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Die Äbtissin von Castro. StendhalЧитать онлайн книгу.

Die Äbtissin von Castro - Stendhal


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in die Kapelle zu begeben, um sich mit ihr auf den großen Übergang vom Leben zum Tode vorzubereiten.

      Dies Wort gab Beatrice ihre ganze Ruhe wieder; soviel Maßlosigkeit und Aufwallung sie zuerst gezeigt hatte, so gefaßt und verständig war sie nun, seit ihre Stiefmutter ihre große Seele zu sich selbst zurückgerufen hatte. Von diesem Augenblick an war sie ein Spiegel der Standhaftigkeit, den ganz Rom bewundert hat.

      Sie verlangte einen Notar, um ihr Testament zu machen, was ihr bewilligt wurde. Sie bestimmte, daß ihr Leichnam nach San Pietro in Montorio gebracht werde und hinterließ den Nonnen der Wundmale des Heiligen Franziskus 300 000 Francs, welche Summe dazu dienen sollte, fünfzig arme Mädchen auszustatten. Dieses Beispiel bewegte auch die Signora Lucrezia dazu, daß sie ihr Testament machte und die Anordnung traf, ihren Leichnam nach San Giorgio zu überführen; sie hinterließ 500 000 Francs Almosen für diese Kirche und machte noch andere fromme Legate.

      Um acht Uhr beichteten sie, hörten darauf die Messe und nahmen das Heilige Abendmahl. Aber bevor sie zur Messe gingen, erwog Beatrice, daß es nicht passend sei, auf dem Schafott, vor den Augen des ganzen Volks mit den reichen Gewändern zu erscheinen, die sie trugen. Sie bestellte zwei Kleider, das eine für sich, das andere für ihre Mutter. Die Gewänder wurden wie Nonnenkutten gearbeitet, ohne Aufputz an Brust und Schultern, nur gefältelt mit weiten Ärmeln. Das Kleid der Stiefmutter war aus schwarzer Baumwolle, das des jungen Mädchens aus blauem Taft mit einer dicken Schnur, welche den Gürtel bildete.

      Als man die Kleider brachte, erhob sich Signora Beatrice, die auf den Knien lag und sagte der Signora Lucrezia: „Frau Mutter, die Stunde unsres Leidens nähert sich, es wird gut sein, daß wir uns bereiten; legen wir diese neuen Gewänder an und leisten wir uns zum letztenmal gegenseitig den Dienst, uns anzukleiden.

      Man hatte auf dem Platz vor der Engelsbrücke ein Schafott errichtet. Um die dreizehnte Stunde (acht Uhr morgens) brachte die Brüderschaft der Barmherzigkeit ihr großes Kruzifix zur Tür des Gefängnisses. Giacomo Cenci schritt als erster aus dem Kerker; er kniete fromm auf der Schwelle nieder, betete und küßte die heiligen Wunden des Gekreuzigten. Ihm folgte sein junger Bruder Bernardo Cenci, der gleich ihm gebundene Hände und ein kleines Brett vor den Augen hatte. Die Menge war ungeheuer und es entstand ein Tumult, weil eine Vase aus einem Fenster fast auf den Kopf eines der Bußbrüder fiel, der eine brennende Fackel zur Seite des Banners trug.

      Alles sah auf die beiden Brüder, als unversehens der Fiskal von Rom hervortrat und sagte: „Signor Bernardo, unser Heiliger Vater schenkt Euch das Leben, fügt Euch darein, Eure Verwandten zu begleiten und bittet Gott um Gnade für sie.“

      Sogleich nahmen ihm seine beiden Begleiter das kleine Brett fort, das er vor den Augen trug. Der Henker machte Giacomo Cenci für den Karren bereit und hatte ihm schon sein Gewand ausgezogen, um ihn mit der Zange zwicken zu können. Als der Henker zu Bernardo kam, beglaubigte er die Unterzeichnung der Begnadigung, band ihn los, nahm ihm die Handschellen ab und weil er wegen der Marter mit der Zange ohne Rock war, setzte ihn der Henker auf den Karren und hüllte ihn in einen prächtigen Tuchmantel mit goldenen Tressen. Man sagte, daß es der Mantel sei, den Beatrice nach der Tat in der Festung La Petrella Marcio gegeben hatte. Die ungeheure Menge in den Straßen an den Fenstern und auf den Dächern kam plötzlich in Bewegung; man hörte ein dumpfes, tiefes Murmeln, man begann weiterzusagen, daß dieses Kind begnadigt sei.

      Die Psalmgesänge begannen und die Prozession bewegte sich langsam über die Piazza Navona nach dem Gefängnis Savella. An der Türe des Gefängnisses angelangt, hält man an. Die beiden Frauen traten heraus, verrichteten ihr Gebet zu Füßen des Heiligen Kruzifixes, und folgten dann zu Fuß, eine hinter der andern, Sie waren so gekleidet, wie schon erzählt worden ist, und hatten das Haupt mit einem großen Schleier bedeckt, der fast bis zum Gürtel hing.

      Signora Lucrezia trug, wie es für eine Witwe üblich war, einen schwarzen Schleier und Pantoffeln aus schwarzem Samt, ohne Absätze.

