Reise durch den Stillen Ozean. Max BuchnerЧитать онлайн книгу.
dieser grossen verfolgten uns oft noch zwei andere kleinere Arten, eine weisse mit schwarzen Flügeln und schön orangefarbenem Schnabel und eine ganz schwarze mit weissgerändertem Schnabel. Von den letzteren schoss ich einmal zwei Exemplare aufs Deck herab. An Kaptauben sahen wir niemals eine beträchtlichere Anzahl. Häufiger waren die niedlichen Sturmvögel, die uns namentlich bei unruhiger See schaarenweise begleiteten.
Um dieselbe Zeit ungefähr fing ich zum ersten mal Pyrosomen oder Feuerwalzen mit dem Schleppnetz. Es sind dies sackförmige Thierkolonien aus der Klasse der Tunikaten, von etwa 20 Zentimeter Länge und 5 Zentimeter Durchmesser. Bei Tage sieht man sie kaum, bei Nacht aber leuchten sie, so dass man das Netz auf sie dirigiren kann. Brachte ich die wurstartigen Gebilde in einen Eimer und liess sie ruhig stehen, so erloschen sie bald und waren unsichtbar, stiess man aber an den Eimer, so erglühten sie und leuchteten mit grünlichem Schein, hell genug, um bei dem Licht von drei oder vier Stück ohne sonderliche Anstrengung lesen zu können. Deshalb sind sie auch fast nur im strudelnden und schäumenden Kielwasser zu bemerken.
Jetzt da unsere Reise sich ihrem Ende näherte, beschäftigte mich noch ein anderer Gegenstand, der sich auf die Ventilation von Schiffen bezog. Schon oft hatte ich von Seeleuten gehört, dass im Innern eines segelnden Schiffes stets ein Luftstrom in der dem Winde entgegengesetzten Richtung wehe. Um diese sehr paradox klingende Behauptung, welche sich auf Erfahrungen über den Weg, den Gerüche aus dem Laderaum nehmen, stützte, zu untersuchen, benutzte ich, da ich leider kein Anemometer besass, und ein solches bei den vielen sich kreuzenden lokaleren Luftströmchen auch vielleicht kein deutliches Bild der Bewegung im Allgemeinen gegeben hätte, die Temperatur der Luft an verschiedenen Stellen des Zwischendecks, von der wohl nicht zu bestreitenden Annahme ausgehend, dass sie da wo sie kälter sei, ein-, und da wo sie wärmer sei, ausströmen müsse.
Einen der Missionäre hatte ich schon bei Madera beauftragt, täglich dreimal die Stände der vier Thermometer, von welchen einer oben in der Kajüte und drei im Zwischendeck vertheilt waren, sowie die jeweilige Richtung des Windes zum Schiff zu notiren. Wenn ich auch hiebei die Entdeckung machen musste, dass dieser protestantisch orthodoxe Apostel des Glaubens gleich seinen drei Kollegen weniger ein Mann von Intelligenz und Bildung als ein zum Predigen und Vorbeten und zum Fanatismus abgerichteter Bauernkerl war, so gelang es mir doch nach einigen mühseligen Anleitungen, ihm das Geheimniss des Thermometerablesens beizubringen.
Ich stellte nun die Aufzeichnungen zusammen und fand zu meiner Genugthuung jene interessante Eigenthümlichkeit theilweise bestätigt. So oft wir mit vierkant gestellten Raaen vor vollem Winde segelten, war hinten im Schiff die Luft wärmer als vorne, das heisst, hier kam sie an, nachdem sie bereits das ganze Zwischendeck durchzogen hatte. Namentlich in den Weststürmen des südlichen Indischen Ozeans zeigten sich die konstantesten Unterschiede bis zu zwei Zentigraden. Erklären liess sich dies vielleicht dadurch, dass beim Segeln vor dem Winde von den Untersegeln meist nur das vorderste, die Fock, ausgespannt ist, während die beiden anderen aufgegeit oder festgemacht sind, und dass in Folge dessen der Luftstrom, der über das Schiff fegt, von der schräge nach vorne geneigten Ebene der Fock nach unten und in die vorderste Zwischendeckslucke zurückgeworfen wird. Nicht ganz so deutlich waren die Resultate, wenn wir beim Winde segelten, und ich werde mir diesen Theil der Angelegenheit künftighin nochmal vornehmen müssen.
Am 5. März erreichten wir die Länge von Tasmanien unter 49 Grad südlicher Breite. Gegen Abend bekamen wir wieder flauen Wind, und ich warf mein Netz über Bord, zum ersten mal ohne etwas Makroskopisches zu fangen. Als ich Wasser in einem Eimer heraufholte und mit der Hand bewegte, glitzerte es darin von hundert leuchtenden Punkten wie gewöhnlich.
Es galt die Frage zu entscheiden, sollen wir den näheren aber weniger sicheren Weg durch die Cooksstrasse nach Wellington einschlagen, oder auf dem weiteren aber glatteren um die Südspitze der Südinsel Neuseelands herumgehen. Der Kapitän wählte das Letztere, und wir behielten unseren Kurs Ost zu Nord bei.
V
ANKUNFT IN NEUSEELAND UND QUARANTÄNE
Zum ersten mal Grund. Neuseeland erscheint. Die ersten Zeitungen. Ankunft des Lootsen. Der Anker fällt. Pulverunglück. Die Hafenbehörde. Sturm und Landungsschwierigkeiten. Bewegtes Dasein. Aufruhr der Elemente und der Menschen. Mitternächtige Todtenbestattung. Ruhigere Zeit. Die idyllische Insel. Ueberall »Billig und schlecht«. Zoologisches. Endlich frei.
