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Dunst. Иван ТургеневЧитать онлайн книгу.

Dunst - Иван Тургенев


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starb in demselben Jahre, als ihr Sohn in die Moskauer Universität eintrat. Er beendigte seine Erziehung dort nicht, aus Gründen, die der Leser später erfahren wird, lebte dann eine Zeit lang auf dem Lande, wo er ohne Beschäftigung, ohne Umgang einige Zeit seinen Grübeleien nachhing. Dank der Unbeliebtheit, in der er bei seinen Gutsnachbarn war, die zwar die Theorie der Unschädlichkeit des westeuropäischen »Absynthe« noch nicht kannten, dafür aber sich desto fester an den einheimischen Kornbranntwein hielten, und dem Litwinow nicht, gleich ihnen, seine Huldigung darzubringen verstand, gerieth er im Jahre 1855 unter die Landwehr, und wäre in der Krim fast am Typhus gestorben, ohne einen einzigen der gegen Rußland Alliirten gesehen zu haben, stand dann während sechs Monate am Ufer des Azowschen Meeres in einer Erdhütte, lebte darauf wieder auf seinem Gute und fand endlich Behagen an der Landwirthschaft. Er begriff, daß das mütterliche Gut schlecht von seinem alt werdenden Vater verwaltet wurde und nicht den zehnten Theil der Einnahmen brachte, die es hätte bringen müssen, und daß es in kundigen Händen zu einer Goldgrube werden könne; da er aber selbst zu geringe Kenntniß in der Landwirthschaft besaß, so reiste er in‘s Ausland, um Agronomie und Technologie tüchtig zu studiren. Länger als vier Jahre brachte er in Mecklenburg, Schlesien und Karlsruhe zu, bereiste Belgien und England, arbeitete fleißig, erwarb sich Kenntnisse und befand sich jetzt auf dem Wege in die Heimath, wohin ihn lange schon sein Vater zurückrief, dem die Wirthschaft immer mehr und mehr über den Kopf gewachsen war, und der bei der Emancipation der Bauern und den dadurch entstandenen neuen Verhältnissen zuletzt nicht mehr wußte, wo aus noch ein . . . Wenn nun dem so, warum befand er sich denn aber jetzt in Baden-Baden?

      Nun, der Grund seiner Anwesenheit war, – daß er hier von Tag zu Tag die Ankunft seiner weitläufigen Verwandten und Braut, Tatiana Petrowna Schestow, erwartete. Seit seiner frühesten Kindheit schon mit ihr bekannt, hatte er den Frühling wie den Sommer mit ihr in Dresden verlebt, wo sie sich mit ihrer Tante diese Zeit über niedergelassen hatte-.

      Aufrichtig liebte und tief verehrte er seine junge Anverwandte und beendigte die Vorbereitungen zu seiner neuen Laufbahn damit, daß er ihr als seiner Auserwählten, seiner treuen Freundin und Gefährtin Herz und Hand anbot, Glück und Leid, Arbeit und Ruhe mit ihm zu theilen, »for better, for worse,« wie der Engländer sagt.

      Sie willigte ein, und er begab sich nach Karlsruhe, wo seine Bücher, Sachen, Papiere zurückgeblieben waren.

      »Nun, was thut er aber denn in Baden-Baden?« höre ich wieder fragen.

      In Baden befand er sich aus dem Grunde, weil die Tante seiner Braut, die sie erzogen hatte, Kapitolina Markowna Schestow, eine alte Jungfer von fünfundfünfzig Jahren, die gutmüthigste und ehrlichste Seele zwar, aber Sonderling und Freigeist, die eingefleischteste Feindin der großen Welt und der Aristokratie, doch der Versuchung nicht widerstehen konnte, wenn auch nur einmal, ein Stückchen dieser großen Welt an einem so modischen Badeorte, wie Baden, näher kennen zu lernen.

      Kapitolina Markowna ging ohne Crinoline und trug ihr graues Haar kurz geschnitten, à l‘enfant. Luxus und Glanz zu verachten und zu verhöhnen, machte ihr herzliche Freude . . . Warum nicht der lieben Alten diese Freude in vollem Maße gewähren?

      Und darum nun saß Litwinow so ruhig und unbekümmert da, blickte so selbstvertrauend um sich, weil das Leben eben so ungetrübt vor ihm lag, weil sein Schicksal entschieden und er stolz auf dasselbe war und sich desselben, als der Errungenschaft seines Fleißes, freute.

      Drittes Capitel

      »Ba, ba, ba, ist’s möglich?« gellte plötzlich eine kreischende Stimme in Litwinows Ohr, und eine plumpe Hand klopfte auf seine Schulter.

      Er erhob den Kopf und erkannte einen seiner zahlreichen Moskauer Bekannten, einen gewissen Bambaew, einen gutmüthigen, hohlköpfigen, nicht mehr jungen, schwammig aufgedunsenen Menschen mit plumper Nase und rothem Gesicht. Beständig ohne Geld und beständig für irgend etwas enthusiasmirt, trieb sich Bambaew ohne Ziel, aber immer schreiend, auf Gottes weiter Welt umher.

