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Winnetou 2. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Winnetou 2 - Karl May


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Nach St. Louis zurückkehren, um da auf Winnetou zu warten? Nein. Wer weiß, ob es ihm möglich war, dorthin zu kommen. Ich erkundigte mich nach einem abgehenden Schiffe. Es gab eines, einen Yankee, welcher die gegenwärtige ruhige Kriegslage benutzen wollte, nach Cuba zu gehen, wo ich Gelegenheit nach Deutschland oder wenigstens zunächst nach New York finden konnte. Ich entschloß mich kurz und ging an Bord.

      Vorsichtigerweise hätte ich mein Bargeld bei einer Bank gegen eine Anweisung umtauschen sollen; aber auf welchen Bankier in New Orleans war damals Verlaß! Dazu kam, daß es kaum die nötige Zeit dazu gab, weil ich nur kurz vor der Abfahrt des Schiffes hatte Passage nehmen können; ich trug also mein ganzes Geld bar in der Tasche bei mir.

      Um über dieses fatale Ereignis kurz hinwegzugehen, will ich nur sagen, daß uns des Nachts ein Hurrikan vollständig überraschte. Wir hatten zwar trübes, windiges Wetter, aber gute Fahrt gehabt, und nichts deutete am Abende auf einen gefährlichen Wirbelsturm. Ich ging also, ebenso wie die andern Passagiere, welche die Gelegenheit, aus New Orleans fortzukommen, auch benutzt hatten, unbesorgt schlafen. Nach Mitternacht wurde ich von dem plötzlichen Heulen und Brausen des Sturmes geweckt und sprang vom Lager auf. In diesem Augenblicke erhielt das Schiff einen so gewaltigen Stoß, daß ich hinstürzte und die Kabine, welche ich mit noch drei Passagieren teilte, mit ihrem ganzen Inhalte auf mich niederkrachte. Wer denkt in einem solchen Augenblicke an das Geld. Das Leben kann an einem einzigen Momente hängen, und bei der tiefen Finsternis und heillosen Verwirrung konnte lange Zeit vergehen, ehe ich meinen Rock mit der Brieftasche fand. Ich arbeitete mich also schnell aus den Trümmern heraus und eilte – nein taumelte nach dem Deck hinaus, denn das Schiff schlingerte und stampfte entsetzlich.

      Draußen sah ich nichts; es war stockdunkel; der Hurrikan warf mich augenblicklich nieder, und eine Sturzsee rollte über mich weg. Ich glaubte schreiende Stimmen zu hören, doch war das Heulen des Wirbelsturmes stärker als sie. Da zuckten kurz nacheinander mehrere Blitze durch die Nacht, die sie auf einige Augenblicke erhellten. Ich sah Brandung vor uns und jenseits derselben Land. Das Schiff hatte sich zwischen Klippen eingebohrt und wurde durch den Andrang der Wogen hinten hoch emporgehoben. Es war verloren und konnte jeden Augenblick auseinandergerissen werden. Die Boote waren fortgespült. Wo gab es Rettung? Nur durch Schwimmen! Ein neuer Blitz zeigte mir Menschen, welche, auf dem Deck liegend, sich an allen möglichen Gegenständen festhielten, um nicht von den Sturzseen mitgenommen zu werden. Ich hingegen war der Ansicht, daß man grad nur einer solchen See sich anvertrauen müsse.

      Da kam eine, scheinbar haushoch, heran, trotz der Dunkelheit durch ihren phosphoreszierenden Glanz zu erkennen. Sie erreichte das Schiff; dieses krachte, daß ich sicher war, es geht jetzt in Trümmer. Ich hatte mich an einem eisernen Träger festgehalten, ließ aber jetzt los; Herrgott, hilf, und rette mich! Es war mir, als ob ich von der See turmhoch emporgetragen würde; es drehte mich wie einen Ball im Kreise; es wirbelte mich in die Tiefe hinab und nahm mich wieder nach oben. Ich bewegte kein Glied, denn jetzt hätte mir alle Anstrengung nichts genützt, aber sobald die See das Land erreichte, mußte ich arbeiten, um nicht von ihr wieder zurückgerissen zu werden.

      Ich befand mich jedenfalls kaum eine halbe Minute in der Gewalt der stürzenden See, aber es dünkte mir, stundenlang zu sein. Da wurde ich von der gewaltigen Woge durch die Luft geschleudert. Sie spie mich aus und warf mich zwischen Felsen in ruhiges Wasser. Nur nicht wieder von ihr erfaßt werden! Ich stieß und strich aus Leibeskräften mit Armen und Beinen aus und schwamm mit einer Anstrengung, wie ich noch nie geschwommen hatte. Wenn ich soeben den Ausdruck »ruhiges Wasser« gebraucht habe, so war dies natürlich nur relativ gemeint. Die Sturzsee hatte mich über die Brandung hinweggetragen; ich hatte es nun nicht mehr mit haushohen Wogen zu tun, aber der Sturm wühlte und pflügte das Wasser doch so auf, daß ich auf und nieder und hin und her geworfen wurde wie ein leichter Kork in einem geschüttelten Wassergefäße. Es war ein großes Glück, daß ich das Land gesehen hatte. Ohne diesen günstigen Umstand wäre ich höchst wahrscheinlich verloren gewesen. Ich wußte, nach welcher Richtung ich zu schwimmen hatte, und wenn ich in dem fürchterlichen Aufruhr der Elemente auch nur geringe Fortschritte machte, so erreichte ich endlich doch die Küste, aber nicht in der Weise, wie ich es wollte. Die See war dunkel und das Land auch; ich konnte in der dichten Finsternis die eine nicht von dem andern unterscheiden, mir also keine zum Landen passende Stelle suchen und trieb mit dem Kopfe in der Weise gegen eine Klippe an, als hätte mir jemand mit einem Beil einen Hieb gegeben. Ich hatte noch die Geistesgegenwart, mich schnell an diesen Felsen emporzuarbeiten, und verlor dann das Bewußtsein.

