Die Sandwich-Inseln. Anrep-Elmpt ReinholdЧитать онлайн книгу.
Fläche reitet, wenn nicht hin und wieder der Ocean, der stellenweise in Sicht, jedes Mal tiefer liegend erscheinen würde.
Nicht die geringste Spur von Dampf oder leuchtender Atmosphäre ist zu sehen, noch Schwefelgeruch zu spüren, so dass man unwillkürlich glaubt, entweder eine falsche Richtung eingeschlagen zu haben oder noch weit entfernt vom Kilauéa-Becken zu sein.
Vor uns liegt der in Wolken gehüllte Gipfel des Maúna-Lóa, rechts die volle Sicht des breiten Maúna-Kéa.
Um ½5 begann ein merkwürdiges Rauschen, Zischen und unaufhörliches, unterirdisches Rollen. Je mehr wir vorwärts schritten, desto intensiver wurde das Zischen, welches ähnlich dem eines Bleigusses in Wasser ist, und desto häufiger spürte man das gewaltige Erdröhnen der Erde und die Luft begann nach Schwefel oder richtiger gesagt nach Glüheisen zu duften.
Circa 3 engl. Meilen vor dem Kraterhause bildet sich aus dem fast spurlosen Wege ein gut erhaltener. Dieser Weg führt uns wieder durch einen üppig hochwüchsigen Wald, durch zahlreiche auffallend dampfende Stellen, welche aus dem üppigen Grase und der hier so mannigfaltigen Farrn-Vegetation hervorqualmen und die uns unser Ziel sichtbar zu erkennen geben.
Um ½6 endlich hielten wir nach zurückgelegten guten 18 engl. Meilen von Olaá ab, auf einer Höhe von circa 4407 Fuss über dem Meeresspiegel, vor dem überraschend stattlichen Kraterhause bei einer Temperatur von 61 Grad Fahrenheit im Schatten und Windschutze.
Das Haus besteht in seiner Front einerseits aus vier Gastzimmern und einem Gesellschaftszimmer („Parlor-Room“) mit Ausgängen auf eine breite Veranda und vollster Sicht auf den Vulkan d. h. das „Kilauéa“ – Becken. Vier Gastzimmer und das Speisezimmer haben ihren Ausgang und Sicht nach hinten. Die andere Seite des Hauses bilden die Wohnzimmer, die Küche etc., des Verwalters.
Es ist ein grosses einstöckiges Gebäude, dessen Wände und das Dach aus Schindeln bestehen.
Der Krater war diesen Tag höchst aufgeregt, und die grasreiche Umgegend dampfte stark. Obgleich der Wind von unserer Seite, d. h. gegen den Krater wehte – was, wie man mir sagt, ein gewöhnlicher Fall ist – war demungeachtet ein starker Schwefelgeruch zu spüren.
Nach einem guten Abendessen bei lustigem Feuer im Kamine des Gesellschaftszimmers, verbrachte ich den Abend bei prachtvoll speiendem Feuerspiel und lautem Brausen und Zischen der wüthenden „Péle“, der althawaiischen Göttin des Kilauea-Kraters.
Den folgenden Morgen, den 5. August, erwachte ich nach überaus lebhaften Träumen über Feuermeere und sternfunkelnden Himmel um 6 Uhr, und um ½7 zog ich nach kräftigem Frühstück mit meinem Führer dem Krater zu.
Nach einer schroffen Niedersteigung langten wir um ¾7 an der Kante des Lava-Sees an, welche 1150 Meter über dem Meeresspiegel, demnach 174 Meter tiefer als das Kraterhaus liegt.
Von hier ging es sofort springend über Spalten und Risse, über sich rührende Schollen und fliessende Lavaströmungen.
Die erst heisse Unterlage wurde allmählich glühend, so dass mein Stab zu brennen anfing und eine silberne Münze, die ich niederlegte, in unglaublicher Geschwindigkeit geschmolzen war.
Nach zurückgelegten 4 englischen Meilen einer glühenden Fläche erreichten wir in einer Stunde, d. h. um ¾8 die 1200 Meter über dem Meeresspiegel liegende schwülstige Kante des wogenden Feuerbeckens.
Unter uns – nicht tiefer als 25′ – tobte sichtlich die unheimliche Glühmasse, die, bald hoch sich hebend, ihre Umfassung vernichtend beleckte, bald wüthend mit einstürzenden Theilen derselben in sich selbst versank, um von Neuem aus sich selbst sofort wieder gewaltig sich zu erheben.
Aus dieser unaufhörlich auf und nieder wogenden Tiefe entfaltet sich eine derartige Hitze, dass man nur kurzweilig hineinblicken kann, um die Farbe der glühenden Masse mit ihren sonderlichen Schattirungen genauer zu betrachten.
Die Farbe derselben ist gleich der einer schäumenden Mischung von Blut und Milch, in der hin und wieder sich dunkelbläuliche, in den verschiedensten Farben schimmernde Durchzüge zeigen, die die Masse gleich Adern langsam durchziehen und allmählich gleichwie auseinander gehend, sich mit ihr vermischen.
