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Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Dritter Teil. Theodor FontaneЧитать онлайн книгу.

Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Dritter Teil - Theodor Fontane


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zwischen den vier Pfeilern war durch Bretterwände ausgefüllt, die allerhand bunt bemaltes Schnitzwerk trugen. Dies alles aber war nur die Außenhülle, und vier mächtige Innen-Pfeiler, durch Vorhänge geschlossen, teilten den inneren Tempelraum wieder in zwei Hälften, in ein Heiligstes und Allerheiligstes. In dem letzteren erst stand das Bild Swantewits. Arkona hatte besondere Tempeldiener, und mehr und mehr bildete sich hier eine Priesterkaste aus. Sie unterschieden sich schon durch Tracht und Kleidung von dem Rest der Nation und trugen Bart und Haar lang herabwallend, während die übrigen Ranen Bart und Haar geschoren trugen. Sie gehörten zu den Edlen des Landes; kriegerische und priesterliche Tätigkeit galt überhaupt den Wenden als wohl vereinbar.

      Auch hier in Arkona diente das „weiße Pferd“ zur Zeichendeuterei. Alle Poesie knüpfte sich an dasselbe. Nicht selten fand man es des Morgens mit Schaum und Schmutz bedeckt in seinem Stall; dann hieß es, Swantewit selber habe das Pferd geritten und es im Streit gegen seine Feinde getummelt. Die Formen, unter denen das Orakel erteilt oder die Frage „Krieg oder Friede“ entschieden wurde, waren denen in Rethra nah verwandt, aber doch nicht voll dieselben. Drei Paar gekreuzte Lanzen wurden in den Boden gesteckt und das Pferd heran geführt. Schritt es nun mit dem rechten Fuß zuerst über die Speere, so war das Zeichen glücklich, unglücklich, wenn das Tier den linken Fuß zuerst aufhob. Entschiedenes Heil aber versprach das Orakel nur, wenn das weiße Pferd über alle drei Lanzenpaare mit dem rechten Fuße hingeschritten war.

      Der Swantewit-Tempel auf Arkona war das letzte Bollwerk des Heidentums. Es fiel endlich, wie schon hervorgehoben, in den Dänenkämpfen, im Kriege mit „Waldemar dem Sieger“, nachdem es nicht nur den Radegast-Tempel Rethras, wenigstens den Ruhm desselben, um ein Jahrhundert, sondern auch den uns in gewissem Sinne näher angehenden Triglaw-Tempel zu Brennabor um zwanzig und einige Jahre überlebt hatte.

      Dieser Triglaw-Tempel, wenn auch für die Gesamtheit der Wenden nur ein Tempel zweiten Ranges, erheischt noch ein kurzes Verweilen.

      Triglaw war eine ursprüngliche pommersche Gottheit und wurde, wie es scheint, erst in späterer Zeit, sei es aus Eifersucht oder sei es aus Mißtrauen gegen den Radegast (in Rethra) von Pommern her in die Havelgegenden eingeführt. In Kürze haben wir ihn schon an anderer Stelle beschrieben. Er hatte drei Köpfe, weil er Herr im Himmel, auf Erden und in der Unterwelt war, und sein Gesicht war verhüllt, zum Zeichen, daß er die Sünden der Menschen übersah und verzieh. In seinen Händen hielt er einen gehörnten Mond, ein Symbol, über dessen Bedeutung nur Vermutungen existieren. Seinen Haupttempel hatte er in Stettin, der den Schilderungen nach, die wir davon besitzen, den aus Holz aufgeführten, mit Bildwerk und Schnitzereien ausgeschmückten Tempeln in Rethra und Arkona sehr verwandt gewesen sein muß. Auch der Triglaw-Dienst war dem Dienst des Radegast oder Swantewit mehr oder weniger verwandt. Die Zeichen wurden in ähnlicher Weise gedeutet, das Roß schritt über die gekreuzten Lanzenspitzen hin, und das Berühren dieser oder jener Lanze mit dem einen oder andern Fuß – alles hatte seine Bedeutung zum Heil oder Unheil. Nur das Roß selbst war nicht weiß, sondern schwarz, vielleicht weil Triglaw selbst mehr den finstern als den lichten Göttern zugehörte.

