Drei Portraits. Иван ТургеневЧитать онлайн книгу.
gedient hat. Bemerken Sie, ich bitte, das Loch, das er auf der Brust, gerade auf der Stelle des Herzens, hat. Dieses Loch, wie Sie sehen, genau von der Form eines Dreiecks, kann, aller Wahrscheinlichkeit nach, nicht durch Zufall entstanden sein . . . Jetzt, fuhr er in seinem gewöhnlichen Tone fort, – haben Sie die Gefälligkeit Platz zu nehmen, sich mit Geduld zu rüsten und aufzuhorchen.
– Meine Herren, begann er, – ich stumme aus einem ziemlich alten Geschlechte. Ich bin auf meine Abstammung nicht stolz, weil meine Vorfahren alle ungeheure Verschwender gewesen sind. Dieser Vorwurf trifft jedoch nicht meinen Urgroßvater, Iwan Andreewitsch Lutschinow, – im Gegentheil: er stand in dem Rufe eines überaus sparsamen, ja sogar geizigen Menschen – vorzüglich in seinen letzten Lebensjahr,ein Seine Jugendzeit verbrachte er in Petersburg, als Elisabeth den Thron inne hatte. Dort heirathete er, und seine Gattin, meine Urgroßmutter also, schenkte ihm vier Kinder – drei Söhne, Wassili, Iwan und Pawel (meinen leiblichen Großvater), und eine Tochter, Natalia. Außerdem hatte Iwan Andreewitsch eine vater- und mutterlose, verlassene Waise, die Tochter eines entfernten Verwandten, als Pflegekind in seine Familie aufgenommen – jene Olga Iwanowna, von der ich soeben sprach. Den Leibeigenen meines Großvaters war dessen Existenz zwar bekannt, denn sie ließen ihm, wenn kein Unfall dazwischen kam, den unbeträchtlichen Zins zukommen – gesehen aber hatte ihn noch Keiner von ihnen. Das Gütchen Lutschinowka, der Anwesenheit seines Gebieters beraubt, blühte auf und gedieh – als ganz unerwartet an einem schönen Morgen eine schwerfällige, altmodische Kutsche in‘s Dorf fuhr und vor dem Häuschen des Schulzen hielt. Die Bauern, von einem solch unerhörten Ereigniß aufgeschreckt, liefen zusammen und konnten nun ihren Gebieter, ihre Edelfrau und die ganze Familie, den ältesten Sohn, Wassili, ausgenommen, der in Petersburg geblieben war, in Augenschein nehmen. Seit jenem denkwürdigen Tage bis an sein seliges Ende hat Iwan Andreewitsch nicht mehr Lutschinowka verlassen. Er baute sich ein Haus, dasselbe, in welchem ich jetzt das Vergnügen habe, mich mit Ihnen zu unterhalten; auch die Kirche erbaute er und begann nun sein Leben als Gutsbesitzer. Iwan Andreewitsch war ein Mann von ungewöhnlich hohem Wachse, mager, schweigsam und in allen seinen Bewegungen äußerst langsam; niemand, sein Kammerdiener ausgenommen, sah ihn je im Schlafrock und ungepudert. Iwan Andreewitsch pflegte beim Gehen die Hände auf dem Rücken zu halten und bei jedem Schritte langsam den Kopf zu drehen. Tagtäglich spazierte er in der langen Lindenallee, die er eigenhändig gepflanzt hatte – und noch vor seinem Ende ist ihm das Vergnügen zu Theil geworden, sich des Schattens jener Linden zu erfreuen. Iwan Andreewitsch war außerordentlich wortkarg; als Beweis seiner Schweigsamkeit mag der bemerkenswerthe Umstand dienen, daß er im Verlaufe von zwanzig Jahren nicht ein einziges Wort mit seiner Gattin, Anna Pawlowna, gesprochen hatte. Ueberhaupt waren seine Beziehungen zu ihr ganz eigener Art. – Sie führte die ganze Wirthschaft, bei Tische saß sie jedesmal neben ihrem Manne – er würde ohne Barmherzigkeit den Diener, der sich erdreistet hätte, ihr nur mit einem Worte unehrerbietig zu begegnen, bestraft haben – und dennoch sprach er nie mit ihr, nahm er sie nie bei der Hand. Anna Pawlowna war eine schüchterne, bleiche, niedergebeugte Frau: jeden Tag verrichtete sie auf den Knieen in der Kirche ihr Gebet und lächelte niemals. Man erzählte sich, sie hätten früher, d. h. vor ihrer Ankunft auf dem Gute, sehr einig gelebt; dann aber, sagte man, sei Anna Pawlowna ihren ehelichen Pflichten untreu und der Mann von ihrem Fehltritte unterrichtet worden . . . Wie dem nun sei – Iwan Andreewitsch versöhnte sich mit seiner Frau nicht einmal auf dem Sterbebette. Während dessen letzter Krankheit wich sie nicht von seiner Seite; er aber schien sie nicht zu bemerken. Einmal saß Anna Pawlowna Nachts im Schlafzimmer Iwan Andreewitsch‘s; er litt an Schlaflosigkeit – eine Lampe brannte vor dem Heiligenbilde; Juditsch, der Diener meines Großvaters, auf den ich später zurückkommen werde, war hinausgegangen. Anna Pawlowna stand von ihrem Platze auf, schritt durch das Zimmer bis an‘s Bett ihres Gatten und fiel vor demselben schluchzend auf die Kniee, sie wollte etwas vorbringen – streckte die Arme aus . . . Iwan Andreewitsch warf einen Blick auf sie und – rief mit schwacher, jedoch fester Stimme: »Juditsch!« Der Diener trat ein, Anna Pawlowna erhob sich rasch und wankte ihrem Platze zu.
