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Reise durch den Stillen Ozean. Max BuchnerЧитать онлайн книгу.

Reise durch den Stillen Ozean - Max  Buchner


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hineinragt und nur durch einen schmalen, theilweise von Menschenhand gebildeten Deich mit dem Hauptland zusammenhängt. Nach innen eine Lagune, nach aussen der weite Ozean, ohne Unterlass seine Wogen gegen flache Dünen heranrollend, sind die Begrenzungen. Falls die Brandung hier jahraus jahrein mit derselben Heftigkeit fortdonnert, wie ich sie während der zwei Tage meines Aufenthalts gehört, beneide ich die Bewohner Napiers nicht um ihre so malerische Lage. In den Häusern am Strande konnte man damals nur schreiend und mit dreifachem Kraftaufwand konversiren.

      Ein Theater in »Oddfellows Hall«, ein Lesekabinett »Athenäum« genannt, wie es in jedem Städtchen Neuseelands zu finden ist, eine Irrenanstalt und ein Gefängniss, die Post und die Provinzialregierung sind die öffentlichen Gebäude, alle natürlich von Holz, aber stylvoll konstruirt, um welche sich, theils zu geschlossenen sauberen Strassen gereiht, theils mit Gärten umgeben, Häuser jeglichen Grades von Kultur gruppiren bis hinab zu den aus Brettern und Leinwand, aus Blechfetzen und Pappendeckel lumpig zusammengeflickten Hütten der ärmeren Maoris.

      Es giebt viele Maoris hier und in der Umgebung, und manche von ihnen erfreuen sich grosser Wohlhabenheit und leben vollkommen europäisch. Braune Kavaliere und Damen zu Pferd scheinen zu den häufigen Erscheinungen zu gehören. Die Männer sitzen stets tadellos im Sattel und sind oft prächtige, martialische Gestalten. Den Weibern aber fehlt trotz des wallenden, langen Kleides, trotz des Zylinderhutes mit fliegendem Schleier und trotz der zierlich in behandschuhter Hand gehaltenen Reitgerte jene leichte Grazie, die uns englische Amazonen in Hyde Park so anziehend macht. Ihre Züge sind unweiblich grob, ihr schwarzer Haarwust meist nicht genug gepflegt, und in allen Bewegungen ist soviel Urwüchsiges, Eckiges, dass ihr Vornehmthun höchstens komisch, wenn nicht gar abgeschmackt wirkt.

      Da wo die Lagune sich in die See öffnet, ist der Hafen. Nur wenige und nur kleinere Fahrzeuge lagen in ihm, als ich ihn besuchte. Einsamkeit liebende Kormorane trieben sich daneben herum und fischten, so tief im Wasser schwimmend, dass blos die schlangenförmig langen Hälse herausguckten und an Ringelnattern erinnerten, die in einem Sumpf auf Frösche Jagd machen. Mehr menschliches Treiben herrschte in einigen Werkstätten am Kai, in denen eifrig an Dampfkesseln gehämmert wurde, und um die herum eine kleine Vorstadt im Aufblühen begriffen war.

      Von Napier ging es in zwei Tagereisen nach Tapuaeharuru am Taupo-See. Da man mir sagte, dass die Postkutsche schon des Morgens um 5 Uhr von einem isolirten Wirthshaus an der anderen Seite der Lagune abfahren sollte, verliess ich den Abend vorher das schöne, vortreffliche Kriterion Hotel und quartierte mich drüben ein. Ich lernte in diesem Wirthshaus eine Spelunke kennen, welche von einem Schotten gehalten, nicht nur mit dem Kriterion Hotel, sondern auch mit Allem, was ich jemals von englischem Komfort und englischer Reinlichkeit gesehen, den diametralsten Gegensatz repräsentirte.

      Nach einer sehr schlechten Nacht wurde ich nebst vier Reisegefährten, die sich noch nach mir eingefunden hatten, endlich um vier Uhr, als es noch dunkel war, geweckt und genöthigt, ein Frühstück zu nehmen oder vielmehr blos zu bezahlen, da keiner in so zeitiger Stunde und bei dem überall im Hause herrschenden Gestank essen konnte. Es war dies eine unverschämte Tyrannei des mit den Wirthsleuten im Bunde stehenden Kutschers, der uns zwei Stunden später, als wir alle Hunger hatten, an einem freundlich aussehenden Gehöft vorbeitrieb und gleichsam höhnisch bemerkte, dass dies ehemals die Frühstücksstation gewesen sei, dass er aber den Eigenthümer für irgend einen Zwist durch Entziehung der betreffenden Einnahme gestraft habe.