Das beständige Donnern, Dröhnen, Schmatzen, Zischen, Lechzen, Stöhnen und Keuchen der Tiefe, das oftmalige Erdröhnen, das höchstgewaltige Erdbeben unserer Unterlage und dem folgend, das hastige Hinausspeien – so dass oft Tropfen der Glühmasse zu unseren Füssen niederfielen, die bald darauf als erkaltete Lava in den eigenthümlichsten Formen von uns gesammelt werden konnten – namentlich aber das oftmalige plötzliche Einstürzen unserer unmittelbaren Grundumgebung erweckten unwillkürlich ein grausiges Gefühl der Unsicherheit, aber auch zugleich dasjenige des Erstaunens in uns.
Unwillkürlich fühlt man sich geneigt, bei dem Anblick dieses ernsten Schauspieles der Natur gleich den Hawaii-Kanaken auszurufen: „Lúcu lúa Péle a lohá,“ d. h.: „Vernichtendes Loch Péle, sei gegrüsst!“
Um 8 verliessen wir das mir unvergessliche Schauspiel und trotz verkohltem Stabe, verkohlten Sohlen und gesengtem Haare gereute mich der Gang nicht, der obgleich heiss und theilweise gefahrvoll, jedoch unbeschwerlich und vom grössten Interesse war. Nirgends in der Welt ist es möglich, unter den gleichen klimatischen Verhältnissen, so leichtem Erreichen und in so unmittelbarer Nähe das glühende Centralelement in seiner gewaltigsten Action beobachten zu können.
Um ½10 war ich wieder unter dem Schutze der stets frischen, luftigen Veranda, um mich mit Sodawasser und Brandy zu erquicken und einige Gedanken der Erinnerung in das Fremdenbuch einzutragen.
Die Sicht des vor einem liegenden, tobenden Lavasees, seiner weit im Umkreise dampfenden Umgebung – dampfend aus dem See, aus dem üppigen hohen Grase und aus der so mannigfaltigen Farrn-Vegetation der links nach Hilo zu dicht bewaldeten Gegend – rechts die Sicht der unwirthlichen Abhänge des Maúna-Lóa mit seinen die gewaltige Macht des verwüstenden vulkanischen Elementes klar beweisenden, wilddurchworfenen oder schichtenweise gestapelten, oder in Flächen glatt gelagerten Lavagebilden, die weit ausgebreitet und allmählich steigend in unabsehbare Ferne sich entfalten: dies Alles begeistert und erhebt unwillkürlich die Stimmung des Menschen zur Bewunderung der gewaltigen Constellationen der Kräfte der Natur im Schaffen, Vernichten und im Wiederschaffen durch das Vernichten.
Der Maúna-Lóa liegt im Centrum des südlichen Theiles der Insel Hawaii, erhebt sich bis 13,430′ über den Meeresspiegel und ist mit seinen zahlreichen Kratern der einzige noch thätige Vulkan der Insel. Seinen Gipfel bildet ein Krater, dessen Umkreis 24 engl. Meilen beträgt und dessen innere Böschungen eine Tiefe von 1270′ ergeben sollen. Dieser Central-Krater ist beständig activ, jedoch soll derselbe laut urältester Tradition nie über seine Oeffnung ausgetreten sein. Nur starke Gase entsteigen ihm beständig und hin und wieder Aschenauswürfe. Seine Eruptionen entfaltet er in gewaltigster Art aus den zahlreichen tiefer liegenden Nebenkratern seiner Abhänge, unter denen der bemerkenswertheste der vorhin beschriebene Kilauéa ist, der am südlichen Abhange des Maúna-Lóa gelegen und in seiner Art einzig in der Welt dasteht.
Der „Kilauéa“ – Krater oder richtiger die „Kilauéa“ – Lava-Krater haben einen Umfang von 3,867,500 □ M. oder 3,8675 □ Kilometer halbwegs verhärteter Oberfläche, durch oder über welche zahlreiche offene Lavaströmungen schlängelnd sich wälzen. Diese ganze Oberfläche befindet sich meist in einem elastischen, wellenförmigen sich Heben und Senken, starke Spalten und hin und wieder bewegliche, schollenartige Theile bildend, denen qualmend erstickende Gase entsteigen.
Dieser Lavasee ist umgeben von einem fest zusammenhängenden wallartigen Kranz, dessen steiler Abhang höchst unregelmässig in seiner Höhe ist. Im N. N. O. erhebt sich derselbe bis circa 644′ über das Niveau des Sees oder 4104′ über den Meeresspiegel, in S. S. W. bis circa 1000′ über den See oder 4470′ über den Meeresspiegel. Das Gebilde des Kranzes besteht aus Lavageröll oder aus saigeren und frischen Schlacken-Gebilden.
Im Lavasee befinden sich 6 Krateröffnungen, von welchen die grösste die ist, an deren Oeffnung wir die Möglichkeit fanden, auf verhältnissmässig sicherer Unterlage einen Blick in die Tiefe des vulkanischen Elementes zu werfen. Diese Oeffnung ist umgeben von einem 150′ hohen Wall, den sogenannten Hále-maú-maú, (d. h. die Palastgründe). Von diesem Wall wurden