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Eure Wege sind nicht meine Wege. Hermine WildЧитать онлайн книгу.

Eure Wege sind nicht meine Wege - Hermine Wild


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Augen die Wege und Pfade, die nach dem Hause führten.

      Allein was sie erwartete, das zeigte sich nicht. Leonie war in guter Aufsicht, und wenn sie auch den kleinen Vorfall aus ihrer Kindheit keineswegs vergessen hatte, so war sie doch viel zu sehr auf ihr eigenes Wohl bedacht, viel zu sehr von andern Wünschen und Plänen erfüllt, um dem ausgesprochenen Befehle ihres Vaters, ohne besondern Anstoß, zu trotzen.

      Auch heute stand der Lehnstuhl der Kranken neben dem Fenster, auch heute starrten ihre Augen in heißer Sehnsucht in die herbstgefärbte Landschaft hinaus. Der Arzt war gekommen und fortgegangen. Diese Nacht werde wohl die letzte sein, hatte er unten zu Thomas gesagt und eben schob dieser die schweren Riegel hinter dem Fortgehenden zu. Da schlich seine Mutter sacht aus dem Krankenzimmer zu ihm herab, um den letzten Ausspruch des Arztes zu vernehmen. Oben bei der Sterbenden blieb nur ein halberwachsenes Kind, eine arme Waise, welche Thomas zu sich genommen, um der Mutter in der Pflege der Kranken beizustehen.

      Es war ein eingeschüchtertes, scheues Wesen, das in der unheimlichen Stille des Hauses kaum eine Bewegung zu machen oder ein lautes Wort zu sprechen wagte. Denn die alte Frau hatte die Gemächlichkeit, die sie zu Anfang mitgebracht, in ihrem Wächteramte längst verloren, und Thomas war mürrischer als je. Selbst für ihn war es ein trauriges Schauspiel, die gequälte, noch immer schöne Frau so Zoll für Zoll absterben zu sehen, und es ist kein Wunder, wenn die Zeit ihm lange währte, bis sie die letzte Erlösung fand.

      An jenem Kinde nun hatte die Frau in aller Stille sich eine Bundesgenossin gemacht. Wort für Wort, ohne daß Jemand darum wußte, hatte sie von ihr so viel von der deutschen Sprache gelernt, als sie bedurfte, um sich verständlich zu machen, um zu hören, was um sie her gesprochen wurde, obgleich niemals eine Miene in ihrem Gesichte verrieth, daß sie den Inhalt der Gespräche verstand.

      Geräuschlos war die Thüre in das Schloß gefallen, und der schleppende Gang der alten Frau war auf der Treppe verhallt. Die Lampe brannte auf dem Tische; in der Ecke saß das Mädchen mit rothgeweinten Augen angstvoll zusammengedrückt und rührte sich nicht. Da erhob sich die Sterbende langsam aus ihrer liegenden Stellung, und mit einer gebieterischen Geberde winkte sie die Kleine herbei.

      Jetzt geh! – jetzt ist es Zeit! sagte sie.

      Das Mädchen fuhr zitternd in die Höhe.

      Hörst du mich, Tine? rief die Kranke ungeduldig.

      Das arme Kind sank in die Kniee: Ich kann nicht! hauchte sie in furchtbarer Angst – Ich darf nicht! – Mein Oheim jagt mich fort, wenn ich es thue! —

      Dann nimm den Fluch einer Sterbenden auf dich! – Weißt du denn nicht, daß du geschworen hast? – und ich habe Niemand zu schicken, als dich – und ich sterbe – ich sterbe! – Weh dir, wenn ich sterben muß in dieser Todesangst, die mich nicht sterben läßt! —

      Sie war aufgestanden und machte eine Bewegung auf das Mädchen zu. Doch dieses war todtenbleich – aufgesprungen.

      Ich gehe, sagte sie, mag mein Oheim mit mir thun, was er will. —

      Und leise und eilig hatte sie das Zimmer verlassen und schlich durch eine Hinterthüre zum Hause hinaus.

      Der Abend war unterdessen angebrochen, der trübe Herbstabend, der sich ohne Sternenlicht in seinem Nebelmantel feucht über die erstarrende Erde legt. Leonie saß noch immer am Klavier in dem verdunkelten Zimmer; aber Fräulein Pertold hatte sie verlassen, und in dieser Stunde der Einsamkeit lag auf der jungen Stirn ein Ausdruck, der von dem ruhiger Heiterkeit, den sie vorhin trug, sehr verschieden war. Es war der Ausdruck tiefster Langeweile und Abgespanntheit. Die zierlichen Hände glitten in nachlässiger Trägheit über die Tasten und lockten Accorde daraus hervor, die ohne Ordnung und Verbindung, wie sie schienen, die oft unterbrochene Begleitung für die unruhigen Gedanken des jungen Mädchens bildeten. – O Gott! dachte sie, wann wird das enden? Wie bin ich müde, müde, müde! – Otto liebt das Landleben – ja freilich – er ist immer in der Stadt! – Wie glücklich sind die Knaben! Sie können fort. – Was gäbe ich darum, ein Knabe zu sein! – Trab – trab – ein Tag wie der andere. Das ewige Einerlei bringt mich noch um. Der Vater und Fräulein Pertold – Fräulein Pertold und der Vater – die Pertold ist langweilig – sie sagt, ich sei schön – das weiß ich ohne sie, aber was nützt es mir hier? Mit dem Vater kann ich einmal nichts machen – ich habe die Hoffnung aufgegeben. – O diese ewige Verstellung – und wozu? Er glaubt mir doch nicht! – Die Pertold schauʼ ich durch und durch, die habʼ ich auswendig gelernt, sie wartet auf eine Pension. – O hätte sie sie doch und ließe mich in Ruhe! – Dann die Frau Pastorin – die ist gut wenigstens – ich glaube auch, sie hat mich lieb – das ist aber Alles alt, und was gehtʼs mich an? – Es ist doch nicht, was ich will – und was ich will, das ist nicht hier in diesem alten Loche – von der Pertold kann ich nichts mehr lernen – was sie weiß, weiß ich jetzt auch – sie sagt, ich sei eine ganze Dame. – O Welt – wann öffnest du dich mir?

