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Der Zauberberg. Volume 2. Томас МаннЧитать онлайн книгу.

Der Zauberberg. Volume 2 - Томас Манн


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ja, auch die Strohstühle, der Tisch und selbst die Wasserflasche stammten aus dessen Besitz, und mehr noch: die Strohstühle hatten sogar schon dem Großvater Carbonaro ge-hört, zu Mailand hatten sie die Wände seines Advokatenbureaus geschmückt. Das war eindrucksvoll. Die Physiognomie der Stühle gewann etwas politisch Wühlerisches in den Augen der jungen Leute, und Joachim verließ den seinen, auf dem er nichtsahnend mit übergeschlagenem Beine gesessen hatte, be-trachtete ihn mißtrauisch und nahm ihn nicht wieder ein. Hans Castorp aber, am Stehpult Settembrinis des Älteren, bedachte, wie nun der Sohn daran wirke, indem er die Politik des Groß-vaters mit dem Humanismus des Vaters zur schönen Literatur vereinige. Dann gingen sie alle drei. Der Schriftsteller hatte sich erboten, die Vettern heimzugeleiten.

      Sie schwiegen ein Stück Weges, aber ihr Schweigen handelte von Naphta, und Hans Castorp konnte warten: er war gewiß, daß Herr Settembrini auf seinen Hausgenossen zu sprechen kommen werde, ja, daß er zu diesem Zweck mit ihnen gegan-gen sei. Er täuschte sich nicht. Nach einem Aufatmen, das einem Anlauf gleichkam, begann der Italiener:

      "Meine Herren – ich möchte Sie warnen."

      Da er eine Pause eintreten ließ, so fragte Hans Castorp natür-lich mit falscher Verwunderung: "Wovor?" Er hätte wenigstens fragen können: "Vor wem?" aber er faßte sich unpersönlich, um seine ganze Unschuld zu bekunden, während doch sogar Joachim genau Bescheid wußte.

      "Vor der Persönlichkeit, deren Gäste wir soeben waren", antwortete Settembrini, "und deren Bekanntschaft ich Ihnen gegen Wunsch und Absicht vermittelt habe. Sie wissen, der Zufall wollte es, und ich konnte nicht umhin; aber ich trage die Ver-antwortung und trage schwer daran. Es ist meine Pflicht, Ihre Jugend wenigstens auf die geistigen Gefahren hinzuweisen, die sie im Umgang mit diesem Manne läuft, und Sie übrigens zu bitten, den Verkehr mit ihm in weisen Grenzen zu halten. Seine Form ist Logik, aber sein Wesen ist Verwirrung."

      Na, allerdings, meinte Hans Castorp, so ganz geheuer sei es ja wohl gerade nicht mit Naphta, ein bißchen sonderbar muteten seine Reden wohl manchmal an; es hätte ja geradezu geklungen, als wollte er wahrhaben, daß die Sonne sich um die Erde drehe. Doch schließlich, wie hätten sie, die Vettern, auf den Gedanken kommen sollen, es könne unratsam sein, mit einem Freunde von ihm, Settembrini, in gesellschaftlichen Verkehr zu treten? Er sage es selbst: durch ihn hätten sie Naphta kennengelernt, mit ihm hätten sie ihn getroffen, er gehe mit ihm spazieren, er komme zwanglos zu ihm zum Tee herunter, das beweise doch – .

      "Gewiß, Ingenieur, gewiß." Herrn Settembrinis Stimme klang sanft, resigniert und enthielt doch ein leises Beben. "Dies läßt sich mir erwidern, und darum erwidern Sie es mir. Gut, ich verantworte mich bereitwillig. Ich lebe mit diesem Herrn unter einem Dach, Begegnungen sind unvermeidlich, ein Wort gibt das andere, man macht Bekanntschaft. Herr Naphta ist ein Mann von Kopf – das ist selten. Er ist eine diskursive Natur – ich bin es auch. Verurteile mich, wer will, aber ich mache Gebrauch von der Möglichkeit, mit einem immerhin ebenbürtigen Gegner die Klinge der Idee zu kreuzen. Ich habe niemanden weit und breit … Kurz, es ist wahr, ich komme zu ihm, er kommt zu mir, wir promenieren auch miteinander. Wir streiten. Wir streiten uns aufs Blut, fast jeden Tag, aber ich gestehe, die Gegensätz-lichkeit und Feindseligkeit seiner Gedanken bildet einen Reiz mehr für mich, mit ihm zusammenzutreffen. Ich brauche die Friktion. Gesinnungen leben nicht, wenn sie keine Gelegenheit haben, zu kämpfen, und – ich bin in den meinen gefestigt. Wie könnten Sie von sich dasselbe behaupten – Sie, Leutnant, oder auch Sie, Ingenieur? Sie sind ungewappnet gegen intellektuelles Blendwerk, Sie sind der Gefahr ausgesetzt, unter den Einwirkungen dieser halb fanatischen und halb boshaften Rabulistik Schaden zu nehmen an Geist und Seele."

