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Die Versuchung: Ein Gespräch des Dichters mit dem Erzengel und Luzifer. Franz WerfelЧитать онлайн книгу.

Die Versuchung: Ein Gespräch des Dichters mit dem Erzengel und Luzifer - Franz Werfel


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      Die Versuchung: Ein Gespräch des Dichters mit dem Erzengel und Luzifer

      DIE VERSUCHUNG

WüsteDer Dichter:

      Sie haben vor den Pyramiden Aida aufgeführt. Ich jauchzte, als ich die superbe Auffahrt vor den berühmten Jahrtausenden sah.

      Und diese Beleuchtungen, diese Fanfaren, diese Musik, die all die liebgewonnenen Theaterschicksale in luxuriös unsterbliche Melodien setzt. Ich war diesen Nachmittag so glücklich. Nichts als ein Kultus, ein ewiger Kniefall für dich, Miß Olivia. Warum hast du mir das getan? Wo ich doch jenes glückliche Lachen hatte, das in mir Tribünen und Automobile, Fellachen und Ladies, Sphynxe und Statistenbäuche, Kamele und Wiener Kaffees tanzen ließ.

      Warum mußtest du sagen, daß ich jenem braunen, o-beinigen Baritonisten ähnlich sehe! Weißt du denn nicht, wie eitel ich bin? Mußt du mich täglich zerschmettern? Das erstemal, als wir uns in Luzern auf der Reunion im Hotel National sahen und ich dich bebend, wie kein Kaiser vor einem Staatsstreich, zum Twostep aufforderte . . . schweige, Mensch! Unsäglicher Schlemihl. Alles um dich siegt.

      Nur du bist dumpf und zitterst vor jedem bißchen Leben, das du großartig das äußere nennst, und das dich, wenn du sicher bist, so seltsam gleichgültig läßt. Jeder Kellner unterjocht dich, jede Dirne blamiert dich.

      Apropos, peinige nur dein Herz. In einem Münchener Weinlokal, hat nicht ein Herr aus Magdeburg, ein Statistiker des jährlichen Niederschlages, ein Wetterprophet, ein Kerl wie Weißbier, die süße Erika, die du wie ein Legendenwesen behandeltest, von deiner Seite gerissen?

      Womit? Gott, ich muß zu meiner Schande gestehen, ich war die bessere Wurzen. —Womit? Mit welchem Heroentum? Er bestellte bei der Musik das Lied „Zeppelin kommt nach Berlin“, schlug mit den Fäusten den Takt, sprühte hinter seinem Zwicker, war eine durchwärmte, anschmelzende Büste von Vertraulichkeit und lustigem Wohlwollen . . . und hin war alles.

      Das ist das Gesicht der Sieger!

      Und du, Miß Olivia. Wie nenn’ ich dich?

      Du Element, du Abend, du leiblos Üppige, du Regen im Saal!

      Ich, ich sollte eifersüchtig sein!

      Haha, hätt’ ich doch wenigstens die menschliche Kraft dazu.

      Aber im Grunde verehre ich die anderen.

      Das sind große Herren, in sich, voll Ruhe, Gemessenheit und Mittelpunkt. Sie haben das Leben wie sie’s wollen. Heute und morgen ist ihnen ein Ziel. Was daneben geht ein Malheur. Und du, Miß Olivia, was bist du ihnen? Etwas, was man erreichen und besitzen kann.

      Begreift dich denn einer?

      „Gemach,“ falle ich mir selbst ins Wort, „willst du denn etwas anderes als erreicht und besessen werden? Du rechnest nur zu gut. Alles, was du tust, ist Rechnung.“ Und ich fühle in diesem Moment wieder bis ins Mark, wie ich Narr des Zufalls dir fremd und widerlich sein muß.

      Und doch, nur ich empfinde dich, nur ich empfinde deine Seele, nur ich deine metaphysische Erscheinung zur Welt.

      Warum, wenn du die Hotel-Hall betrittst und in die Hände klatschend ausrufst „Kinder, das war schön, den ganzen Vormittag sind wir im Segelboot gesessen und haben uns treiben lassen“, warum werde ich dann so müde und traurig?

      Warum muß ich an einen ganz bestimmten schwindsüchtigen, todbleichen Lehrer aus dem Erzgebirge denken, wie er aus seinem engbrüstigen Häuschen tritt und aus dem dünnen Vorbeet einen Salatkopf zieht? Warum habe ich diese Vision vom Aztekenkönig Montezuma? Wie dieser in überirdischer Märtyrerheiterkeit, goldgepanzert und konradinblond auf der Freitreppe seines brennenden Palastes steht? Sehe ich dich in Balltoilette, warum habe ich das rasche überwältigende Gefühl von Hochtouren, Durst, Ahnung von Quellensturz und jauchzende Glieder?

