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Mutter Job. Hendrik ConscienceЧитать онлайн книгу.

Mutter Job - Hendrik Conscience


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der Ausdehnung des Grundstücke, das hier als Blumengarten einzig zum Vergnügen und zur Erholung bestimmt war, genugsam bemerken, daß die Familie der Jobs wohlhabend war und ein sorgloses Leben genoß.

      Einige Tage nach dem Preisschießen im »goldnen Adler« war Jan der Knecht aus dem Hof der Brauerei mit Pumpen beschäftigt; seine Bewegung waren zuweilen sehr langsam und manchmal unterbrach er seine Arbeit, als hätte ihn ein angreifender Gedanke entrückt. Dann blieb er sinnend stehn, das Auge auf die hölzerne Rinne gerichtet, worin das Wasser brausend floß, bis das Aufhören des Geräusches ihn aus seiner Zerstreuung weckte.

      Einige Schritte weiter rollte ein alter Küper die Tonnen, welche er diesen Tag ausgebessert oder gereinigt hatte, nach dem Thor der Brauerei. – Kein anderes Wesen war aus dem breiten Hof zu bemerken.

      Obwohl die letzten Strahlen der Abendsonne ihre Purpurfarben über die Gebäude warfen und lieblich zwischen dem Laub der Weinreben am Hause funkelten, so herrschte doch daselbst eine ungewohnte und trübe Stille, nur durch das scharfe Gekreisch der Pumpe und das eintönige Geräusch des Wassers unterbrochen.

      Da zeigte sich die Kuhmagd Line an der Stallthür und schritt unter geheimnißvollen Gebärden nach der Pumpe; Jan hielt mit seiner Arbeit inne und sah dem Mädchen fragend entgegen, während der Küper mit eben derselben Neugier herankam.

      »Der Doctor ist im Hause!« flüsterte die Magd.

      »Und was sagt er?« fragte Jan.

      »Ist es das Scharlachfieber?« fügte der Küper hinzu.

      »Ich weiß es nicht,« antwortete Line. »Er ist in das Zimmer gegangen, wo das Kind liegt. Man hat die Thür geschlossen, der Schlüssel steckt inwendig; ich kann durchs Schloß gar nichts sehen oder hören.«

      »Wenn es nun das Scharlachfieber wäre, Line? « seufzte Jan.

      »Ach, Gott, unser armes Engelbertchen! Aber es wird doch nicht das Scharlachfieber sein?«

      Der alte Küper brachte seine Finger an die Augen und antwortete mit einem traurigen Seufzer:

      »Wer kann es wissen? – Vor acht Tagen ist das Mieken von unserer Th’res auch am Scharlachfieber gestorben. Das Kind sah mich so gerne; als es den Geist aufgab, hielt es seine brechenden Aeuglein noch auf mich gerichtet; seine Lippchen bewegten sich, und es war mir, als wollte es sagen: lieber Großvater. – Seitdem bin ich nur noch halb da, Line; wenn ich wüßte, daß ich morgen sterben müßte, ich würde ohne Verdruß mein Haupt niederlegen. – Denn wenn mir Gott gnädig wäre, könnte ich unser Mieken da oben wiedersehen!«

      »Ach, Küper,« sprach Line tröstend, »Ihr müßt den Muth nicht so sinken lassen; denkt, daß wir alle einmal sterben müssen.«

      »Ja, ja, Line,« sagte der Küper, »so ist es, Kind. Ich bin beinahe siebzig Jahre. Sollte ich nicht wissen, was das Wort Tod bedeutet? Ich hab’ meinen Vater und meine Mutter begraben, drei Brüder, zwei Schwestern und fünf eigene Kinder; und außerdem habe ich am Grabe von allen denen gestanden, welche lebten, als ich jung war. Aber unser Mieken, ach! die Arme! Ich ließe mir gerne den linken Arm abhauen, wenn ich sie noch beim Leben sehen könnte!« —

      »Was wird Baas Johann sagen, wenn er nach Hans kommt? Er, der unser Engelbertchen so gern sieht, daß es nicht zu beschreiben ist; wenn das Kind nur einmal hustete, dann war er so verdrießlich und so böse, daß die ganze Brauerei davon verwirrt wurde.«

      »Er ist nach dem Hageland, um ein Pferd zu kaufen; unser Kobe ist ihm auf Befehl unserer Baasin mit der Post nachgereist, um ihn aufzusuchen. Es wäre aber besser, er fände ihn nicht. Unsre gute Frau hat so Noth genug. Was wird Baas Job anders thun, als knurren, zanken und böse sein? Davon wird das Kind nicht gesund werden.«

      »Ja, aber es ist doch der Vater; und wenn einmal etwas Schlimmes geschähe . . . wenn Engelbertchen . . . Gott, und er sollte es kalt finden, wenn er nach Hause kommt!«

      »Was bleibt der Dotter lange im Hause?« sagte Line.

