Old Firehand. Karl MayЧитать онлайн книгу.
arl May
OLD FIREHAND
Old Firehand
»Mein Frühling ging zur Rüste,
Ich weiß gar wohl warum:
Die Lippe, die mich küßte,
Ist worden kühl und stumm.«
So klang es über die weite Ebene hin, und Swallow, mein wackerer Mustang, spitzte die kleinen Ohren, schnaubte freudig durch die Nüstern und hob graziös die feinen Hufe wie zum Menuett.
Warum grad‘ dieses Lied, welches ich zuletzt vor drei Monaten in Cincinnati von einer Tyroler Gesellschaft gehört hatte, mir über die Lippen tönte, ich weiß es nicht. Noch hatte mich kein Mund geküßt, und mein Frühling konnte also wohl beginnen, doch beileibe nicht schon zu Ende sein; aber das Leben war mir bisher Nichts gewesen als ein Kampf mit Hindernissen und Schwierigkeiten; ich war einsam und allein meinen Weg gegangen, unbeachtet, unverstanden und ungeliebt, und bei dieser inneren Abgeschiedenheit hatte sich eine Art Weltschmerz in mir entwickelt, zu welchem der klagende Inhalt dieser Strophen recht gut paßte.
Schon neigte sich die Sonne demjenigen Theile der Rocky-Mountains, welcher die Grenze zwischen Nebraska und Oregon bildet, zu, und noch immer ließ sich keine Senkung der mit gelbblühendem Helianthus übersäeten Ebene wahrnehmen. Das Pferd bedurfte der Ruhe; ich selbst war müde, und so sehnte ich mich je länger desto mehr nach New-Venango, wo ich mich von langer Wanderung einmal einen ganzen Tag lang gehörig ausruhen und die ziemlich alle gewordene Munition wieder ergänzen wollte.
Plötzlich hob Swallow das Köpfchen seitwärts und stieß den dampfenden Athem mit jenem eigenthümlichen Laute aus, durch welchen das ächte Prairiepferd das Nahen eines lebenden Wesens signalisirt. Mit einem leisen Rucke war es zum Stehen gebracht, und ich wandte mich auf seinem Rücken, um den Horizont abzusuchen.
Da, seitwärts von meinem Standorte, nahte ein Reiter, welcher grad‘ auf mich zuhielt und sein Pferd weit ausgreifen ließ, und da die Entfernung zu groß war, um genau unterscheiden zu können, so griff ich zum Fernrohre und gewahrte zu meiner nicht geringen Verwunderung, daß dieser Reiter nicht ein Mann, sondern ein Frauenzimmer sei.
»Alle Teufel, eine Dame, hier im ›far West‹, mitten in der Prairie, und gar mit Reitkleid und wehendem Schleier!« fuhr es mir über die Lippen, und erwartungsvoll schob ich Revolver und Bowiemesser, welche ich vorsichtig gelockert hatte, wieder zurück. »Oder ist‘s gar der ›flats-ghost‹, der Geist der Ebene, welcher auf feurigem Rosse über die Woodlands fliegen soll, um die weißen Menschen von den Jagdgründen ihrer ›rothen Brüder‹ zu vertreiben!«
Mit einigem Bedenken musterte ich meinen äußeren Adam, welcher mir allerdings nicht sehr courfähig erschien. Die Moccassins waren mit der Zeit höchst offenherzig geworden; die Leggins glänzten, da ich sie bei der Tafel als Serviette zu gebrauchen pflegte, vor Fett; das sackähnliche, lederne Jagdhemde verlieh mir den würdevollen Anstand einer von Wind und Wetter maltraitirten Krautscheuche, und die Bibermütze, welche mein Haupt bedeckte, hatte einen guten Theil ihrer Haare verloren und schien zu ihrem Nachtheile mit den verschiedenen Lagerfeuern intime Bekanntschaft gepflogen zu haben.