      Um 982, unmittelbar nach dem großen Wendenaufstande, war es, daß nunmehr diesem Triglaw zu Ehren auch in Brennabor ein Tempel errichtet wurde. Derselbe erhob sich auf dem Harlunger-Berge und sah triumphierend in das dem Heiden- und Wendentum wieder zurückeroberte Land hinein. Es war höchst wahrscheinlich kein Holzbau mehr, wie der Stettiner, sondern ein Steinbau, nach Art der christlichen Steinkapellen,3 und M. W. Heffter, in seiner trefflichen Geschichte Brandenburgs, stellt sogar die Hypothese auf, daß aus diesem alten heidnischen Tempelbau, zunächst ohne wesentliche Umgestaltung, die später so berühmt gewordene Marienkirche auf dem Harlunger-Berge hervorgegangen sei. Wir halten dies für wahrscheinlicher als nicht, finden indessen den Beweis dafür weniger in der eigentümlichen Architektur der Kirche, als in dem historisch nachgewiesenen Umstande, daß sich unter den märkischen Wenden der Übergang aus dem Heidentum ins Christentum schließlich in aller Ruhe vollzog, etwa wie vierhundert Jahre später der Übergang aus dem Katholizismus in den Protestantismus. Der Fürst Pribislaw wurde Christ; das Volk folgte teilweise widerwillig, aber doch vielfach auch willig und zwanglos. Man hatte sich bereits mit und neben einander eingelebt, und der bloße Umstand, daß das gestürzte Bild des Triglaw nicht verbrannt oder zerstört, vielmehr, allen bekannt und allen zugänglich, bis 1526 in einer Seitenkapelle der Marienkirche aufbewahrt wurde (in welchem Jahre Christian II. von Dänemark es unter Zulassung Joachims I. mit fortnehmen durfte), deutet darauf hin, daß die Wandlung der Gemüter sich friedfertig genug vollzogen und der Christengott den Wendengott in aller Stille beiseite gedrängt haben muß. Diese Umwandlung des Triglaw-Tempels in eine Marienkirche erfolgte zwischen 1136 und 1141. Sechshundert Jahre lang hat dann vom Harlunger-Berge aus die berühmte Marienkirche ins Land gesehen. Ihre Entstehung drückte das Siegel auf den endlichen Sieg des Christentums über das Heidentum im Lande zwischen Elbe und Oder. Auf der Stätte des Triglaw-Tempels ging ein neues Leben auf, und der dreieinige Gott sprach hinfort statt des dreiköpfigen Gottes zu seinem Volke.

      So, wie vorstehend geschildert, waren die Wenden zurzeit der endgültigen deutschen Eroberung 1157.

      Es bleibt uns noch die Beantwortung der Frage übrig: was wurde aus den Wenden. Sie wurden keineswegs mit Stumpf und Stiel ausgerottet, sie wurden auch nicht einfach zurückgedrängt bis zu Gegenden, wo sie Stammesgenossen vorfanden, – sie blieben vielmehr alle oder doch sehr überwiegenden Teils im Lande und haben in allen Provinzen jenseits der Elbe unzweifelhaft jene Misch-Rasse hergestellt, die jetzt die preußischen Provinzen bewohnt.

