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Zwei Freunde. Иван ТургеневЧитать онлайн книгу.

Zwei Freunde - Иван Тургенев


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      Zwei Freunde

      Es war im Frühjahr 184., als Boris Andrejitsch Wjasownin, ein junger Mann von etwa 26 Jahren, auf seinem Erbgute eintraf, das in einem der Gouvernements des mittleren Rußlands gelegen war. Er hatte sich kurz vorher vom Amte zurückgezogen – »häuslicher Verhältnisse wegen« – und wollte sich nun der Verwaltung seines Gutes widmen. Dieser Gedanke war freilich an und für sich sehr lobenswert, doch Boris Andrejitsch war, wie es übrigens nur zu oft der Fall ist, ganz gegen seinen Willen auf ihn gekommen. Seine Einkünfte verminderten sich nämlich von Jahr zu Jahr, wogegen die Schulden immer mehr heranwuchsen. Er hatte daher schließlich die Ueberzeugung gewonnen, daß es ihm doch unmöglich sein würde, seine Beamten-Carriere fortzusetzen und in der Residenz zu leben, d.h. so zu leben, wie er es bisher gewohnt gewesen. Und so hatte er sich denn beklommenen Herzens entschlossen, einige Jahre der Aufbesserung seiner »häuslichen Verhältnisse« zu widmen – ein Plan, der eben sein plötzliches Erscheinen in der ländlichen Einöde veranlaßte.

      Wjasownin fand sein Gut in einem zerrütteten Zustande vor, die Meierei verwahrlost, das Haus fast in Trümmer gesunken. Er gab dem bisherigen Starosta1 den Abschied, ersetzte ihn durch einen andern und reducirte die Gehälter der Dienerschaft. Für sich selber ließ er zwei oder drei Zimmerchen in Ordnung bringen und das Dach an den Stellen, durch welche der Regen in das Innere des Hauses freien Zutritt fand, neu verschalen. Er ergriff vorläufig keine durchgehenderen Maßregeln und ließ sich vor der Hand in keine Reformen ein, scheinbar von dem einfachen Gedanken ausgehend, daß man zu allererst dasjenige genauer kennen lernen müsse, was man zu vervollkommnen beabsichtige. Er schickte sich an, seine Wirthschaft näher zu studiren und den Sachen auf den Grund zu gehen. Jedoch mußte man gestehen, daß er diese Aufgabe ohne besonderen Eifer und Eile betrieb. Nicht gewöhnt aus dem Lande zu leben, empfand er eine überwältigende Langeweile und wußte oftmals nicht, auf welche Weise er die langen Tage ausfüllen sollte. Nachbarn hatte er wohl in ziemlicher Anzahl; jedoch unterhielt er mit ihnen keine Bekanntschaft. Nicht etwa, daß er sie mied, sondern weil sich ihm keine Gelegenheit bot, in nähere Beziehungen zu ihnen zu treten. Endlich, als schon der Herbst herangekommen war, gelang es ihm, die intimere Bekanntschaft eines seiner nächsten Nachbarn zu machen. Derselbe hieß Peter Wassiljewitsch Krupitzin. Er hatte früher in einem Kavallerieregiment gedient, und hatte als Rittmeister seinen Abschied genommen. Zwischen den Bauern Krupitzin’s und denen Wjasownin’s existirte seit uralten Zeiten ein Streit betreffs einer Heuwiese von etwa 2½ Djessatinen. Dieser Streit pflegte nicht selten in Schlägereien auszuarten, wenn z.B. die eine Partei versuchte, heimlich aus dem streitigen Gebiete Heu herüberzuschmuggeln und dabei von Leuten der andern Seite ertappt wurde. Daraus entstanden jedesmal Unannehmlichkeiten, und der Streit hätte wahrscheinlich noch lange fortgedauert, wenn nicht Krupitzin, nachdem er aufgrund näherer Erkundigungen über die friedfertigen Gesinnungen seines Nachbarn nicht in Zweifel sein durfte, den Entschluß gefaßt hätte, zu ihm hinüberzufahren und persönlich diese Angelegenheit zu schlichten. Die Unterredung hatte die besten Erfolge. Erstens wurde der Streite ein für alle mal, und zwar zu beiderseitiger Zufriedenheit, ein Ende gemacht; zweitens aber gefielen sich die Herren gegenseitig, fingen von dieser Zeit an sich öfter zu sehen, und bis zur Winterszeit hatten sie sich derart genähert, daß sie fast unzertrennlich wurden.

