Die letzte Nacht Traupmanns. Иван ТургеневЧитать онлайн книгу.
welcher Meinung die Phrenologen über dem Schädel Traupmann’s sein würden, stellte die Frage der Todesstrafe auf . . . aber Alles war so fade, so abgeschmackt, bewegte sich so in Gemeinplätzen, daß die Redenden selbst keine Lust hatten, fortzufahren. Ueber etwas Anderes zu sprechen, war ungeschickt, unmöglich aus Respect gegen den Tod, gegen den Menschen, der ihm verfallen war. Unser Alter bemächtigte sich eine ermüdende und langsame, im engsten Sinne des Wortes langsame Unruhe; Langeweile war es nicht, Niemand langweilte sich, aber diese peinigende Empfindung war hundert Mal schlimmer als Langeweile. Es schien im Voraus, als ob diese Nacht kein Ende hätte! – Was mich persönlich betrifft, so fühlte ich Eins: und zwar Das, daß ich kein Recht hatte da zu sein, wo ich war; daß keinerlei psychologischen und philosophischen Erwägungen mich entschuldigten. Herr C*** kam zurück und erzählte uns, wie der bekannte Jud ihm aus den Händen entschlüpft sei – und wie er die Hoffnung nicht aufgebe, ihn, wenn er noch am Leben sei, zu erwischen. Aber plötzlich ertönte ein schweres Geräusch von Rädern und in wenig Augenblicken kam man, um uns zu sagen, daß die Guillotine angekommen sei. Wir stürzten Alle auf die Straße – gerade als ob wir uns freuten!
IV
Vor dem Thore selbst stand ein massiver, bedeckter Lastwagen, mit drei Pferden im Zug bespannt; ein zweiter, zweirädrigen kleiner und niedriger Lastwagen, der das Aussehen eines länglichen Kastens hatte und nur mit einem Pferde bespannt war, hielt etwas seitwärts. (Dieser Wagen war, wie wir später erfuhren, dazu bestimmt, unmittelbar nach der Hinrichtung den Leichnam aufzunehmen und nach dem Kirchhof zu bringen) Einige Arbeiter in kurzen Blousen waren neben den Lastwagen zu sehen und ein großer Mann in rundem Hute, weißem Halstuch, in einem leichten, auf die Schulter geworfenen Paletot, ertheilte halblaut Befehle . . . Es war der Henker. Alle Autoritäten, der Commandant, Herr C***, der Polizeichef des Viertels 2c., umgaben und begrüßten ihn schon. – »Ah! Monsieur Fedric! Bon soir! Monsieur Fedrici!« hörte man rufen. (Sein wirklicher Name ist Heidenreich; er ist ein Elsasser.) Auch unsere Gruppe ging zu ihm; er wurde ihr Centrum. In dem Verkehr mit ihm zeigte sich eine gewisse, forcirte, respektvolle Familiarität. Wir – so zu sagen – ekeln uns nicht vor Ihnen, Sie aber sind immer doch – eine wichtige Person. Einige von uns drückten ihm sogar, wahrscheinlich des Chics halber – die Hand. (Er hat schöne, auffallend weiße Hände.) Der Vers aus Puschkin’s Poltawa fiel mir ein:
Der Henker
Mit weißen Händen spielend.
Monsieur Fedrici selbst verhielt sich nur sehr einfach, weich und höflich, nicht ohne eine gewisse patriarchalische Wichtigkeit. Es schien, er fühlte es, daß er in dieser Nacht – in unseren Augen die zweite Person nach Traupmann und gewissermaßen sein erster Minister war. Die Arbeiter deckten den Wagen ab und machten sich daran, aus ihm die einzelnen Bestandtheile der Guillotine herauszunehmen, welche sie eben dort, fünfzehn Schritte vom Thore, aufrichten sollten.1 Zwei Laternen bewegten sich dicht an der Erde hin und her und beleuchteten mit hellen kleinen Kreisen die behauenen Steine des Pflasters. Ich sah nach der Uhr . . . Es war erst halb Eins! Die Luft war noch trüber und kälter geworden. Es hatte sich schon ziemlich viel Volk versammelt – und hinter den Reihen der Soldaten, welche den leeren Raum vor dem Gefängniß umgaben, begann ein langer, wirrer Lärm von Menschen sich zu erheben. Ich ging an die Soldaten heran: sie standen unbeweglich, nur waren die Reihen nicht mehr ganz so regelmäßig, als im Anfang. Ihre Gesichter drückten nichts aus, als Langeweile, kalte und geduldig-ergebene Langeweile; aber auch die Gesichter, welche man hinter den Tschakos und den Uniformen der Soldaten, hinter den Dreispitzen und den Ueberröcken der Polizeisergeanten sah, drückten beinahe dasselbe nur mit Beimischung eines gewissen unbestimmten Lächelns aus. Von Weitem, aus dem Haufen, welcher sich mit Macht bewegte und andrängte, ertönten Rufe, wie Ohé Traupmann! Ohé Lambert! Fallait-pas qu’y aille!
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