Iwan Andreewitsch’s Kinder hatten große Furcht vor ihrem Vater. Sie waren auf dem Gute ausgewachsen und Zeugen des sonderbaren Betragens Iwan Andreewitsch‘s gegen seine Frau. Sie hatten Alle Anna Pawlowna außerordentlich lieb, durften jedoch nicht ihre Liebe zu ihr blicken lassen. Sie selbst schien gewissermaßen Scheu vor ihnen zu haben . . . Sie erinnern sich noch meines Großvaters, meine Herren! Bis an sein Ende pflegte er auf den Zehen einherzugehen und flüsternd zu sprechen . . . was doch Gewohnheit macht! Er und sein Bruder, Iwan Iwanowitsch, waren einfache Leute, gute, ruhige und gemüthliche Menschen; meine grand tante Natalia hatte einen rohen und dummen Menschen geheirathet und bewahrte ihm bis an’s Ende eine stille, knechtische Liebe. – Ein anderer Charakter war der Bruder Wassili. Ich erzählte Ihnen, wenn ich nicht irre, daß Iwan Andreewitsch ihn in Petersburg gelassen hatte. Damals war er zwölf Jahre alt. Der Vater hatte ihn der Obhut eines entfernten Verwandten, der nicht mehr jung, unverheirathet und eingefleischter Voltairianer war, anvertraut. Wassili wuchs heran und trat in den Dienst. Er war nicht hoch von Wuchse, aber gut gebaut und ungewöhnlich gewandt; er sprach vortrefflich französisch und stand in dem Rufe eines geschickten Fechters. Er galt für einen der elegantesten jungen Männer im Anfange der Regierung Katharina‘s. Mein Vater erzählte mir oft, er habe mehr als eine alte Dame getroffen, die nicht ohne herzliche Rührung an Wassili Iwanowitsch Lutschinow zu denken vermochte. Stellen Sie sich einen Menschen vor, mit ungewöhnlicher Kraft des Willens begabt, leidenschaftlich und berechnend, ausdauernd und kühn, verschlossen bis auf‘s Aeußerste und – nach Aussage Aller, die ihn gekannt haben – von bezaubernder, verführerischer Liebenswürdigkeit. Gewissenhaftigkeit, Gutherzigkeit, Rechtsgefühl gingen ihm gänzlich ab und doch hätte Niemand ihn einen durchaus bösen Menschen nennen können. Er war ehrgeizig – verstand aber seinen Ehrgeiz zu bemänteln und liebte Unabhängigkeit über Alles. Wenn Wassili Iwanowitsch gelegentlich ein Lächeln zeigte, freundlich die schwarzen Augen zusammendrückte, Jemand »um den Finger wickeln« wollte, war es, wie man sagt, unmöglich, ihm zu widerstehen – und selbst Leute, die von seiner Herzlosigkeit und Kälte überzeugt waren, ließen sich oft von der Wunderkraft seines Einflusses hinreißen. Er war eifrig auf seinen Vortheil bedacht und zwang Andere, demselben dienstbar zu werden; es glückte ihm in Allem, weil er niemals den Kopf verlor, vor Schmeichelei keinen Abscheu fühlte, wenn ihm dieselbe als Mittel dienen konnte und sich auf das Schmeicheln »verstand«.
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