      Als ich wieder zu mir kam, war der Hurrikan noch nicht vorüber. Mein Kopf schmerzte mich, doch beachtete ich dies nicht. Viel größere Sorge machte mir der Umstand, daß ich nicht wußte, wo ich mich befand. Lag ich auf dem festen Lande, oder auf einer aus dem Wasser ragenden Klippe? Ich durfte nicht von der Stelle fort, auf welcher ich mich befand. Sie war glatt und eben und ich hatte Mühe, sie zu behaupten, denn die Kraft des Sturmes war groß genug, mich wegzufegen. Nach einiger Zeit aber bemerkte ich, daß sie sich verminderte, und dann dauerte es, wie es bei derartigen Wirbelstürmen fast stets der Fall zu sein pflegt, gar nicht lange, so war der Hurrikan ganz plötzlich, wie mit einem Schlage, vorüber, der Regen auch, und die Sterne erschienen am Himmel.

      Bei ihrem Scheine konnte ich mich orientieren. Ich befand mich an der Küste. Hinter mir tobte die Brandung; vor mir sah ich einzelne Bäume stehen. Ich ging auf dieselben zu; sie hatten dem Sturme getrotzt; andere aber hatte er aus der Erde gerissen und niedergeworfen, oder gar streckenweit mit fortgenommen. Dann bemerkte ich einige Lichter, welche sich bewegten; da mußten Menschen sein, und ich beeilte mich, sie aufzusuchen.

      Sie befanden sich bei einigen Gebäuden, denen der Sturm arg mitgespielt hatte; von einem derselben hatte er das ganze Dach mit fortgenommen. Wie staunten die Leute, als sie mich erblickten! Sie starrten mich an, als ob sie mich für ein Gespenst hielten. Die See tobte noch so, daß wir brüllen mußten, um uns zu verstehen. Sie waren Fischersleute. Der Sturm hatte unser Schiff gegen die Tortugas getrieben, und zwar gegen diejenige Insel, auf welcher sich Fort Jefferson befindet. In diesem waren damals konföderierte Kriegsgefangene interniert.

      Die Fischer nahmen sich meiner auf das freundlichste an und versahen mich mit frischer Wäsche und den notwendigsten Kleidungsstücken, denn ich war nur so bekleidet, wie man sich während einer Seereise schlafen zu legen pflegt. Dann schlugen sie Alarm, denn es galt, die Küste nach andern vielleicht Geretteten abzusuchen. Es wurden bis zum Morgen sechzehn Personen gefunden. Bei dreien gelang es, sie ins Leben zurückzurufen; die andern waren tot. Als es Tag wurde, sah ich das Ufer mit angespülten Trümmern bedeckt; das Schiff war zerschellt; das Vorderteil des Rumpfes saß auf der Klippe, auf welche ihn der Hurrikan getrieben hatte.

      Ich war also ein Schiffbrüchiger, und zwar im vollsten Sinne des Wortes, denn ich besaß nichts, gar nichts mehr; das Geld, welches einem so Freude erregenden Zweck hatte dienen sollen, lag auf dem Grunde der See. Natürlich bedauerte ich diesen Verlust, doch nicht ohne mich über denselben zu trösten; ich selbst war ja gerettet worden, ich und noch drei von so vielen, gewiß ein großes Glück!

      Der Kommandant des Forts nahm sich unser an; wir bekamen, was wir brauchten, und mir erwirkte er die Gelegenheit, per Schiff nach New York zu gehen. Dort angekommen, stand ich ärmer da, wie damals, wo ich die Stadt zum erstenmal betreten hatte. Ich besaß nichts als den Mut, von neuem anzufangen.

      Warum hatte ich mich nach New York und nicht nach St. Louis gewendet, wo ich Bekannte besaß und wenigstens auf die Hilfe des alten Henry sicher rechnen konnte? Weil ich ihm schon so sehr zu Dank verpflichtet war und diese Verpflichtung nicht gern vergrößern wollte. Ja, wenn ich sicher gewesen wäre, Winnetou dort zu treffen! Dies war aber keineswegs der Fall. Seine Jagd nach Santer konnte monatelang und noch länger dauern, wo hatte ich ihn während dieser Zeit zu suchen? Ich war zwar fest entschlossen, wieder mit ihm zusammenzukommen; da mußte ich aber nach dem Westen, nach dem Pueblo am Rio Pecos, und um dies zu können, mußte ich mich vorher auf eigene Füße stellen. Bei den jetzigen Verhältnissen konnte mir dies, so war ich überzeugt, am besten in New York gelingen.

      Diese Voraussetzung täuschte mich nicht; ich hatte Glück. Ich machte die Bekanntschaft des sehr honorablen Mr. Josh Tailor, Dirigent eines damals berühmten Privatdetektiv-Corps, und bat ihn um Aufnahme in dasselbe. Als er hörte, wer ich war und was ich in der letzten Zeit getrieben hatte, erklärte er, eine Probe mit mir machen zu wollen, obgleich


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