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Deutsche Humoristen, Zweiter Band. Heinrich ZschokkeЧитать онлайн книгу.

Deutsche Humoristen, Zweiter Band - Heinrich Zschokke


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Er möge bis dahin nach der Schenke des Dorfes zurückkehren, er wolle ihn rufen lassen, wenn es Zeit sei. Er solle auch das Bild mitnehmen und ihm den Schnauzbart etwas spitzer malen, damit es ganz ähnlich werde. Wehmüller bat: in seiner Erdhütte einen Brief an sein Tonerl schreiben zu dürfen, und ihm den Brief hinüber zu besorgen. Der Chirurg war es zufrieden. Wehmüller schrieb seiner Frau, erzählte ihr sein Unglück, bat sie um Gotteswillen, nicht den falschen Wehmüller mit ihm zu verwechseln und lieber sogleich ihm entgegen zu reisen. Der Chirurg besorgte den Brief und gab Wehmüllern noch ein Attestat, daß seine Person eine ganz andere sei, als die des ersten Wehmüllers, und nun kehrte unser Maler, durchgeräuchert wie ein Quarantaine-Brief, nach der Dorfschenke zurück.

      Hier war die Gesellschaft vermehrt. Die Erzählung von dem doppelten Wehmüller hatte sich im Dorf und auf einem benachbarten Edelhof ausgebreitet, und es waren allerlei Leute bei der Wirtin zusammengekommen, um sich wegen der Geschichte zu befragen. Unter dieser Gesellschaft waren ein alter invalider Feuerwerker und ein Franzose die Hauptpersonen. Der Feuerwerker, ein Venetianer von Geburt, hieß Baciochi, und war ein Alles in Allem bei dem Edelmanne, der einen Büchsenschuß von dem Dorfe wohnte. Der Franzose war ein Monsieur Devillier, der, von einer alten reichen Ungarin gefesselt, in Ungarn sitzen geblieben war; seine Gönnerin starb und hinterließ ihm ein kleines Gütchen, auf welchem er lebte, und sich bei seinen Nachbarn umher mit der Jagd und allerlei Liebeshändeln die Zeit vertrieb. Er hatte gerade eine Kammerjungfer auf dem Edelhofe besucht, der er Sprachunterricht gab, und diese hatte ihn mit dem Hofmeister des jungen Edelmanns auf seinem Rückweg in die Schenke begleitet, um ihrer Herrschaft von dem doppelten Wehmüller Bericht zu erstatten. Die Kammerjungfer hieß Nanny und der Hofmeister war ein geborener Wiener, mit Namen Lindpeindler, ein zartfühlender Dichter, der oft verkannt worden ist. Die berühmteste Person von allen war aber der Violinspieler Michaly, ein Zigeuner von etwa dreißig Jahren, von eigentümlicher Schönheit und Kühnheit, der, wegen seines großen Talents, alle möglichen Tänze ununterbrochen auf seiner Violine zu erfinden und zu variieren, bei allen großen Hochzeiten im Lande allein spielen mußte. Er war hierher gereist, um seine Schwester zu erwarten, die bis jetzt bei einer verstorbenen Großmutter gelebt und nun auf der Reise zu ihm durch den Pest-Cordon von ihm getrennt war.

      Zu diesen Personen fügte sich noch ein alter kroatischer Edelmann, der einen einsamen Hof in der Nähe der türkischen Grenze besaß; er übernachtete hier, von einem Kreistage zurückkehrend. Ein tiroler Teppichkrämer und sein Reisegeselle, ein Savoyardenjunge, dem sein Murmeltier gestorben war, und der sich nach Hause bettelte, machten die Gesellschaft voll, außer der alten Wirtin, die Tabak rauchte und in ihrer Jugend als Amazone unter den Wurmserschen Husaren gedient hatte. Sie trug noch den Dolman und die Mütze, die Haare in einem Zopf am Nacken und zwei kleine Zöpfe an den Schläfen geknüpft, und hatte hinter ihrem Spinnrad ein martialisches Ansehen. Diese bunte Versammlung saß in der Stube, welche zugleich die Küche und der Stall für zwei Büffelkühe war, um den lodernden niedern Feuerherd, und war im vollen Gespräch über den doppelten Wehmüller, als dieser in der Dämmerung an der verschlossenen Haustüre pochte. Die Wirtin fragte zum Fenster hinaus, und als sie Wehmüller sah, rief sie: »Gott steh' uns bei! Da ist noch ein dritter Wehmüller; ich mache die Tür nicht eher auf, bis sie alle drei zusammen kommen!« Ein lautes Gelächter und Geschrei des Verwunderns aus der Stube unterbrach des armen Malers Bitte um Einlaß. Er nahte sich dem Fenster und hörte eine lebhafte Beratschlagung über sich an. Der kroatische Edelmann behauptete: er könne sehr leicht ein Vampir sein oder die Leiche des ersten an der Pest verstorbenen Wehmüllers, die hier den Leuten das Blut aussaugen wolle. Der Feuerwerker meinte: er könne die Pest bringen, er habe wahrscheinlich den Cordon überschritten und sei wieder zurückgeschlichen. Der Tiroler bewies: er würde niemand fressen. Die Kammerjungfer verkroch sich hinter dem Franzosen, der, nebst dem Hofmeister, die Gastfreiheit und Menschlichkeit verteidigte. Devillier sagte: er könne nicht erwarten, daß eine so auserwählte Gesellschaft wie die, in der er sich befinde, jemals aus Furcht und Aberglauben die Rechte der Menschheit so sehr verletzen werde, einen Fremden wegen einer bloßen Grille auszusperren; er wolle mit dem Manne reden. Der Zigeuner aber ergriff in dem allgemeinen, ziemlich lauten Wortwechsel seine Violine und machte ein wunderbares Schariwari dazu, und da die ungarischen Bauern nicht leicht eine Fiedel hören, ohne den Tanzkrampf in den Füßen zu fühlen, so versammelte sich bald Horia und Klotzka vor der Schenke, – was so viel heißt: als Hinz und Kunz bei uns zu Lande, – die Mädchen wurden aus den Betten getrieben und vor die Schenke gezogen, und sie begannen zu jauchzen und zu tanzen.