      »Das nenne ich ein angenehmes Zusammentreffen!« rief er, seine verschwollenen Glotzaugen aufreißend und seinen gefärbten Schnurrbart liebkosend streichelnd. »Da lob’ ich mir Baden! Wie zu einem Ameisenhaufen kriecht hier Alles zusammen! Wie bist Du denn hierher gekommen?«

      Bambaew hatte die edle Gewohnheit, Jeden zu duzen.

      »Ich bin vorgestern angekommen.«

      »Woher?«

      »Das kann Dir gleichgültig sein.«

      »Wie? Gleichgültig? Ei gewiß nicht! . . . Richtig, ich kann mir’s denken. Du hast gewiß gehört, daß Gubarow in höchsteigener Person hier sein wird. Nun, er ist gestern aus Heidelberg herübergekommen. Natürlich kennst Du ihn?«

      »Ich habe von ihm gehört.«

      »Sonst nichts? Wart’, wart’, ich werde Dich gleich zu ihm führen. Einen solchen Menschen nicht zu kennen, ist ja fast ein Verbrechen! . . . Ah, sieh da! da kommt auch Woroschilow. Den kennst Du vielleicht auch nicht? . . . Meine Herren, ich habe die Ehre, Sie einander vorzustellen. Ein paar Gelehrte, dieser da sogar ein Phönix!«

      Fünf Minuten später stiegen alle Drei die Treppe des Hotels hinauf, wo Stephan Nikolaewitsch Gubarow abgestiegen war.

      Eine schlanke Dame von hohem Wuchse, in einem Hute mit kurzem dunklen Schleier, eilte rasch die Treppe hinab. Als sie Litwinow bemerkte, blieb sie plötzlich, wie im höchsten Grade überrascht, einen Augenblick stehen und schien sich an ihn wenden zu wollen; unter dem Schleier war ein heftiges Erröthen, dann ein eben so plötzliches Erbleichen zu bemerken; Litwinow, der sich gerade zu Bambaew gewendet hatte, bemerkte sie jedoch nicht; die Dame ihrerseits eilte darauf noch rascher die Stufen hinab.

      Bei Gubarow fand Litwinow eine bunte Gesellschaft Russen: Officiere, die eine kurze Urlaubszeit in Europa zubrachten, neugierig und halb furchtsam, daß ihr Regimentschef ihren Abstecher zu einem zwar als klug, aber etwas gefährlich verschrieenen Literator erfahren werde; Studenten, die zeitweise in Heidelberg studirten, in nachlässiger, genial sein sollender Toilette, mit langen Haaren und Bärten, verächtlich und hochmüthig auf Alles herabsehend, was irgend einen Anstrich von feinerer Bildung und aristokratischen Manieren zeigte; ein paar Gutsbesitzer, denen die Emancipation der Bauern nicht nach ihrem Sinne war, weil es sie in Zukunft hinderte, die von denselben bisher fast willkürlich erpreßten Abgaben zu verprassen; weiter eine Art Blaustrumpf, eine gewisse Mattena Semeonownowna Suchantschikow, die, als Wittwe ohne Kinder und mit geringen Mitteln, seit ein paar Jahren im Auslande von Ort zu Ort wanderte, sich mit besonderer Erbitterung über Russland und seine Zustände ausließ und eine große Verehrerin Gubarows war. Noch saß in einer Ecke des Zimmers eine ziemlich plump und linkisch aussehende Figur, die Keinem vorgestellt und von Niemandem in‘s Gespräch gezogen wurde, aber doch eine aufmerksam zuhörende, scharf beobachtende Persönlichkeit zu sein schien. Was nun endlich den Herrn der Wohnung, den genialen Löwen des Tages, den gefürchteten, hochverehrten Gubarow anbetraf, so war Litwinow nicht wenig erstaunt, als er demselben vorgestellt wurde und in ihm eine sehr gewöhnliche Persönlichkeit fand, mit breitem Stierkopfe, breiter, etwas viereckiger Stirn, breitem langem Barte, breitem Nacken und breiten schielenden, meist zu Boden gerichteten Augen, so daß er eher das Aussehen eines Gutsbesitzers aus der Provinz als eines Gelehrten hatte.

      Nachlässig in einen breiten Paletot, graue weite Beinkleider und Morgenschuhe gekleidet, hatte er die Gewohnheit, immer im Zimmer auf und ab zu wandern, nur hin und wieder irgend ein abgebrochenes Wort hinzuwerfen – gewissermaßen wie man bei der Tafel dem Hunde von Zeit zu Zeit einen Bissen oder einen Knochen zuwirft – und die Gesellschaft durch sein viel sagen sollendes Schweigen in Erstaunen zu sehen.

      »Er sammelt Material,« sagten seine Verehrer.

      Höchlich erstaunt schien er, als auf die Frage, die Jemand an Litwinow richtete: welcher Art seine politischen Ueberzeugungen seien? dieser lächelnd antwortete: »Was mich betrifft, so habe ich keine dergleichen.«

      Die linkische, plumpe Figur im Winkel erhob bei diesen Worten unwillkürlich den Kopf und blickte ihn lange aufmerksam an.

      »Aha, ein Unreifer!« bemerkte Gubarow kurz und setzte seinen unterbrochenen Spaziergang im Zimmer fort.

      Gegen zehn Uhr


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