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Rittmeister Brand; Bertram Vogelweid. Marie von Ebner-EschenbachЧитать онлайн книгу.

Rittmeister Brand; Bertram Vogelweid - Marie von Ebner-Eschenbach


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die sich ihr übermüthig im Nacken kräuselten, und dachte: Teufel, Teufel, ich hab das Frauenzimmer alle Tage lieber!

      »Wieso hat er denn vergessen ins Gasthaus zu gehen?«

      Ja, Peter würde es sagen, wenn er’s wüßte. Der Herr kam nach Hause um eine halbe Stunde früher als sonst und: »Ich seh’ ihm’s gleich an, daß er noch nicht gespeist hat.«

      »Was Du ihm nicht Alles ansiehst!«

      »Natürlich, was ich ihm nicht Alles anseh’. Auch gleich, daß er nicht zugeben will, daß er vergessen hat, und wie ich sag’: »Haben denn gespeist?« sagt er: »Esse heute nicht; bring Thee und Cigarretten.« Den Speisezettel kenn’ ich von damals, wo er verliebt gewesen ist. Ich hab’ aber immer etwas dazu gegeben, und er hat’s hinunter geschlungen in der Zerstreutheit.«

      Peter lief davon, und seine Frau rief ihm nach: »Du, zum Hinunterschlingen hätt’s ein mageres Hendel auch gethan. Verliebt, der alte Brand?« Es kam ihr unglaublich lächerlich vor. Aber, dachte sie, so übel wär’s am End’ nicht, vielleicht thät’ er sich dann weniger hineinmischen in der Erziehung von meinem Peterl.

      Und wirklich kümmerte sich Brand in den nächsten Tagen ein bißchen weniger um Peterls physisches und moralisches Wohlergehen. Seine Gedanken waren augenscheinlich von etwas Bezwingendem erfüllt, das ihn manchmal erheiternd, manchmal betrübend, immer aber völlig in Anspruch nahm. Er machte auch sehr oft Besuche, zu denen er sich aufs Feinste kleidete. Peter war nicht der Mann, der seinem Herrn nachspürte, zur Spionage erniedrigte er sich nicht, aber seines Verstandes, seines Scharfsinns konnte er sich nicht entäußern, die Fähigkeit, richtige Schlüsse zu ziehen, konnte er nicht plötzlich los werden. An dem Tage, an dem er mit einem prachtvollen Bouquet zu Madame Amélie geschickt wurde, wußte er Alles.

      Daß es eine marchande de modes war, kränkte ihn tief, das sagte er nicht einmal seiner Magdalena.

      Der Verdacht Peter Peters’ war nicht unbegründet; sein Herr ging wirklich auf Eroberung aus. Aber nicht Liebe wollte er gewinnen, sondern Vertrauen, und errang es auch in einem Maße, das seine Erwartungen und sogar seine Wünsche überstieg. Madame Amélie machte ihn mit ihrem Lebenslauf bekannt und schüttete ihr ganzes, übervolles Herz vor ihm aus.

      Sie stammte aus einer guten Pariser Familie, hatte in früher Jugend ihre Eltern und später dann durch die Unredlichkeit eines Verwandten ihr Vermögen verloren. Eine alte, alleinstehende Tante, Madame Justine Vernon, die in Wien ein einträgliches Modengeschäft führte, erbarmte sich ihrer Verlassenheit und nahm sie zu sich. Und nun kam das Talent zur Entfaltung, dem Amélie ihre späteren Erfolge verdanken sollte. Ein Talent, das sie, genau wie diese liebe Madame Müllér, ahnungslos besessen hatte, bis äußere Verhältnisse die schlummernde Gottesgabe in ihr weckten. Sehr bald zeigte sich, daß die Thätigkeit, die ihr aufgezwungen worden, eine ihren Anlagen und Fähigkeiten völlig zusagende war. Sie ging aber auch in ihr auf. Sie trat nach dem Tode Madame Vernons an die Spitze des Hauses, erweiterte das Geschäft zu einer Putzwaaren- und Konfektionshandlung, erwarb einen Wohlstand, der an Reichthum grenzte, und nahm eine Stellung ein, wie noch nie eine Modistin vor ihr. An Bewerbern hatte es ihr natürlich nicht gefehlt: »Die Männer sind so geldgierig und immer bereit, sich zu verkaufen.«

      »Auf den Sklavenmarkt mit dieser Männer-Ausschußwaare!« murmelte Brand.

      Aber Amélie Vernon dachte nicht daran, ihre Freiheit aufzugeben; sie war stolz auf ihre jungfräuliche Unabhängigkeit und bewahrte sie bis zu ihrem vierzigsten Jahre. Dann war das Verhängniß hereingebrochen mit dem Tode des alten und mit der Aufnahme des neuen Buchhalters, eines glänzend empfohlenen, jungen Menschen. Tüchtig in seinem Fache, verläßlich in Geldsachen, solid und rangirt, hieß es, und das glaubte Madame Amélie; aber auch hübsch, liebenswürdig, bezaubernd, und das sah Madame Amélie. Ach! der schöne Buchhalter spielte sich auf den schmachtenden Troubadour, und sie gab seinen Schwüren, seinem Flehen, seinen Thränen nach und erhob ihn zum Chef des Hauses und zu ihrem Gatten.

