen die beiden Sieger auf, und fort ging es im Schritt durch den Wald, im Trab über die Berge und im Galopp über die Ebene.
Wie erstaunten die Bewohner der Hazienda, als die kleine Truppe dort anlangte. Sternau hatte seinen Patienten verlassen müssen, daher war sein erster Weg zu diesem. Unterdessen erzählte der Mixteka seinen staunenden Zuhörern, was geschehen war.
»Dieser Arzt ist der größte Held der Prärie«, sagte er. »Er ist Matavase, der Fürst des Felsens. Er hat fast zweimal fünfzehn Feinde getötet in zwei Minuten, und dennoch ist seine Büchse nicht warm geworden.«
Büffelstirn war soeben mit seinem Bericht fertig geworden, als Sternau wieder erschien. Er hatte seinen Patienten schlafend gefunden und Emma seine Maßregeln eingeschärft. Alle anderen Bewohner der Hazienda standen im Hof versammelt. Pedro Arbellez trat ihm entgegen und reichte ihm die Hand.
»Señor, Sie sind ein wahrer Teufel!« sagte er. »Aber es ist gut so, denn Sie haben mich vor einem fürchterlichen Feind errettet«
Sternau nickte nur und erkundigte sich:
»Wie weit liegt die Hacienda Vandaqua von hier?« – »Drei Reitstunden.« – »Wie stehen Sie mit dem Besitzer?« – »Er ist mein Feind.« – »Ich dachte es. Dort steckt jetzt Pablo Cortejo, der diese Mörderbande gegen Euch gedungen hatte. Wir müssen ihn haben. Ihr, Mariano und ich reiten mit zehn Mann hin. Büffelstirn kehrt mit zehn Mann nach der Schlucht des Tigers zurück, um die Pferde und Beute zu holen, und die übrigen bleiben unter Aufsicht meines Freundes Helmers hier zum Schutz der Hazienda, da man nicht wissen kann, was geschieht. Seid ihr einverstanden?«
Alle die Genannten hatten nichts gegen die Rollen, die ihnen zugeteilt worden waren, und es dauerte nicht lange, so ritten die beiden Trupps von der Hazienda ab, ihrem Ziel entgegen.
Die Abteilung unter Büffelstirn hatte glatte Arbeit. Die Leute erreichten die Schlucht, plünderten die Toten und luden die sämtliche Beute auf die Pferde, die sie nach Hause brachten.
Anders war es mit der Abteilung, die nach der Hacienda Vandaqua bestimmt war. Diese mußte vorsichtig verfahren. Als man die Grenze überschritten hatte, begegnete ihnen ein Cibolero, der von der Hazienda kam. Sternau ritt an ihn heran und fragte:
»Du kommst von der Hacienda Vandaqua?« – »Ja, Señor.« – »Ist der Besitzer zu Hause?« – »Er sitzt beim Monte und spielt um silberne Pesos.« – »Mit wem spielt er?« – »Mit einem fremden Señor aus der Hauptstadt.« – »Wie heißt dieser?« – »Ich habe den Namen wieder vergessen.« – »Cortejo?« – »Ja.« – »Sind noch andere Fremde bei euch?« – »Noch sechs Señores, die vorhin erst kamen. Sie liegen bei den Vaqueros und spielen auch, aber nicht um silberne Pesos.«
Jetzt galt es vor allen Dingen, die richtige Art und Weise zu finden, um Cortejo in die Hand zu bekommen. Einen Hausfriedensbruch zu wagen, davon konnte gar keine Rede sein, dennoch aber stimmten sowohl Sternau als auch Mariano dafür, direkt dem Haziendero vor das Haus zu reiten und zu sehen, was weiter zu machen sei.
Man hatte noch eine tüchtige Viertelstunde zu reiten, ehe man die Hazienda zu Gesicht bekam, aber vorher schon bemerkte man von weitem einige dunkle Punkte, die draußen über die Ebene jagten.
Als die Truppe dort ankam, trat ihnen der Besitzer entgegen.