Das Geklirr der Ankerketten verkündete uns die freudige Botschaft, dass das Ziel nahe sei. Sie waren seit Europa vorne im Zwischendeck begraben gewesen. Nun wurden sie wieder auf Deck geholt und klar gemacht.
Nach dem Besteck waren wir auf der Höhe von Neuseeland. Ob wir es auch in Wirklichkeit waren, musste sich jetzt herausstellen. Meine Zweifel in dieser Hinsicht entbehrten nicht der Begründung. Denn das Chronometer konnte seinen Gang verändert haben, und eine Kontrole durch Monddistanzen hatte es niemals erfahren.3
Der Horizont war bewölkt, von Land keine Spur zu sehen. Es wurde gelothet, und mit grosser Spannung erwartete ich das Resultat. Wir bekamen wirklich und wahrhaftig Grund. Die Leine zeigte 50 Faden Tiefe, an dem Talg in der unteren Aushöhlung des Lothes klebten Fragmente von kleinen Muscheln und Korallen. Mit grosser Andacht beguckten wir alle dieses vorläufige Stückchen Neuseeland. Niemand aber war froher als der Kapitän, dem sein Chronometer eine seltene Treue bewährt hatte.
Erst vier Tage später, am 17. März, erblickten wir das Land der Antipoden selbst. Noch vier Tage mussten wir bei kaltem unfreundlichem Wetter unter der Küste desselben aufkreuzen ohne es in Sicht zu bekommen, als an jenem Morgen endlich das Gewölk zerriss und, rings gegen den Horizont hinabsinkend, dicht vor uns schöne hohe Berge mit glitzernden Schneegipfeln, wunderbar duftig im warmen Sonnenschein enthüllte. Das Ziel einer viermonatlichen ermüdenden Seereise hätte uns nicht reizender und überraschender vor Augen treten können. Aber wäre der erste Anblick des lang und heiss ersehnten Landes auch weit weniger vortheilhaft gewesen, als das Wahrzeichen der Erlösung von den Widerwärtigkeiten des Schiffslebens, wäre er gewiss mit ebenso grossem Entzücken begrüsst worden.
Es waren die kahlen Felsenmassen der Banks Peninsula, jenes mächtigen Gebirgspfeilers an der Ostseite der Südinsel, welche aller Augen gefesselt hielten, bis sie hinter uns verschwanden. Ein frischer Süd sprang auf und führte uns rasch nordwärts, Wellington, dem Bestimmungshafen, entgegen.
Doch die ungewohnte Schnelligkeit der Fahrt dauerte nur kurze Zeit. Mittags schlief der Wind wieder ein, die Segel fingen wieder an, an den Masten herumzuklappern, und bald lag die See wieder ebenso spiegelglatt und todesstille unter einer stechenden Sonne da, wie wir sie so oft zu sehen Gelegenheit gehabt hatten. Albatrosse setzten sich faul aufs Wasser, paddelten neugierig an das ruhigliegende Schiff heran und stritten sich schnatternd um die über Bord geworfenen Abfälle oder auch um die Angel, mit der wir einen dieser dummen Vögel nach dem anderen einzogen.
Etwa fünf Seemeilen entfernt trieb ein kleiner Schuner, wahrscheinlich ein Küstenfahrer, und unser Kapitän fuhr in der Jolle hinüber, um Erkundigungen einzuziehen. Nach drei Stunden kam er zurück und brachte mir ausser einem Albatross, den er mit der Hand gefangen, und einer vollen Ladung aufgefischten Seetanges, welcher von Mollusken und Krustern wimmelte, als werthvollste Gabe Zeitungen mit, die, wenn auch bereits vierzehn Tage alt, für uns nach vier Monaten die ersten Nachrichten aus der Mitwelt enthielten. »Greymouth Argus« nannte sich das Blatt, welches sich übrigens zur allgemeinen Enttäuschung wenig um das alte Europa kümmerte. Nichts von dem theuren Vaterlande, nichts von dem schönen Frankreich war zu finden, woraus wir schlossen, dass wenigstens kein ernstlicherer Krieg mittlerweile ausgebrochen sei. Nur die Erklärung des Don Carlos, im Fall eines Konfliktes zwischen Spanien und Amerika neutral bleiben zu wollen, gab die einzige Kunde aus der Politik Europas. Dagegen schienen Kricket und Football in Greymouth eine grosse Rolle zu spielen. Denn die meisten Kabeltelegramme von Neuseeland und Australien beschäftigten sich mit Resultaten solcher nationalen Wettkämpfe.
Die Jolle war gerade zur rechten Zeit heimgekehrt. Der Himmel überzog sich mit dicken Wolken, und einzelne Windstösse aus Osten deuteten auf das Herannahen eines Sturmes. Als es dunkel geworden, wehte es so heftig, dass die meisten Segel festgemacht werden mussten, aber die stürmische Brise war günstig und schob das Schiff ungestüm durch die aufgeregten Wogen,
3
In den nautischen Almanachen sind für das ganze Jahr von je drei zu drei Stunden Greenwichzeit die Distanzen des Mondes von der Sonne und anderen gerade brauchbaren grösseren Sternen angegeben. Indem man nun mit dem Sextanten solche Distanzen misst, lässt sich das Schiffschronometer, welches Greenwichzeit zeigen soll, darauf prüfen.