      Ja, ja, sagte Hans Castorp, wohl wahr, sein Vetter und er, sie seien wohl mehr oder weniger bedrohte Naturen. Es sei die Ge-schichte mit den Sorgenkindern des Lebens, er verstehe. Aber demgegenüber könne man ja Petrarca anführen mit seinem Wahlspruch, Herr Settembrini wisse schon, und hörenswert sei es doch unter allen Umständen, was Naphta so vorbringe: man müsse gerecht sein, das mit der kommunistischen Zeit, für deren Ablauf niemand eine Prämie bekommen dürfe, sei vorzüg-lich gewesen, und dann habe es ihn auch sehr interessiert, eini-ges über Pädagogik zu hören, was er ohne Naphta wohl nie zu hören bekommen hätte …

      Herr Settembrini preßte die Lippen zusammen, und so beeil-te sich Hans Castorp hinzuzufügen, daß er selbst sich natürlich jeder Partei – und Stellungnahme enthalte, nur eben hörenswert habe er es gefunden, was Naphta über die Lust der Jugend ge-sagt habe.

      "Erklären Sie mir aber nun erst einmal eines!" fuhr er fort. "Da hat nun dieser Herr Naphta – ich sage 'dieser Herr', um an-zudeuten, daß ich durchaus nicht unbedingt mit ihm sympathisiere, sondern mich im Gegenteil innerlich höchst reserviert verhalte –"

      "Woran Sie wohltun!" rief Settembrini dankbar.

      " – Da hat er nun also eine Menge gegen das Geld geredet, die Seele des Staates, wie er sich ausdrückt, und gegen das Ei-gentum, weil es Diebstahl sei, kurz, gegen den kapitalistischen Reichtum, von dem er, glaube ich, sagte, er sei der Brennstoff des höllischen Feuers – so drückte er sich annähernd einmal aus, wenn ich nicht irre, und lobte das mittelalterliche Zinsverbot in allen Tönen. Und dabei, er selbst… Entschuldigen Sie, aber er muß doch … Es ist ja eine Überraschung sondergleichen, wenn man so bei ihm eintritt. All die Seide …"

      "Ei, ja", lächelte Settembrini, "das ist eine charakteristische Geschmacksrichtung."

      " … die schönen alten Meubles", erinnerte sich Hans Castorp weiter, "die Pietà aus dem vierzehnten Jahrhundert… Der venezianische Kronleuchter… der kleine Heiduck in Livree … und beliebig viel Schokoladebaumkuchen gab es auch … Er muß doch für seine Person –"

      "Herr Naphta", antwortete Settembrini, "ist für seine Person so wenig Kapitalist wie ich."

      "Aber?" fragte Hans Castorp … "Es ist nun ein Aber fällig in Ihrer Rede, Herr Settembrini."

      "Nun, die dort lassen keinen darben, der zu ihnen gehört."

      "Wer, "die dort'?"

      "Jene Vater."

      "Väter? Vater?"

      "Aber, Ingenieur, ich meine die Jesuiten!"

      Das gab eine Pause. Die Vettern zeigten größte Betroffenheit. Hans Castorp rief: "Was, Himmel, Kreuz, verflucht nochmal – der Mann ist ein Jesuit?!"

      "Sie haben es erraten", sprach Herr Settembrini fein.

      "Nein, nie im Leben hätte ich … Wer kommt denn auf so was! Darum also haben Sie ihn Padre tituliert?"

      "Das war eine kleine Höflichkeitsübertreibung", entgegnete Settembrini. "Herr Naphta ist nicht Pater. Die Krankheit ist schuld daran, daß er es vorderhand nicht soweit gebracht hat. Aber er hat das Noviziat absolviert und die ersten Gelübde ge-tan. Die Krankheit zwang ihn, seine theologischen Studien zu unterbrechen. Er hat dann noch einige Jahre als Präfekt in ei-nem Ordensinstitut Dienst verrichtet, das heißt: als Aufseher, Präceptor, Gouverneur der jungen Zöglinge. Das kam seinen pädagogischen Neigungen entgegen. Hier kann er ihnen weiter nachhängen, indem er am Fridericianum Lateinisch lehrt. Er ist seit fünf Jahren hier. Es ist unsicher geworden, ob und wann er diesen Ort wird verlassen dürfen. Aber er ist Angehöriger des Ordens, und wäre er ihm selbst lockerer verbunden, es könnte ihm nirgends fehlen. Ich sagte Ihnen, daß er für seine Person arm, will sagen: besitzlos ist. Natürlich, das ist Vorschrift. Aber der Orden verfügt über ungemessene Reichtümer, und er sorgt für die Seinen, wie Sie sahen."

      "Donner-keil", murmelte Hans Castorp. "Und ich habe überhaupt nicht gewußt und gedacht, daß es sowas in allem Ernste noch gäbe! Ein Jesuit. Ja so! … Aber sagen Sie mir eins: Wenn er nun also von dorther so wohl versorgt und versehen ist – warum in aller Welt wohnt er dann … Ich will gewiß Ih-rem Logis nicht zu nahe treten, Herr Settembrini, Sie haben es reizend bei Lukaçek, so angenehm separiert und außerdem be-sonders traulich. Ich meine aber: wenn Naphta es nun doch so dicke hat, um mich gewöhnlich auszudrücken – warum nimmt er sich nicht eine andere Wohnung, statiöser, mit ordentlichem Aufgang und großen Zimmern, in einem feinen Haus? Es hat ja direkt was Verstecktes und Abenteuerliches, wie er da in dem Loch mit all seiner Seide …"

      Settembrini zuckte die Achseln.

      "Es


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