      Gott, Gott, bin ich das Medium, das dich ahnungslos in dir Beruhende mit der Welt verbindet, bin ich jener leitende bewußte Stoff zwischen dir und der Unendlichkeit?

      Das ist es ja. Die Andern sind Menschen!

      Schon was sie wollen, gehört ihnen. Sie bemessen ja einander nach Willen und Erfolg.

      Meine Sehnsucht ist Flucht, mein Streben ein Wegstreben.

      O ich Midas. Was ich berühre, wird unnahbar, fern und heilig und läßt mich allein.

      Und warum mir gerade dies fürchterliche Geschenk der Poesie? Es leben noch durchdringendere unwiderrufliche Geister, es leben schwellendere, wirksamere, umfassendere Herzen.

      Warum mir ein Schicksal, das ich nicht zu ertragen vermag?

      Ich kann diesen irdischen Vergnügen, an denen ich täglich strande, nicht entsagen.

      Ich brauche diese Atmosphäre von Welt, die mich ewig beschämt. Ich brauche die Rennplätze, die Strandkasinos, diesen kosmopolitischen Jargon, den ich durchschaue. Ich brauche diese glänzenden Terrassen, auf denen ich mich minderwertig erzeige.

      Warum, warum dieser Dämon, der mich immer zur Demütigung treibt?

      O du verhaßtes, geliebtes Menschentum.

      Du angebetet, wohlerwogenes Handeln aus Gründen, du bespien ersehntes Beschränktsein!

Satan:

      Was jammerst du? Ich will dir helfen.

Der Dichter:

      O Satan!

      So krümme ich mich zu deinen Füßen.

      Zermalmter, von den Dingen verzehrter, hochmütiger von den Stunden behandelt ist auf dieser ganzen Welt kein Wesen, als ich. Ich wanke erhaben zwischen den konstanten Naturen. Jeder Gegenstand ruft mir zu: „Schau mal an, wie fest ich bin. Versuch’s doch, mach mir’s nach. Ich pfeife auf den Auf- und Abschwung deiner Seele. Damit kommt man nicht weit. Und das Leben ist doch plausibel, und manches wäre zu erringen. Was mein Teil ist, wird mein sein. Hörst du? Ich fühle mich wohl in mir; dann streck ich bloß die Hand aus und was ich will, habe ich. Aber eins, Väterchen, ist nötig. Festigkeit, ein Charakter!“

      So flüstert’s um mich.

      Und erst die Verzweiflung in mir.

      Schwächling, nicht fähig ein Schicksal zu ertragen. Du Unsittlicher! Du erkennst das Gute, dich empört die Niedrigkeit, manchmal schwillt es in dir empor, die verfaulte Welt niederzurennen und in deinem Innern Ordnung und Gesetz zu schaffen, vermagst du nicht. Satan, Satan, was soll mir die Kraft, im Banalen das Ewige zu sehen, was soll mir die Wonne, Entzücken in der Vernichtung zu fühlen?

      Ich habe niemals ein festes Ja gesagt! Ich war niemals Mensch!

      Mein Wunsch macht mich lächerlich, Satan, gib mir einen Charakter!

Satan:

      Sieh’ hin, was ich dir geben will, Sterblicher.

Der Dichter:

      Was ich erblicke, sind die Reiche dieser Welt.

Satan:

      Und mehr als die Reiche dieser Welt sollen dein sein.

      Ich will dir unschätzbare Eigenschaften verleihen. Ich will dir die Eigenschaft verleihen, daß niemals dein Frackhemd ermatte, daß niemals die klare Eleganz deines Smokings sich trübe. Begreife wohl, das sind Eigenschaften, die ich nicht etwa nur zu deinem Äußeren füge, nein, in dein Gemüt senke ich geheime geschlossene Kräfte. Um deinen Mund lebe ein Lächeln, das dich fürchterlich macht. Quintessenz der Diplomatie spiegle der Glanz deiner gestrafften Stirnhaut. Eine Kälte sei dein, die Menschen zum Spielzeug macht. Die Stunde sei deine Sklavin. Spürst du schon deine unabwendbaren Schritte in den Spielsälen? Spürst du schon den Rausch finanziell wahnsinniger Machinationen? Ahnst du deine neue Welt? In den Hallen des Verwaltungsrats, im Direktionszimmer enormer Opernunternehmungen?

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