      Und nichts destoweniger waren diese Herren sehr wenig für einander geschaffen. Wjasownin, obwohl zur Zeit nicht in glänzenden Verhältnissen, stammte von reichen Eltern, hatte eine gute Erziehung erhalten und auf der Universität studirt; er verstand mehrere Sprachen, hatte eine gewisse Vorliebe fürs Lesen und konnte überhaupt Ansprüche auf Bildung machen. Krupitzin dagegen konnte nur mit Noth einen französischen Satz zustande bringen, pflegte nur in den äußersten Fallen ein Buch zur band zu nehmen und gehörte überhaupt in die Kategorie der ungebildeten Leute. Auch in ihrem Aeußeren bekundeten Beide sehr wenig Aehnlichkeit. Wjasownin war mehr von schlankem Wachse, hager, blond und näherte sich dem englischen Typus. Er hielt sehr viel aus Sauberkeit und pflegte mit besonderer Sorgfalt seine Hände; auch kleidete er sich mit Eleganz und liebte es dabei vornehmlich, mit feinen Cravatten zu paradiren, ganz nach den Gewohnheiten eines flotten Residenzbewohners. Krupitzin hingegen war von niederem Wuchse, hochschultrig, hatte braune Gesichtsfarbe und schwarze Haare. Sommer und Winter pflegte er eine Art von Sackpaletot aus broncefarbenem Tuche zu tragen, mit weitabstehenden Taschen; »diese Farbe gefällt mir deshalb pflegte er zu sagen, »weil sie echt ist und nicht ausgeht.« Die Tuchfarbe war auch wirklich dauerhaft, aber dafür das Tuch selbst schon ziemlich schmutzig. Wjasownin aß gut und sprach gern davon, wie angenehm es sei, gut zu essen, und was das heiße, in der Eßkunst bewundert zu sein. Krupitzin verzehrte Alles, was ihm aufgetragen wurde, sobald es ihm nur der Mühe werth schien, sich dabei aufzuhalten. Stieß er auf Kohlsuppe und Ganze – so ließ er sie sich mit Wohlgefallen hinter einander schmecken. Wurde ihm deutsche Wassersuppe aufgetragen, so griff er mit demselben Appetit nach ihr; fand er aber daneben auch Grütze vor, so legte er sich in den Teller auch Grütze – und es mundete ihm recht gut. Kwaß liebte er – nach seinem eigenen Ausdrucke – wie seinen leiblichen Vater; dagegen hatte er einen Abscheu vor französischen Weinen, besonders vor den rothen, und nannte sie Essigwasser. Ueberhaupt war Krupitzin weit entfernt davon, wählerisch zu sein, während Wjasownin es so weit trieb, daß er sogar seine Sacktücher zweimal des Tages wechselte. Mit einem Worte, unsere Freunde hatten, wie schon oben bemerkt, sehr wenig mit einander gemein. Nur Eins war ihnen beiden zugleich eigen: sie waren, so zu sagen gute Kerle, brave biedere Leute. Krupitzin war schon so von Geburt aus, Wjasownin hatte sich erst später in sein jetziges Wesen hineingelebt. Außerdem zeichneten sich Beide noch durch eine Eigenthümlichkeit aus; weder der Eine noch der Andere konnte sich einer leidenschaftlichen Vorliebe für Etwas rühmen, d. h. es war für sie Beide Nichts vorhanden, an dem sie etwa mit Gluth und Hingebung hingen. – Noch bleibt schließlich zu bemerken übrig, daß Krupitzin 6 bis 8 Jahre älter war, als sein Nachbar.