      »Vor zwei Jahren, Monsieur. Ja! die Monate, die Wochen und Tage, die seitdem vergangen sind, kann ich zählen – die infidélités, die Édouard an mir begangen hat, nicht. Er betrügt mich wie ein Franzose, Ihr biederer Österreicher!« rief sie und sah Dietrich so feindselig an, als ob er ein Mitschuldiger ihres Ungetreuen wäre. O der Quäler! Wie sie ihn liebte, ihn haßte, ihm fluchen und ihn vertheidigen mußte in einem Athem, denn – war er schlecht, die Frauen waren schlechter. Sie stellten ihm nach, er konnte sich nicht retten vor ihnen. Damen, »de vraies dames« schickten ihm Bouquets. »Pauvre chéri!« aber ein – »fier misérable!« Heuchlerisch, gewissenlos und von einer Eitelkeit! … Wenn eine Frau gleichgültig an ihm vorbeigeht, fühlt er sich von ihr insultirt und nimmt sie en grippe. So z. B. Madame Müllér.«

      »Frau Major von Müller?« Brand mußte sich fest anklammern an die Lehnen seines Fauteuils, um nicht in die Höhe zu fahren: »Dieser … Herr wird doch nicht wagen« … Er hielt inne, vollbrachte ein Meisterstück der Selbstbeherrschung und fragte gelassen und kühl: »Sie kommt zu Ihnen? Wann? Wie oft?«

      Nun, früher, als sie ihrer Sache noch nicht ganz sicher war, kam sie allwöchentlich. Sie hatte die Bestellungen selbst abgeliefert und das Urtheil und die Rathschläge der Meisterin erbeten. Derer bedurfte sie jetzt nicht mehr und fand sich nur noch an jedem Letzten des Monats zur Abrechnung bei der Prinzipalin ein; zwischen Elf und Zwölf, die Stunde, in der der Chef im Bureau festgehalten ist. Höchst seltsam, aber – sie hat für ihn etwas Abstoßendes: »Was für eine steifleinene Person hast Du da aufgegabelt?« fragte er schon mehrmals. Die Majorin scheint bemerkt zu haben, daß sie ihm mißfällt, sie vermeidet, ihm zu begegnen, betritt die Ateliers nicht mehr, sondern kommt über die Seitentreppe direkt in den Privatsalon Amélies.

      »So – weil sie ihm mißfällt? Das ist merkwürdig. Sie muß sich sehr geändert haben, wenn sie irgend Jemandem mißfallen kann.«

      »Mir nicht, o mir nicht,« versicherte Amélie, »für mich hat sie etwas sehr Anziehendes, einen außerordentlichen charme. Und ihre Kinder sind entzückend, besonders der kleine Junge. Ich lasse ihn immer rufen, wenn er die Arbeiten seiner Mutter abliefern und Material zu neuen Arbeiten holen kommt. Er hat so touchante Augen. Um diesen Schatz beneide ich Madame Müllér. O, wenn der Himmel mir Kinderchen mit so touchanten Augen schenken wollte!«

      Brand wartete ihr mit einer guten Lehre auf: »Den besten Trost für den Mangel an eigenen Kindern findet man in der Liebe zu denen der Anderen. Schließen Sie fremde Kinder ans Herz, Madame. Was mich betrifft, ich beabsichtige mich der Kinder meines verstorbenen Freundes anzunehmen. Zu dem Ende will ich sie aufsuchen, muß demnach wissen, wo sie wohnen, und bitte Sie, mir ihre Adresse mitzutheilen.«

      Die war: VII. Bezirk, Berggasse Nr. 19, Erster Stock, Thür 6½. Aber hingehen? Amélie widerrieth es ihm. Sie hatte schon mehrmals bemerkt wie vorsichtig Frau von Müller jedem Zusammentreffen mit Bekannten aus früheren, besseren Tagen auswich. Sehr begreiflich das, wenn man so viel Charakter hat, so viel Stolz. Weder die Neugier noch das Mitleid sollen Einblick nehmen in ihre traurigen Verhältnisse. »Etwas gebessert haben sie sich übrigens schon. Madame Müller verrichtet nicht mehr alle Hausarbeit selbst, ihre Zeit ist kostbar geworden, ihre kunstreichen Hände brauchen Schonung; sie hat eine Magd aufgenommen.«

      »Etwas gebessert haben sich die Verhältnisse der Frau Major, sagen Sie, Madame. Das ist zu wenig,« versetzte Brand, »sie müssen gut werden. Wir wollen dafür sorgen, wir Zwei. Sie haben mir Ihr Vertrauen geschenkt, Sie werden das meine nicht täuschen. Ich rechne auf Ihren Takt, Ihre Feinfühligkeit.«

      »Feinfühligkeit? das ist Delicatesse? O, Sie können auf die meine zählen.«

      Dietrich nahm ein Couvert aus seiner Tasche und legte es auf das Tischchen, auf dem heute eine blaue Matteische Elektrizität stand. »Erweisen Sie eine Wohlthat, Madame, unter dem Scheine eines entrichteten Honorars. Wenn Sie sagen: ‘ich habe alle Hüte, die Sie mir neulich geschickt haben, als Pariser Modelle verkauft und betheilige Sie mit fünfzig Prozent am Reingewinne’, das müßte doch eine hübsche Summe ausmachen. Nicht?«

      Amélie zog die Augenbrauen in die Höhe. »O, Monsieur, so viel wie allgemein angenommen wird, kommt bei unserem Geschäfte nicht heraus. Doch will ich Mittel finden, Madame Müllér glauben zu machen, daß wir eben jetzt, die Saison


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