      Der Schleier des jungen Mädchens war aus blauem Taft wie ihr Kleid, sie trug ein silbriges Gewebe um die Schultern, ein Unterkleid aus violettem Tuch und Pantoffeln aus weißem Samt, die mit karmesinroten Schnüren zierlich verschnürt waren. Sie hatte eine eigenartige Anmut, als sie in diesem Kostüm dahinschritt, und in aller Augen traten Tränen, als man sie bemerkte, die langsam in den letzten Reihen der Prozession dahinschritt.

      Beide Frauen hatten die Hände frei, aber die Arme am Körper festgebunden, und zwar so, daß jede von ihnen ein Kruzifix tragen konnte; sie hielten es dicht an die Augen. Die Ärmel ihrer Kleider waren sehr weit, so daß man ihre Arme sehen konnte, nach der Sitte des Landes mit einem an den Handgelenken geschlossenen Hemd bedeckt.

      Signora Lucrezia, die weniger starken Herzens war, weinte fast ohne aufzuhören; dagegen zeigte die junge Beatrice großen Mut; sie richtete den Blick auf jede der Kirchen, an denen die Prozession vorüberkam, kniete einen Augenblick nieder und sagte mit fester Stimme: Adoramus te, Christe!

      Während dieser Zeit wurde der arme Giacomo Cenci auf seinem Karren mit Zangen gezwickt und zeigte großen Mut.

      Die Prozession konnte kaum den unteren Teil des Platzes an der Engelsbrücke überschreiten, so zahlreich waren die Wagen und die Volksmassen. Man führte sogleich die Frauen in die Kapelle, welche man errichtet hatte, und brachte auch Giacomo dahin.

      Der junge Bernardo wurde in seinem reichverzierten Mantel geradenwegs aufs Schafott geführt; da glaubten alle, daß er sterben solle und daß er nicht begnadigt worden sei.

      Das arme Kind hatte solche Angst, daß es beim zweiten Schritt auf dem Schafott ohnmächtig hinfiel. Man brachte ihn mit frischem Wasser wieder zu sich, und setzte ihn gegenüber dem Fallbeil nieder.

      Der Henker ging, um Signora Lucrezia zu holen; ihre Hände waren auf dem Rücken gebunden und sie hatte nicht mehr den Schleier um die Schultern. Sie erschien mit dem Banner geleitet auf dem Richtplatz, den Kopf in den Taftschleier gehüllt; dort befahl sie ihre Seele Gott und küßte die heiligen Wundmale. Man sagte ihr, daß sie ihre Pantoffeln auf dem Pflaster zurücklassen müsse; da sie sehr stark war, machte es ihr Mühe, aufs Schaffot zu steigen. Als sie oben war und man ihr den schwarzen Taftschleier fortnahm, war es ihr sehr schmerzlich, daß man sie mit entblößter Brust und Schultern sehen sollte; sie blickte an sich herunter, sah dann das Beil an und hob langsam zum Zeichen der Ergebung die Schultern; Tränen traten in ihre Augen, sie sagte: „O mein Gott! … Und Ihr, meine Brüder, betet für meine Seele.“

      Da sie nicht wußte, wie sie sich zu verhalten habe, fragte sie Alexander, den ersten Henker danach. Er sagte, sie solle sich rittlings auf den Balken des Schafotts setzen. Aber diese Stellung beleidigte ihr Schamgefühl und sie brauchte viel Zeit dazu. Die Einzelheiten, die jetzt folgen, sind für ein italienisches Publikum, das alles mit peinlichster Genauigkeit wissen will, erträglich; aber dem nicht-italienischen Leser möge genügen, daß die arme Frau durch ihr Schamgefühl eine Verletzung an der Brust davontrug; der Henker zeigte das Haupt dem Volke und umhüllte es dann mit dem schwarzen Taftschleier.

      Während man das Schafott für das junge Mädchen herrichtete, stürzte ein Gerüst, das von Neugierigen überfüllt war, ein, und viele Menschen wurden dabei getötet. So erschienen sie noch früher als Beatrice vor Gott.

      Als Beatrice das Banner zur Kapelle zurückkehren sah, um sie zu holen, fragte sie lebhaft:

      „Ist meine Frau Mutter schon tot?“

      Man bejahte und sie warf sich vor dem Kruzifix auf die Knie und betete mit Inbrunst für ihre Seele. Dann sprach sie lange mit lauter Stimme zum Kruzifix:

      „Herr, du bist für mich zurückgekehrt, und ich will Dir aus freiem Willen folgen, denn ich verzweifle nicht an Deinem Erbarmen für meine unermeßliche Sünde.“

      Sie wiederholte dann noch mehrere Psalmen und Gebete zum Lobe Gottes. Als endlich der Henker mit einem Strick vor ihr erschien, sagte sie:

      „Binde diesen Körper, der gestraft werden muß und erlöse diese Seele, damit sie zur Unsterblichkeit und zur ewigen Herrlichkeit gelange.“

      Dann erhob sie sich, sprach das Gebet und ließ ihre Pantoffeln am Fuß der Treppe stehen; auf dem Schafott schwang sie schnell das Bein über den Balken, legte den Hals unter das Fallbeil


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