      Durch den Lärm ward der Vizegespann, des Orts Obrigkeit, herbeigelockt, und Wehmüller brachte ihm seine Klagen und das Attestat des Chirurgen vor, versprach ihm auch, sein Porträt unter den Nationalgesichtern sich aussuchen zu lassen, wenn er ihm ein ruhiges Nachtquartier verschaffe und seine Persönlichkeit in der Schenke attestiere. Der Vizegespann ließ sich nun die Schenke öffnen und las drinnen das Attestat des Herrn Chirurgen, das er allen Anwesenden zur Beruhigung mitteilte. Durch seine Autorität brachte er es dahin, daß Wehmüller endlich hereingelassen wurde, und er nahm, um der Sache mehr Ansehen zu geben, ein Protokoll über ihn auf, an dem nichts merkwürdig war, als daß es mit dem Worte »Sondern« anfing. Indessen hatten die Bauern den musikalischen Zigeuner herausgezerrt und waren mit ihm unter die Linde des Dorfes gezogen, der Tiroler zog hinterdrein und jodelte aus der Fistel, der Savoyarde gurgelte sein »Escoutta Gianetta« und klapperte mit dem Deckel seines leeren Kastens den Takt dazu bis unter die Linde. Monsieur Devillier forderte die Kammerjungfer zu einem Tänzchen auf, und Herr Lindpeindler gab der schönen Herbstnacht und dem romantischen Eindrucke nach. So war die Stube ziemlich leer geworden. Wehmüller holte seine Nationalgesichter aus der Blechbüchse, und der Vizegespann hatte bald sein Porträt gefunden, versprach auch dem Maler ins Ohr: daß er ihm morgen über den Cordon helfen wolle, wenn er ihm heute Nacht noch eine Reihe Knöpfe mehr auf die Jacke male. Wehmüller dankte ihm herzlich und begann sogleich bei einer Kienfackel seine Arbeit. Der Feuerwerker und der kroatische Edelmann rückten zu dem Tisch, auf welchem Wehmüller seine Flasche Tokaier Preis gab. Die Herren drehten sich die Schnauzbärte, steckten sich die Pfeifen an und ließen es sich wohl schmecken. Der Vizegespann sprach von der Jagdzeit, die am St. Egiditage, da der Hirsch in die Brunst gehe, begonnen habe, und daß er morgen früh nach einem Vierzehnender ausgehen wolle, der ihm großen Schaden in seinem Weinberge getan, zugleich lud er Herrn Wehmüller ein, mitzugehen, wobei er ihm auf den Fuß trat. Wehmüller verstand, daß dies ein Wink sei, wie er ihm über den Cordon helfen wolle, und wenn ihm gleich nicht so zu Mute war, gern von Hirschgeweihen zu hören, nahm er doch das Anerbieten mit Dank an, nur bat er sich die Erlaubnis aus, nach der Rückkehr das Bild des Herrn Vizegespanns in seinem Hause fertig malen zu dürfen. Der kroatische Edelmann und der Feuerwerker sprachen nun noch mancherlei von der Jagd, und wie der Wein so vortrefflich stehe, darum sei das Volk auch so lustig; wenn der unbequeme Pest-Cordon nur erst aufgelöst sei, aller Verkehr sei durch ihn gestört, und der Cordon sei eigentlich ärger als die Pest selbst. »Es wird bald aus sein mit dem Cordon,« sagte der Kroate, »die Kälte ist der beste Doktor, und ich habe heute an den Eicheln gesehen, daß es einen strengen Winter geben wird; denn die Eicheln kamen heuer früh und viel, und es heißt von den Eicheln im September:

      ›Haben sie Spinnen, so kömmt ein bös Jahr,

      Haben sie Fliegen, kömmt Mittelzeit zwar,

      Haben sie Maden, so wird das Jahr gut,

      Ist nichts darin, so hält der Tod die Hut.

      Sind die Eicheln früh und sehr viel,

      So schau, was der Winter anrichten will:

      Mit vielem Schnee kömmt er vor Weihnachten,

      Darnach magst du große Kälte betrachten.

      Sind die Eicheln schön innerlich,

      Folgt ein schöner Sommer, glaub' sicherlich;

      Auch wird dieselbe Zeit wachsen schön Korn,

      Also ist Müh' und Arbeit nicht verlor'n.

      Werden sie innerlich naß befunden,

      Tut's uns einen nassen Sommer bekunden;

      Sind sie mager, wird der Sommer heiß,

      Das sei dir gesagt mit allem Fleiß.‹

      Diesen September waren sie aber so früh und häufig, daß es


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