Aber ich befand mich ja nicht im Parkete eines Opernhauses, sondern zwischen den Black-Hills und dem Felsengebirge und hatte auch gar keine Zeit, mich zu ärgern, denn, noch war ich mit meiner Selbstinspektion nicht fertig, so hielt die Reiterin schon vor mir, hob den Griff ihrer Reitpeitsche grüßend in die Höhe und rief mit tiefer, reiner und sondrer Stimme:
»Good day, Sir! Was wollt Ihr finden, daß Ihr so an Euch herumsucht?«
»Your servant, Mistreß! Ich knöpfte mein Panzerhemd zu, um unter dem forschendem Blicke Eures schönen Auges nicht etwa Schaden zu leiden.«
»So darf man Euch wohl nicht ansehen?«
»Doch, doch, wenn mir die Erlaubniß zur Gegenbetrachtung wird.«
»Die sollt Ihr haben.«
»Danke; so wollen wir uns denn einmal nach Herzenslust begucken, wobei ich natürlich besser wegkomme als Ihr.« Und meinen Mustang auf den Hinterbeinen herumdrehend, setzte ich hinzu: »So, da habt Ihr mich von allen Seiten, zu Pferde und in Lebensgröße! Wie gefalle ich Euch?«
»Wartet ein Wenig und seht auch mich erst an!« erwiederte sie lachend, zog ihre Stute vorn in die Höhe und präsentirte sich durch eine kühe Wendung in derselben Weise, wie ich es gethan hatte. »Jetzt ist die Vorstellung eine vollständige, und nun sagt erst Ihr, wie ich Euch gefalle.«
»Hm, nicht übel, wenigstens scheint Ihr mir gut genug für diesen Ort hier. Und ich?«
»So la la! An dem ganzen Manne ist das Pferd das Beste.«
»Ihr seid eine Dame, folglich habt Ihr Recht. Ueberhaupt hat mich Eure Gegenwart hier mitten in der Prairie so perplex gemacht, daß ich nicht die nöthigen Worte finde, um Euch einen bessern Begriff von meiner Schönheit beizubringen.«
»Mitten in der Prairie? So seid Ihr wohl fremd hier?«
»Welche Frage – in der Wildniß!«
»Folgt mir, so sollt Ihr sehen, wie groß diese Wildniß ist.«
Sie wandte sich der Richtung zu, welche ich verfolgt hatte und ließ ihr Pferd vom langsamen Schritt durch alle Gangarten bis zum gestreckten Galoppe übergehen. Swallow folgte mit Leichtigkeit, trotzdem wir vom grauenden Morgen an unterwegs gewesen waren. Ja, das brave Thier schien zu bemerken, daß es sich hier um eine kleine Probe handle und griff ganz freiwillig in der Weise aus, daß die Reiterin zuletzt nicht mehr zu folgen vermochte, und mit einem Ausrufe der Bewunderung ihr Thier parirte.
»Ihr seid außerordentlich gut beritten, Sir. Ist Euch der Hengst feil?«
»Um keinen Preis, Mistreß.«
»Laßt das ›Mistreß‹ fort.«
»Dann Miß, ganz wie es Euch beliebt. Das Pferd hat mich aus so mancher Gefahr hinweggetragen, so daß ich ihm mehr als einmal mein Leben verdanke und es mir also unmöglich feil sein kann.«
»Es hat indianische Dressur,« sagte sie mit scharfen Kennerblicke. »Wo habt Ihr es her?«
»Ich erhielt es von Winnetou, einem Apachenhäuptling, mit welchem ich am Rio Suanca ein Weniges zusammenkam, zum Geschenke.«
»Von Winnetou? Das ist ja der berühmteste und gefürchtetste Indianer zwischen Sonora und Columbien! Ihr seht gar nicht nach einer solchen Bekanntschaft aus, Sir?«
»Warum, Miß?« fragte ich mit offenem Lächeln.
»Ich hielt Euch für einen Surveyor (Feldmesser) oder etwas Derartiges, und diese Leute sind zwar oft recht gute Schützen, aber sich mitten zwischen Apachen, Nijoras und Navajoas hineinzuwagen, dazu gehört schon ein Wenig mehr. Eure blanken Revolver, das zierliche Messer da im Gürtel und die Weihnachtsbüchse dort am Sattelriemen oder gar noch Eure Paradehaltung auf dem Pferde stimmen wenig mit Dem überein, was man an einem ächten und rechten Trapper oder Scatter zu bemerken pflegt.«
»Ihr sollt wieder Recht haben, und ich gestehe offen, daß ich auch nur so eine Art Sonntagsjäger bin; aber die Waffen sind nicht ganz schlecht. Ich habe sie in Front-Street, St. Louis gekauft, und wenn Ihr auf diesem Felde so zu Hause seid, wie es scheint, so müßt Ihr auch wissen, daß man dort für gute Preise auch gute Waare bekommt.«
»Diese Waare aber zeigt ihre Güte erst beim rechten Gebrauche. Was sagt Ihr zur dieser Pistole?«
Sie zog bei diesen Worten ein altes, verrostetes Schießinstrument aus der Satteltasche und hielt es mir zur Besichtigung hin.
»Hm, das Ding stammt jedenfalls noch von Anno Poccahontas her; aber es kann doch gut sein. Ich habe Indianer oft mit dem miserabelsten Schießzeuge zum Verwundern umgehen sehen.«
»Haben sie auch Das fertig gebracht?«
Sie warf das Pferd zur Seite, schlug im raschen Trabe einen Kreis um mich, hob den Arm und drückte auf mich los, ehe ich nur eine Ahnung von ihrer Absicht haben konnte.
Ich fühlte einen leisen Ruck an meiner Kopfbedeckung und sah zu gleicher Zeit die Helianthusblüthen, welche ich mir an die Mütze gesteckt hatte, vor mir niederfliegen. Es schien mir ganz, als wolle die sichere Schützin sich darüber informiren, was von meiner Sonntagsjägerei