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Soll und Haben, Bd. 1 (2). Gustav FreytagЧитать онлайн книгу.

Soll und Haben, Bd. 1 (2) - Gustav Freytag


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Licht war verloschen, der kleine Herr hatte die neugefüllte Branntweinflasche geleert und war ermüdet vom langen Sprechen auf seinem Strohsack eingeschlafen, und noch immer saß Veitel auf dem Schemel. Heute dachte er nicht an seine Kunden, nicht an sein gezahltes Geld, sondern er schrieb Schuldscheine an die schwarzen Wände, in denen sich der Aussteller mit vielen Worten zu so wenig als möglich verpflichtete, und schrieb Empfangscheine über geliehenes Geld, in denen er durch unscheinbare Zusätze die Rückzahlung der Summe von seinem Belieben abhängig machte. So saß er lange in bleischwarzer Finsterniß, und große Schweißtropfen rannen von seinen Schläfen. Dann öffnete er die Thür zur hölzernen Galerie, lehnte sich auf das Geländer und sah durch das Dämmerlicht hinunter in das Wasser, welches wie ein riesiger Strom von Tinte vorbeifluthete. Und wieder schrieb er Schuldscheine in die schwarzen Schatten der gegenüberliegenden Häuser und schrieb Quittungen auf die dunkle Wasserfläche, bis sein müder Leib erschöpft zusammenbrach und er in einer Ecke einschlief, das heiße Haupt an die Holzwand gelehnt. In kaltem Zuge fuhr der Nachtwind über das Wasser und unten gurgelte die Fluth klagend an den Holzpfählen und Vorsprüngen der alten Häuser. Was er in die Schatten gezeichnet, das verrückte sich, und was er auf das Wasser geschrieben, das zerrann, und doch hatte seine Seele einen Schuldschein ausgestellt in dieser Nacht, der einst von ihm eingefordert werden sollte mit Zins und Zinseszins. Der Wind heulte, und der Sturm klagte, wilde Mahner an die Schuld, rächende Boten des Gerichts.

      Seit dieser Nacht eilte Veitel alle Abende mit schnellem Schritt nach seiner Herberge, der Unterricht im Geschäftsstyl wurde regelmäßig fortgesetzt. Der Herr mit der Brille war ein gründlicher Lehrer, die tiefsten Geheimnisse des Wechselrechts und der Hypothekenordnung waren ihm offenbar, er kannte jeden Schlupfwinkel, welchen das Gesetz dem gewandten Mann offen läßt, er war mit jedem Schleichwege vertraut, auf welchem man eine gesetzliche Verpflichtung umgehen kann. Seine Methode des Unterrichts war vortrefflich. Er ging bei allen auszustellenden Urkunden und bei jeder geschäftlichen Verpflichtung von der gewöhnlichen Form aus, lehrte seinen Schüler die betreffenden Gesetze kennen und machte seine Lehre durch Beispiele deutlich und angenehm. Dann erst gab er bei jedem Gesetz, bei jedem einzelnen Fall, die kleinen Hülfsmittel an, durch welche man gegenüber der Verpflichtung einen freien Standpunkt gewinnen konnte. Jeden Abend nahm Veitel einige kostbare Recepte in seine Brieftasche auf, Formulare zu Documenten, welche zu nichts verpflichteten, und wieder solche, welche zu weit mehr verpflichteten, als sie den Anschein hatten. Zuweilen schrieb der Alte selbst ein solches Kunstwerk vor, und ließ es den Schüler abschreiben, worauf er seine eigene Handschrift sorgfältig am Licht verbrannte. Wenn fremde Gäste in der Herberge waren, zogen sich Lehrer und Schüler in eine Ecke zurück und verhandelten in einem Flüsterton, welcher von den Anwesenden mit vieler Achtung angehört wurde, denn Veitel pflegte dann zu erklären, daß er von dem Herrn Unterricht in der Buchführung und andern nützlichen Dingen erhalte.

