Das Nibelungenlied. UnknownЧитать онлайн книгу.
zu Pfand.
Wenn ihr denn so kühn seid, wie euch die Sage zeiht,
So frag ich nicht, ists Jemand lieb oder leid:
Ich will von euch erzwingen, was euch angehört,
Das Land und die Burgen unterwerf ich meinem Schwert."
Der König war verwundert und all sein Volk umher,
Als sie vernahmen sein seltsam Begehr,
Daß er ihm zu nehmen gedächte Leut und Land.
Das hörten seine Degen, die wurden zornig zuhand.
"Wie sollt ich das verdienen," sprach Gunther der Degen,
Wes mein Vater lange mit Ehren durfte pflegen,
Daß wir das verlören durch Jemands Ueberkraft?
Das wäre schlecht bewiesen, daß wir auch pflegen Ritterschaft!"
"Ich will davon nicht laßen," fiel ihm der Kühne drein,
"Von deinen Kräften möge dein Land befriedet sein,
Ich will es nun verwalten; doch auch das Erbe mein,
Erwirbst du es durch Stärke, es soll dir unterthänig sein.
"Dein Erbe wie das meine wir schlagen gleich sie an,
Und wer von uns den Andern überwinden kann,
Dem soll es alles dienen, die Leute wie das Land."
Dem widersprach da Hagen und mit ihm Gernot zuhand.
"So stehn uns nicht die Sinne," sprach da Gernot,
"Nach neuen Lands Gewinne, daß Jemand sollte todt
Vor Heldeshänden liegen: reich ist unser Land,
Das uns mit Recht gehorsamt, zu Niemand beßer bewandt."
In grimmigem Muthe standen da die Freunde sein.
Da war auch darunter von Metz Herr Ortewein.
Der Sprach: "Die Sühne ist mir von Herzen leid:
Euch ruft der starke Siegfried ohn allen Grund in den Streit.
"Wenn ihr und eure Brüder ihm auch nicht steht zur Wehr,
Und ob er bei sich führte ein ganzes Königsheer,
So wollt ichs doch erstreiten, daß der starke Held
Also hohen Uebermuth, wohl mit Recht bei Seite stellt."
Darüber zürnte mächtig der Held von Niederland:
"Nicht wider mich vermeßen darf sich deine Hand:
Ich bin ein reicher König, du bist in Königs Lehn;
Deiner zwölfe dürften mich nicht im Streite bestehn."
Nach Schwertern rief da heftig von Metz Herr Ortewein:
Er durfte Hagens Schwestersohn von Tronje wahrlich sein;
Daß er so lang geschwiegen, das war dem König leid.
Da sprach zum Frieden Gernot, ein Ritter kühn und allbereit.
"Laßt euer Zürnen bleiben," hub er zu Ortwein an,
"Uns hat der edle Siegfried noch solches nicht gethan;
Wir scheiden es in Güte wohl noch, das rath ich sehr,
Und haben ihn zum Freunde; es geziemt uns wahrlich mehr."
Da sprach der starke Hagen "Uns ist billig leid 125 und all euern Degen, daß er je zum Streit an den Rhein geritten: was ließ er das nicht sein? So übel nie begegnet wären ihm die Herren mein."
Da sprach wieder Siegfried, der kraftvolle Held:
"Wenn euch, was ich gesprochen, Herr Hagen, missfällt,
So will ich schauen laßen, wie noch die Hände mein
Gedenken so gewaltig bei den Burgunden zu sein."
"Das hoff ich noch zu wenden," sprach da Gernot.
Allen seinen Degen zu reden er verbot
In ihrem Uebermuthe, was ihm wäre leid.
Da gedacht auch Siegfried an die viel herrliche Maid.
"Wie geziemt' uns mit euch zu streiten?" sprach wieder Gernot
"Wie viel dabei der Helden auch fielen in den Tod,
Wenig Ehre brächt uns so ungleicher Streit."
Die Antwort hielt da Siegfried, König Siegmunds Sohn, bereit:
Warum zögert Hagen und auch Ortewein,
Daß er nicht zum Streite eilt mit den Freunden sein,
Deren er so manchen bei den Burgunden hat?"
Sie blieben Antwort schuldig, das war Gernotens Rath.
"Ihr sollt uns willkommen sein," sprach Geiselher das Kind,
"Und eure Heergesellen, die hier bei euch find:
Wir wollen gern euch dienen, ich und die Freunde mein."
Da hieß man den Gästen schenken König Gunthers Wein.
Da sprach der Wirth des Landes: "Alles, was uns gehört,
Verlangt ihr es in Ehren, das sei euch unverwehrt;
Wir wollen mit euch theilen unser Gut und Blut."
Da ward dem Degen Siegfried ein wenig sanfter zu Muth.
Da ließ man ihnen wahren all ihr Wehrgewand;
Man suchte Herbergen, die besten, die man fand:
Siegfriedens Knappen schuf man gut Gemach.
Man sah den Fremdling gerne in Burgundenland hernach.
Man bot ihm große Ehre darauf in manchen Tagen,
Mehr zu tausend Malen, als ich euch könnte sagen;
Das hatte seine Kühnheit verdient, das glaubt fürwahr.
Ihn sah wohl selten Jemand, der ihm nicht gewogen war.
Flißen sich der Kurzweil die Könge und ihr Lehn,
So war er stäts der Beste, was man auch ließ geschehn.
Es konnt ihm Niemand folgen, so groß war seine Kraft,
Ob sie den Stein warfen oder schoßen den Schaft.
Nach höfscher Sitte ließen sich auch vor den Fraun
Der Kurzweile pflegend die kühnen Ritter schaun:
Da sah man stäts den Helden gern von Niederland;
Er hatt auf hohe Minne seine Sinne gewandt.
Die schönen Fraun am Hofe erfragten Märe,
Wer der stolze fremde Recke wäre.
"Er ist so schön gewachsen, so reich ist sein Gewand!"
Da sprachen ihrer Viele: "Das ist der Held von Niederland."
Was man beginnen wollte, er war dazu bereit;
Er trug in seinem Sinne eine minnigliche Maid,
Und auch nur ihn die Schöne, die er noch nie gesehn,
Und die sich doch viel Gutes von ihm schon heimlich versehn.
Wenn man auf dem Hofe das Waffenspiel begann,
Ritter so wie Knappen, immer sah es an
Kriemhild aus den Fenstern, die Königstochter hehr;
Keiner andern Kurzweil hinfort bedurfte sie mehr.
Und wüst er, daß ihn sähe, die er im Herzen trug,
Davon hätt er Kurzweil immerdar genug.
Ersähn sie seine