      Unsere Fahrt begann unter keineswegs heiteren Auspizien. Der Wagen war den zu überwindenden Terrainschwierigkeiten angemessen beiderseits einen Fuss schmäler als die Radaxen und gewährte kaum vier Passagieren hinreichend Raum im Innern. Es regnete, keiner wollte auf dem Bock aussen sitzen, und alle fünf drängten sich innen zusammen, alle fünf nervös durch Hunger und dementsprechend unliebenswürdig.

      Von Gegend war wenig zu sehen, und eine Hecke von mächtigen Agaven, womit man ein Stück angepflanztes Land zum Schutz gegen weidende Rinder und Pferde umzäunt hatte, war lange Zeit das einzige Interessante. Es überraschte mich, dass diese Abkömmlinge der Wüste in einem so feuchten Lande ganz gut zu gedeihen schienen.

      Der Weg hörte bald auf, einer im europäischen Sinn zu sein. Wir fuhren durch eine Schlucht aufwärts, durch welche ein Fluss in einem kiesigen Bett sich herabschlängelte, welchen wir fast jede Minute, das Wasser hoch emporspritzend, passirten, jetzt nach dieser, dann nach jener Seite, da das uns als Strasse dienende flache Ufer bald links bald rechts von den Windungen angeschwemmt war. Meine Gefährten behaupteten, wir müssten fünfzig mal durch den Fluss, es wird aber wohl nicht viel öfter als zwanzigmal gewesen sein. Nur zweimal kam das Wasser in die Kutsche, und hatten wir die Beine aufzuheben um trocken zu bleiben.

      Da der Wagen sehr eng und unbequem, und die Mitpassagiere sehr breit und rücksichtslos waren, kam mir ein steiler Berg äusserst erwünscht, um auszusteigen und zu Fuss vorauszugehen. Je höher ich kam, desto seltener wurde Phormium, Kohlbaum und Gebüsch und desto ausgedehnter dichtes Farnkraut bis schliesslich ringsum nichts anderes mehr zu sehen war, als jene eigenthümliche, einförmige Farnhügellandschaft, wie sie wohl nur in Neuseeland vorkommt.

      Sie wirkt durchaus unmalerisch, diese Farnhügellandschaft. Ueberall weiche, wellenförmige Konturen und ebenso weiche, unbestimmte Schatten, nirgends eine kräftige Linie, nirgends eine markirte, dunklere Tiefe, alles ist düster olivengrün. Man sieht weit über niedrige Hügel und seichte Thäler. Hier und dort sind vielleicht aus Zufall, vielleicht zu Kulturzwecken grössere Partien abgebrannt und heben sich als schwarze landkartenartige Flächen, mit unregelmässig gebuchteten Konturen halbversengten röthlichen Farnkrautes umsäumt, von der monotonen Umgebung ab. Dies und vorüberjagende Nebelmassen brachten allein einiges Leben in das melancholische Bild. Der Regen hatte zwar aufgehört, aber der Himmel war grau, und immer kälter und feuchter wurde die Luft, und der Dampf, der den mühsam die Kutsche heraufschleppenden Pferden entstieg, war mehrere Minuten sichtbar, ehe diese selbst zwischen den Farnböschungen der lehmigen Strasse auftauchten. Nicht ganz parallel mit dieser und mehr in gerader Linie läuft der Telegraph auf und nieder durch die Wildniss, schon von ferne die Richtung zeigend, die wir einschlagen, und die Höhen, die wir noch erklimmen müssen. So einsam und todesstille war die Gegend, dass es ordentlich überraschend und befremdend war, einem Menschen zu begegnen.

      Erst als es wieder abwärts ging, einen sehr gefährlichen Absturz hinab, erschienen mehr Spuren von Zivilisation, und endlich auch das heissersehnte Mittagessen in einem Hotel am Saume der Buschregion. Mit Staunen sahen wir zurück auf die Bergkanten und die sie verschleiernden Wolken, aus denen wir gekommen waren.

      Blockhäuser und Pallisadenbefestigungen traten auf, sowie Soldaten der Konstabulary Force, die hier in kleineren Abtheilungen theils zum Strassenbau, theils vielleicht auch zum Schutz gegen die Eingeborenen, denen man noch nicht recht traut, an der ganzen Poststrasse entlang stationirt sind.

      Diese Soldaten tragen viel zur Rassenkreuzung bei. Ein Maoriweib mit einem halbweissen Kind bat den Kutscher, ob sie nicht eine Strecke mitfahren dürfe, und wir nahmen sie zu uns in den Wagen, wo sie sehr verlegen in der Mitte auf den Boden sich niederkauern wollte und nur ungern die Kniee eines der Gefährten als Sitz akzeptirte. Ihre Schüchternheit schien mir indess mehr Furcht vor Verachtung und schlechter Behandlung als keusche weibliche Zurückhaltung zu sein.

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