      Was Veitel nach und nach über die Person seines Lehrers erfuhr, Namen und Schicksal, sei hier in Kürze berichtet. Herr Hippus hatte bessere Tage gesehen. Er war einst ein vielgesuchter Rechtsanwalt der Hauptstadt gewesen, der es durchgesetzt hatte, in wenig Jahren eine ausgebreitete Praxis zu erwerben. Bei dem Geschäfte treibenden Publicum einer großen Stadt erhält jeder Advocat sehr bald einen bestimmten Ruf, einen Ruf, welcher eben so unsicher sein mag, als der Ruhm einer Sängerin oder Tänzerin, der aber auch durch eine große Classe von Menschen als anziehender Stoff der Unterhaltung benutzt wird. Bei dieser Classe galt Herr Hippus für sehr gewandt und zuvorkommend im Verkehr mit den Parteien und für den entschiedensten und kühnsten Mann, um ein mißliches Recht in ein gutes Recht zu verwandeln. Im Anfang hatte er so wenig, wie der gewissenhafteste Staatsanwalt, den Trieb, seine Carriere dadurch zu machen, daß er Unrecht in Recht verdrehte. Auch er hatte ein peinliches Gefühl von Unsicherheit, wenn er eine Partei vertrat, deren Sache er für schlecht hielt, er war von den ehrenwerthesten seiner Collegen nur sehr wenig verschieden, er hatte einige kleine Scrupel weniger und trank etwas zu gern guten Rothwein. Diese letzte so löbliche Eigenschaft wurde bald eine Schwäche. Er war ein Mann, der mit Geschmack zu frühstücken wußte, ein Herr von kaustischem Witz und ein vortrefflicher Gesellschafter bei der Tafel. Er hatte einen subtilen Geist, freute sich über geistreiche Paradoxien und liebte es die Haare zu spalten, die er seinen Gegnern ausriß. Mit Hülfe des Rothweins erlangte er die Fertigkeit, viel Geld auszugeben, und gerieth in die Lage, viel einnehmen zu müssen. Die eitle Freude an Spitzfindigkeiten verlockte ihn einigemal, die ganze Energie seines glänzenden Geistes einer schlechten Sache dienstbar zu machen und diese zum Siege zu führen. So erlebte er den Fluch, der häufig Advocaten trifft, welche Glück in verzweifelten Processen gehabt haben, es liefen ihm Alle zu, welche eine schlechte Sache zu vertheidigen hatten. Lange Zeit ärgerte er sich darüber, und es fehlte ihm nur ein klein wenig Kraft, um diese Spitzbubenpraxis, wie er selbst sie nannte, los zu werden; allmälig, ganz allmälig wurde er durch die schlechten Sachen, an denen er sein nicht gemeines Talent geltend zu machen suchte, selbst schlecht. Immer größer wurden seine Bedürfnisse, immer lockender die Verführung, immer kleiner sein Gewissen. So war er schon lange von innen ausgehöhlt und mit Giftstaub gefüllt, wie ein Bovist, von außen sah er noch stattlich und glänzend aus, und oft wurde ihm prophezeit, daß er mit der größten Praxis in der Stadt als einer der reichsten Männer seine Laufbahn beschließen werde. Da begegnete ihm, dem Schlauen, dem Gesetzkundigen das Unglück, daß er in eine Untersuchung gerieth, weil er bei einer Sache, welche nur durch verzweifelte Mittel zu halten war, dem Gesetz eine Blöße gegeben hatte. Er wurde verurtheilt, mit Schimpf cassirt und verschwand als ein gefallener Stern aus dem Kreise seiner Amtsgenossen. Was er noch von Bedenken und Rücksichten gehabt hatte, ging seit der Zeit mit reißender Schnelligkeit verloren. Er hatte in Wirklichkeit wenig Vermögen gesammelt, fast nur schlechte Ansprüche an den Besitz Anderer, verzweifelte Schuldverschreibungen und hoffnungslose Documente, deren Erwerb ihm allerdings sehr wenig gekostet hatte. Die Beitreibung derselben machte er jetzt zur Aufgabe seines Lebens, denn noch immer hatte er das Bedürfniß, viel auszugeben. Deßhalb war er durch mehrere Jahre als ewiger Kläger und Quereler eine den Gerichtshöfen wohlbekannte Person. Was er durch Prozessiren erwarb, vergeudete er mit roher Sinnlichkeit in schlechter Gesellschaft, er wurde ein Trunkenbold, ein lüderlicher Schlemmer. Aber auch diese unsicheren Einnahmen hörten endlich auf, sein Name verschwand allmälig aus den Prozeßacten, und seine Person ward auch in den Restaurationen untergeordneten Ranges nicht mehr gesehen. Aber seine Thätigkeit hörte nicht auf. Er sank zum Besucher von Branntweinstuben und zum Winkelconsulenten herab, der andere Leute zu Prozessen aufstachelte und Schwindlern und Gaunern gute Rathschläge ertheilte. In dieser stillen Thätigkeit verlebte er einige Jahre und stiftete so viel Unheil, als nöthig war, um seinen Grimm gegen nicht gefallene irdische Größen und seinen Durst, der sehr gemeiner Natur wurde, zu befriedigen. Leider glückte ihm noch nicht, ganz aus dem Auge des Gesetzes zu verschwinden. Gerade jetzt wurde ihm wegen unbefugter Praxis nachgestellt, und er fand für nöthig, unter dem Vorwand einer längeren Reise auf einige Zeit unsichtbar zu werden. Deßhalb hatte er sich bei Herrn Pinkus, dessen Kunde und Rechtsbeistand er zuweilen gewesen war, einquartiert und so Muße gewonnen, den jungen Itzig seine Receptirkunst zu lehren.

      Uebrigens verfuhr Herr Hippus nicht ohne Vorsicht. So oft er seinem Schüler irgend eine Schurkerei beibrachte, welche wie eine Arabeske an die gewöhnliche gerade Linie des Geschäftsstyls angehängt wurde, verfehlte er nie mit einem häßlichen Lächeln zu bemerken: »Dies Alles sage ich dir nur, damit du dich in Acht nimmst.« Diese Phrase wurde stehend und eine anmuthige Quelle der Heiterkeit für Lehrer und Schüler, auch nachdem Veitel einen ungewöhnlichen Scharfsinn gezeigt hatte und alle Erfordernisse des Charakters, welche für einen Apostel dieser Geheimlehre nöthig waren.

      Der Unterricht wurde für den alten Mann sehr bald ein Bedürfniß des Herzens. Ja, seines Herzens. Denn er war allerdings ein schlechter Mensch geworden, an dem etwas Gutes nur schwer aufzufinden gewesen wäre, aber die schwarze Schlacke, welche er statt eines warmblütigen Menschenherzens in der Brust trug, war doch noch nicht ganz ausgeglüht; er hatte sehr das Bedürfniß, zu hassen, aber eben so sehr das Bedürfniß, anerkannt zu werden. Nach vielen Jahren fand er jetzt Gelegenheit, sein Wissen in längerer Rede zu entwickeln, Geist zu zeigen und einem andern Menschen eine Art von Verehrung einzuflößen. Einst war er ein gebildeter und scharfsinniger Jurist gewesen; das Gebäude seines Wissens war bei dem wüsten Leben sehr zerfallen, aber es war noch genug vorhanden, was dem jungen Wilden imponiren konnte; und mit einer melancholischen Freude, dem edelsten Gefühl,


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