      Einzelne Historiker haben dies bestreiten wollen, aber wir glauben mit Unrecht. Einmal würde eine solche konsequent durchgeführte Rassen-Geschiedenheit gegen die historische Überlieferung aller anderen Staaten, bei denen ähnliche Verhältnisse obwalteten, sprechen, andererseits dürfte es, von allen Analogien abgesehen, nicht schwer halten, in achthundert Einzelfällen solche Mischung der beiden Rassen nachzuweisen. Es ist wahr, die Deutschen brachten den Stolz des Siegers mit, ein Rasse-Gefühl, das, auf geraume Zeit hin, eine Schranke gezogen haben mag; wir halten uns aber nichtsdestoweniger überzeugt, daß, noch ehe die Hohenzollern ins Land kamen, jedenfalls aber noch vor Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts, diese Unterschiede so gut wie verwischt waren. Sie mögen an einzelnen Orten länger bestanden haben, es mag Ortschaften geben, wo sich bis diesen Tag eine Exklusivität findet, die auf jene alte Wenden-Abneigung zurückzuführen ist, im großen und ganzen aber liegt die Verschmelzung weit zurück. Wir wollen dabei andererseits gern zugeben, daß, wenn innerhalb der seitdem verflossenen Jahrhunderte die Generationen in den Dörfern, säend und erntend, in einem ewigen Wechsel und doch zugleich in einem ewigen Gleichmaß des Friedens auf einander gefolgt wären, diese Empfindungen und Äußerungen des Rassen-Dünkels vielleicht fortgedauert hätten. Aber „die Not gibt wunderliche Schlafgesellen“, und die Konservierung alter Vorurteile wurde durch die Verhältnisse, durch Brand und Krieg, durch die Gemeinschaftlichkeit des Unglücks unmöglich gemacht. Das Aufeinander-angewiesen-sein riß jede Schranke nieder, die die Fülle selbstbewußten Glücks aufgerichtet hatte. Mehrfach ging der schwarze Tod durch das Land und entvölkerte die Dörfer; was der schwarze Tod nicht tat, das taten, in nie rastenden Kriegen, die Pommern und Polen, und was die Pommern und Polen nicht taten, das taten die Hussiten. Im Barnim befinden sich vielleicht zwanzig oder dreißig Feldmarken, die Namen wie Wüste-Sieversdorf, Wüste-Gielsdorf, Wüste-Büsow etc. führen, Benennungen aus jener Epoche immer neuer Verödungen her. Die wüst gewordenen Dörfer, namentlich solche, wo einzelne bewohnte Häuser und Hütten stehen geblieben waren, wieder neu zu besetzen, war die Aufgabe der Landesverwaltung, die in Brandenburg von jeher den friderizianischen Satz verfolgte: „Menschen; vor allem Menschen“. Man freute sich jeden Zuzugs, ohne nach der Rassen-Abstammung zu fragen.

      Das deutsche Dorf, in dem vielleicht ein Fritze, ein Hansen, ein Dietrichs wohnte, war froh, einen Kroll, einen Noack, einen Posedin, die wüst gewordenen Stätten einnehmen zu sehen, und ebenso die wendischen Dörfer empfingen den deutschen Zuzug mit Freude. Die Namensverzeichnisse im Landbuch von 1375, wie die Urkunden überhaupt, lassen keinen Zweifel darüber.

      Alle diese Anführungen haben selbstverständlich nur die Regel, nur die Verhältnisse in ihren großen Zügen schildern sollen, ganz besonders


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<p>3</p>

In einer 1619 zu Wittenberg gedruckten Jubelpredigt eines Jüterboger Geistlichen findet sich folgendes: „Das uralte Templein allhier, welches ungefähr nun vor vierzig und etlichen Jahren ist eingerissen worden, darinnen der heidnische Götzendienst der Wendischen Morgengöttin soll sein geleistet worden, dies Templein ist in der Länge, Breite und Höhe bis an das Dach recht viereckigt von Mauersteinen aufgeführt gewesen, hat oben ein Kreuzgewölbe und darüber ein viereckigt zugespitztes Dach von hellen Steinen gehabt. Die Tür oder Eingang von abendwärts ist niedrig gewesen, also daß man im Eingehen sich etwas bücken müssen. Es hat auch keine Fenster gehabt, sondern nur ein rundes Loch etc. – also habe ich’s von mehreren Personen, die noch am Leben sind, beschreiben hören.“ (Allerdings ist diese Angabe, der man wohl einen größeren Wert als ihr zukommt, hat beilegen wollen, kein Beweis, daß das „Templein“ wirklich heidnisch gewesen sei. Das Kreuzgewölbe spricht sogar dagegen. Als man hier im Lande Kreuzgewölbe baute, war es mit dem Wendentum schon vorbei.)

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