      Ihre Tage verbrachten sie ziemlich einförmig. Gewöhnlich des Morgens, jedoch nicht allzufrüh, so etwa gegen 10 Uhr, saß Boris Andrejitsch am Fenster, in seinem prachtvollen aufgeknüpften Schlafrocke, frisirt, gewaschen und in einem schneeweißen Hemde mit einen Buche vor sich und einer Tasse Kaffee in der Hand. Die Thür pflegte sich dann bald zu öffnen und auf der Schwelle erschien Peter Wassiljewitsch in seinem üblichen nachlässigen Aussehen. Sein Dörfchen war etwa eine halbe Werst von Wjasowna (so hieß nämlich das Gut von Boris Andrejitsch) entfernt. Sehr oft übrigens übernachtete Peter Wassiljewitsch bei Boris Andrejitsch.. »Ah, guten Morgen«, riefen sie sich dann gleichzeitig zu. – »Nun, wie haben Sie geschlafen?« – Dann trat ein etwa 15 jähriger Knabe, Fedjuschka mit Namen, im Kosakenanzug vor, bei dem sogar die Haare, die wie bei einer Streitschnepfe im Frühling sich in die Höhe sträupten, ein schläfriges Aussehen hatten; er schleppte den Schlafrock von Peter Wassiljewitsch aus bucharischem Zeuge herbei. Und Peter Wassiljewitsch brachte einen eigenthümlichen Laut hervor, zog den Schlafrock an und machte sich an den Thee und die Pfeife. Alsdann begann die Unterhaltung – es war kein lebhaftes Gespräch, das sie unterhielten – ein Gespräch, oft stockend mit Pausen und Pausen. Sie unterhielten sich vorn Wetter, vorn gestrigen Tage, von den Landarbeiten und Getreidepreisen. Sie sprachen auch von den benachbarten Gutsbesitzern und Gutsbesitzerinnen. In den ersten Tagen nach seiner Bekanntschaft mit Boris Andrejitsch hielt es Peter Wassiljewitsch für seine Pflicht und freute sich sogar der Gelegenheit, ihn über das Residenzleben zu befragen, über wissenschaftliche Angelegenheiten und Bildungssachen – mit einem Worte, über erhabene Gegenstände. Die Antworten von Boris Andrejitsch amüsirten ihn und erregten oftmals seine Verwunderung und Aufmerksamkeit; jedoch brachten sie bei ihm gleichzeitig eine Art von Abspannung hervor, so daß dann gewöhnlich einige Zeit lang alle derartigen Gespräche ganz und gar aufhörten. Uebrigens bekundete auch seinerseits Boris Andrejitsch keine besondere Lust, dieselben zu erneuern. Dann und wann jedoch pflegten sie dieselben wieder aufzunehmen. Es kam z.B. vor – wenn auch nicht allzuoft, – daß Peter Wassiljewitsch plötzlich eine Frage aufstellte, wie etwa: was denn eigentlich der elektrische Telegraph für ein Ding sei? Nachdem er in solchen Fällen die nicht gerade leicht faßliche Erklärung von Baris Andrejitsch angehört hatte, pflegte er nach einer kleinen Pause zu bemerken: »Ja, ein wunderbares Ding!« Und lange nachher brachte er keine gelehrten Fragen mehr aufs Tapet. Zum größten Theile hatten ihre Unterhaltungen etwa folgenden Charakter. Peter Wassiljewitsch z.B. macht einen Zug aus der Pfeife und fragt, den Rauch durch die Nase blasend:

      – Was haben Sie da für ein neues Mädchen, Boris Andrejitsch? Ich begegnete ihr auf der Hintertreppe.

      Boris


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