»Ah, Señor Arbellez«, sagte er, indem ein unbeschreibliches Lächeln um seine Lippen spielte. »Was verschafft mir die so seltene Ehre, Herr Nachbar?«
Da drängte Sternau sein Pferd vor und antwortete an Arbellez‘ Stelle:
»Verzeiht, Señor! Ich bin hier fremd und suchte Señor Cortejo in der Hacienda del Erina. Ich erfuhr aber, daß ich zu Euch muß, um ihn zu finden. Ist er zu sprechen?«
Das Äußere Sternaus machte einen solchen Eindruck auf den Haziendero, daß sein Lächeln verschwand. Er erhob den Arm, deutete hinaus in die Ferne und antwortete:
»Tut mir leid, Señor. Cortejo ist vor kurzem aufgebrochen.« – »Wohin?« – »Ich weiß es nicht.«
Sternau nickte lächelnd vor sich hin. Es war ja leicht erklärlich, daß dieser Mann Cortejo nicht verraten würde. Es galt nur zu prüfen, ob er die Wahrheit gesprochen habe, als er sagte, daß Cortejo aufgebrochen sei. Darum fragte Sternau:
»Würde es uns erlaubt sein, für kurze Zeit auf dieser Hazienda zu rasten?« – »Gern«, antwortete der Mann. »Tretet näher, Señores!«
Diese Einladung war Beweis genug, daß Cortejo nicht mehr anwesend sei.
»Wer waren die Männer, die da nach Westen hinüber ritten?« fragte Sternau. – »Quien save – wer weiß es!« antwortete der Haziendero.
Es war seinem verschlagenen Gesicht recht gut anzusehen, daß er hätte antworten können, wenn er gewollt hätte. Sternau machte also kurzen Prozeß:
»Lebt wohl!« sagte er, indem er sein Pferd drehte. »Wir werden bald wissen, wer es gewesen ist.«
Er sprengte davon, und die anderen folgten ihm.
Sie schlugen dieselbe Richtung ein, in der sie den Reitertrupp bemerkt hatten; es war die Richtung nach der Schlucht des Tigers. Als sie den Wald erreichten, vermochten sie nur sehr langsam vorzudringen. Die Pferde hinderten das Fortkommen; auch mußten sie besondere Vorsicht anwenden, da die Gegner sich versteckt haben konnten, um die Verfolger aus der Verborgenheit heraus niederzuschießen. Sie gelangten jedoch glücklich an den Eingang der Schlucht. Hier ließ Sternau den Trupp halten, um die Spuren zu untersuchen. Er fand, daß die Vaqueros bereits hiergewesen waren, aber auch Spuren, die aus der Schlucht heraus in westlicher Richtung in den Wald hineinführten. Das war ganz sicher Cortejo mit seinen Leuten gewesen, und nun galt es, zu erfahren, wohin derselbe sich begeben habe.
Aus diesem Grund folgte Sternau mit seinen Leuten diesen Spuren. Dieselben führten immer tiefer in den Wald hinein, schlugen eine südliche Richtung ein und traten in derselben aus dem Wald hinaus in die baumlose Ebene.
Zur Sicherheit blieb man bis gegen Abend auf der Fährte und überzeugte sich während dieser Zeit, daß die Verfolgten die Absicht hatten, sich nach dem kleinen Städtchen El Oro zu begeben. Endlich hielt man beruhigt wieder inne, und Sternau sagte:
»Wir können umkehren. Diese Leute sind uns wenigstens für einige Zeit ungefährlich. Sie haben eine Lehre erhalten, die sie sich merken werden.« – »Ich werde Anzeige erstatten«, bemerkte der Haziendero. – »Was wird dies Ihnen helfen?« – »Nichts, ich weiß es wohl. Dieses von der Natur so reich gesegnete Land ist doch eins der unglücklichsten der Erde. Es wird von Parteien zerspalten und zerrissen, einer ist gegen den anderen, Gerechtigkeit ist nicht zu finden, es gilt das Recht entweder des Schlechteren oder des Stärkeren, und wer Genugtuung haben will, der muß sie sich selbst nehmen. Ja, lasset uns zurückkehren. Der Anschlag, der gegen uns gerichtet war, ist niedergekämpft worden, und man wird uns nicht so bald wieder beunruhigen.«
Sie erreichten die Hacienda del Erina, als es bereits längst dunkel geworden war.
11. Kapitel
Was Cortejo betrifft, so war er allerdings in der benachbarten Hazienda gewesen. Um seinen Zweck zu erreichen, hatte er eine der herumziehenden Freibanden, auf die er zufällig traf, in seinen Sold genommen. Diese Leute hatten zunächst die Aufgabe, Sternau und seine Begleiter unterwegs zu überfallen und zu töten, und als dies nicht gelang, da die Bedrohten von Büffelstirn gewarnt und sicher nach ihrem Ziel gebracht worden waren, so wurde der Überfall der Hazienda beschlossen, und man begab sich in die Nähe derselben, in die Schlucht des Tigers, dort jedoch wurden sie wieder von Büffelstirn belauscht und dann gar von diesem und Sternau ohne Gnade und Barmherzigkeit niedergemacht.
Cortejo fühlte sich zu vornehm, als daß er seinen Aufenthalt bei diesen Leuten hätte nehmen mögen, darum besuchte