      »Ja, ich glaub’ es wohl,« antwortete der Küper, »es ist zuerst nicht so leicht, zu sagen, ob das Kind das Scharlachfieber hat oder nicht.«

      Nachdem sie noch einige Bemerkungen über die unsichere Vorzeichen dieser bösen Krankheit gewechselt hatten, sahen sie Rosina mit Thränen in den Augen in den Hof treten und liefen ihr alle drei mit theilnehmender Neugier entgegen.

      »Ach, liebe Freunde, beklagt meine arme Mutter,« schrie die Jungfrau. »Es ist die Seuche.«

      »Das Scharlachfieber?« fragte Line erschrocken.

      »Ja, das Scharlachfieber,« wiederholte das Mädchen.

      »Ach, das unschuldige Lamm!«

      »Jungfer Rosina,« sagte der alte Küper, »Ihr braucht das nicht so schlimm zu nehmen. Von vieren, die die Krankheit kriegen, stirbt doch nur einer. Gott wird Euer liebes Brüderchen wohl schonen.«

      »Ich danke für Eure freundlichen Worte,« erwiederte Rosina.

      »Ja, Gott wird es schonen; denn, Freunde« Mutter wird es nicht sagen, daß ihr das Herz vor Schmerz vergeht; aber seid versichert, wenn unser Engelbertchen wie Euer armes Mieken sterben müßte, Mutter würde auch wohl ihr Haupt sinken lassen, und, und . . . dann würden wir Alle noch unglücklich werden . . . Und, Vater, wenn er nach Hause kommt, ach er wird rasend werden vor Verdruß,« Line und Jan konnten ihre Rührung nicht bezwingen. Der alte Küper allein hielt sich aufrecht und wiederholte mit tröstendem Tone:

      »Nein« so arg wird es nicht sein; wenn man das Kind warm hält, dann wird der Doctor es wohl gesund machen.«

      »Aber, was hat der Doktor gesagt?« schluchzte die Magd, »er muß doch wissen, ob es genesen wird oder nicht.«

      »Der Doctor ist noch bei dem Kinde,« antwortete Rosina. »Man hat mich lassen fortgehn.«

      Nach einigen Augenblicken stillen, traurigen Nachdenkens that Rosina einige Schritte, um sich zu entfernen, und sprach zu der Magd, indem sie sich langsam dem Eingang des Blumengartens näherte:

      »Lina, rufe mich« wenn der Doctor fortgeht; ich muß mich in der Gartenlaube niedersetzen. Ach, mein unglückliches Brüderchen!« —

      Die Sonne war untergegangen, sandte aber noch in rosigem Schimmer der Natur ihren heitern Abendgruß. Die Laube, unter deren Blättern Rosina saß und herzlich für ihr Brüderchen und ihre gute Mutter betete, schien mit Gold und Purpur übergossen: sie war umhüllt von süßen Blumendüften, die aus den umliegenden Beeten erquickend emporsteigen; die Vögel huschten noch durch die Zweige, bevor sie schlafen gingen und einige sandten die perlenden Klänge ihrer Stimme dem verbleichenden Tageslicht entgegen . . .

      Rosina war endlich unversehens in ein stilles Träumen versunken; man konnte es ihr ansehn, daß ihre Gedanken sich weit von dem kranken Kinde verirrt hatten. Zuweilen schüttelte sie zweifelnd den Kopf oder ein Zittern ergriff sie oder ein stilles trauriges Lächeln bewegte ihre Lippen.

      Plötzlich fuhr sie auf aus ihrer Zerstreutheit, brachte die Hand an die Stirn und flüsterte mit fast unhörbarer Stimme:

      »Gabriel, Gabriel! . . . Mein armer Vater« wie wird der erschrecken! Sein Engelbertchen, das Licht seiner Augen! Ach, wäre Gabriel hier, er würde uns trösten. Wem er heiter ist, kann er so schön und innig sprechen. Und Mutter würde ihm glauben. Aber ach! er ist nach Brüssel. Warum? Die Menschen sind doch sonderbar. Gabriel war böse auf mich; er floh aus dem »goldenen Adler«, als ich ihm nahte. Des andern Tags ist er am frühen Morgen ohne mein Wissen abgereist. Was mag das bedeuten? Seine Mutter sagt, daß er wegen einer eiligen Angelegenheit von seinem Vater nach Brüssel geschickt ist; aber die Thränen standen ihr in den Augen. Sollte der Vater Unglück haben? . . . Und jener Angstschrei in der Schloßallee? War es Gabriels Stimme? Ach« ich zittere. Es ist mir, als ob uns viel Unglück bedrohte! . . . Wenn nur mein Brüderchen wieder genesen könnte! Wenn nur Gott in seiner Güte meine armen Eltern mit diesem gräßlichen Schlag verschonen wollte . . . «

      Ein Geräusch von Schritten unterbrach ihre schmerzlichen Betrachtungen; sie sah im Gartenpfad Philomena, die Tochter des Bürgermeisters nahen, die geheimnißvoll mit dem Finger auf dem Mund


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