      Hier sanken die Hände wie erschöpft von den Tasten herunter, und Leonieʼs Kopf senkte sich auf das Klavier. In demselben Augenblicke klopfte es an die Thüre. Leonie erhob sich rasch, Langeweile und Abspannung waren aus ihren Zügen verschwunden, ein Lächeln spielte um den Mund. Herein! rief sie; die Thüre öffnete sich, und athemlos und weinend erschien Tine auf der Schwelle.

      Des Fräuleins Gesicht überflog ein Ausdruck von Ueberraschung und leichtem Mißvergnügen, aber Tine war zu aufgeregt, um es zu bemerken.

      Ach, Fräulein, rief sie hastig und zog die Thüre vorsichtig hinter sich zu, verrathen Sie mich nicht, um Gottes willen! Die wahnsinnige Frau bei meinem Onkel Thomas liegt im Sterben und will Sie durchaus sehen.

      Ueber Leonieʼs bewegliche Züge flog ein neuer Wechsel, reine Verwunderung war das Erste, dann blitzten ihre Augen auf, und ihre erste Bewegung war ein Schritt nach der Thüre. Doch plötzlich hielt sie inne und überlegte einen Augenblick. Freilich war sie der Lösung des Räthsels nahe, die sie einst mit so leidenschaftlicher Gier gesucht – aber würde ihr Vater nicht erfahren, wo sie gewesen? würde er selbst vielleicht in dieser letzten Minute die Frau nicht sehen wollen, für welche er ein so reges, wenn auch feindseliges Interesse an den Tag gelegt? – Sie schwankte und wandte sich unschlüssig wieder ab.

      Mit einem angstvollen Blick folgte Tine jeder ihrer Bewegungen. O Fräulein! bat sie wieder; doch Leonie hörte sie nicht, ihre Gedanken schlugen eine andere Wendung ein. Und sollte sie einer einfachen Möglichkeit wegen, die vielleicht nicht in Erfüllung gehen würde, die Gelegenheit aufgeben, die einzige, die sich nie mehr bieten würde, dieses Räthsel endlich aufgeklärt zu sehen? O dieses Räthsel, mit dem das Leben ihres Vaters vielleicht so eng verflochten war, dieses Vaters, der nie einen freundlichen Blick für sie gehabt – und sie sollte nicht erfahren, was er so heimlich vor der Welt verbarg? – Sie sollte nicht wissen, aus welchem dunklen Grunde die Wurzel dieses Thuns entsprang? Und warum? Wegen einer Möglichkeit, die vielleicht nicht in Erfüllung ging; – und wenn auch! dachte sie; die flüchtige Erregtheit wich einer leichten Blässe, und ihre Züge sammelten sich nach und nach in einen Ausdruck unbeugsamer Entschlossenheit – wenn auch – ist es mir erlaubt, die Bitte einer Sterbenden abzuschlagen? Was ist es mehr? Und – tödten kann er mich doch nicht.

      Rasch warf sie ein Tuch um Kopf und Schulter, und den nächsten Augenblick schon eilten sie Beide dem Waldhofe zu. Um dieselbe Stunde schlug Thomas bedächtigen Schrittes den Weg nach dem Schlosse ein.

      Seine alte Mutter indessen, nachdem sie seinen Bericht mit manchem Seufzer und bedeutsamem Achselzucken entgegengenommen und, sich auf Tineʼs Treue verlassend; außerdem noch einige kleine Vorkehrungen in den unteren Räumen ihres Hauses glücklich zu Ende gebracht, trippelte ruhigen Gewissens, so leise sie konnte, die knarrende Treppe wieder hinauf, und war nicht wenig überrascht und gekränkt, Tine auf ihrem Posten zu vermissen. Das Kind wird sich gefürchtet haben so allein, dachte sie, man kann sich aus die Jugend doch gar nicht verlassen. – Die Kranke war ruhig und athmete mühsam und leise. Die alte Frau zog ein Gebetbuch aus der Tasche, setzte die Brille auf die Nase und begann für die scheidende Seele zu beten. Alles war still. Die Zeit wurde ihr lang, ihr selbst war nicht sehr geheuer, und Tine kam noch immer nicht.

      Das Mädel muß wo eingeschlafen sein, sagte sie sich, es ist ja noch ein Kind, und das viele Wachen hat es ermüdet. – Draußen ertönten jetzt Schritte,


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