Gesetz und Frau. Уилки КоллинзЧитать онлайн книгу.
welche Frauen gegenüber von unwiderstehlicher Wirkung ist. Sein Gang ist ein klein wenig hinkend, in Folge einer Wunde, die er in früheren Jahren als Soldat in Indien empfing, und er trägt deshalb ein Bambusrohr mit seltsam geschnittener Krücke. Dies ist aber der einzige Fehler in seiner äußern Erscheinung, ein Fehler, der ihm in meinen Augen sogar eine gewisse Grazie verleiht. Das Beste aber, was ich an ihn finde, ist, daß ich ihn liebe. Mit diesem tiefgefühlten Geständniß beschließe ich das Portrait meines Gatten, wie es an unserem Hochzeitstage von dem Spiegel in der Sacristei zurückgeworfen wurde.
Da der Spiegel mir Alles erzählt, was ich wissen wollte, verließen wir die Kirche. Der Himmel, schon vom Morgen an bewölkt, hat sich unterdeß noch dunkler bezogen, und ein schwerer Regen fällt hernieder. Die Vorübergehenden blicken beinahe grimmig unter ihrem Regenschirm hervor, als wir ihnen über den Weg gehen, um unseren Wagen zu erreichen. Kein Frohsinn kein Sonnenschein keine Blumen auf den Weg gestreut, kein Bankett, keine Festreden, keine Brautjungfern keinen Segen von Vater, Mutter. Ein trüber Hochzeitstag und, wie Tante Starkweather sagt, ein schlechter Anfang.
Auf dem Bahnhof ist ein Coupe für uns reservirt worden. Der aufmerksame Portier, in Erwartung eines guten Trinkgeldes, hat die seidenen Rouleaux vor den Fenstern heruntergelassen, um uns den Blicken der Neugierigen zu entziehen. Nach einem scheinbar unendlich langen Aufenthalt, wird der Zug abgelassen. Mein Gatte schlingt den Arm um meine Taille »Endlich!« flüstert er mit so viel Liebe im Blick, wie Worte sie nicht auszudrücken vermögen und zieht mich sanft an sich. Mein Arm stiehlt sich langsam um seinen Hals; unsere Blicke begegnen sich. Dann vereinen sich die Lippen zu einem langen heißen Kuß. O, welche Erinnerungen steigen in mir auf, während ich dies niederschreibe! Ich muß meine Augen trocknen und das Papier für heute bei Seite legen.
Zweites Capitel.
Die Gedanken der Braut
Wir mochten ungefähr eine Stunde gefahren sein, als mit uns Beiden eine Veränderung vorging.
Dicht nebeneinander sitzend, meine Hand in der seinen, den Kopf an seine Schulter gelehnt, wurden wir allmälich immer schweigsamer. Hatten wir das kleine, aber doch so beredte Wörterbuch der Liebe schon erschöpft? Oder waren wir stillschweigend übereingekommen, nach der Wollust der Leidenschaft, die in der Sprache liegt, uns der noch tieferen Leidenschaft hinzugeben, welche im Denken beruht? Ich wage es nicht zu entscheiden. Ich weiß nur, daß eine Zeit kam, in welcher unsere Lippen sich gegen einander verschlossen hielten. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Waren die seinen ebenso ausschließlich bei mir, wie die meinen sich ausschließlich mit ihm beschäftigten? Noch ehe wir unser Ziel erreichten stiegen Zweifel in mir auf, und ein wenig später wußte ich gewiß, daß seine Gedanken weitab von seiner jungen Frau, sich zu dem Unglück seines Lebens gewandt hatten.
Was mich betrifft, so fühlte ich mich dennoch außerordentlich glücklich, ihn an meiner Seite zu haben.
Ich malte mir mit stillem Behagen aus, wie wir uns zum ersten Mal begegneten nicht weit vom Hause meines Onkels.
Unser berühmter Forellenbach strömte murmelnd und schäumend über sein steiniges Bett, durch grünes Wiesenland. Es war ein stürmischer, trüber Abend. Die Sonne sank unter blutrothen Wolken im fernen Westen hernieder. Ein einsamer Angler stand an einer Biegung des Stromes, wo am gegenüberliegenden Ufer ein überhängender alter Baum das Wasser beschattet. Von seinen Zweigen verdeckt, befand sich ein junges Mädchen ich selbst, und folgte mit regem Interesse dem schnellen Dahingleiten der Forellen.
Der Angler seinerseits folgte jeder ihrer Bewegungen mit aufmerksamem und geübtem Blick, und am sandigen Ufer des Baches entlang gehend, ließ er oft die Angelschnur im seichten Wasser schwimmen bald zog er sie an, um den Fisch mit dem Köder zu locken. Ich folgte auf dem anderen, unebenen Ufer, um das Spiel zwischen dem Angler und der Forelle weiter zu beobachten. Ich hatte lange genug bei meinem Onkel Starkweather gelebt, um nicht Etwas von seinem Enthusiasmus für die Kunst des Angelns abbekommen zu haben. So folgte ich, von dem Fremden ungesehen, und die Augen fest auf jede Bewegung der Angelruthe und des Köders gerichtet, auf der anderen Seite des Baches, ohne auf den Weg Acht zu geben. Ein Fehltritt auf dem losen, etwas erhöhten, Ufer ließ mich straucheln, und ich fiel in den Bach.
Die Höhe war unbedeutend, das Wasser flach, das Bett an dieser Stelle nicht steinig. Außer dem Schreck und der Durchnässung trug ich keinen Schaden davon. Binnen wenigen Minuten war ich schon wieder aus dem Wasser und auf festem Grunde. So kurz der Zwischenfall auch war, hatte er doch dem Fische Gelegenheit gegeben, zu entfliehen. Der Angler hatte meinen ersten instinctiven Schreckensruf gehört, und in demselben Augenblick ward die Angel bei Seite geworfen und er eilte herbei, um mir zu helfen. Wir standen zum ersten Male einander gegenüber, ich auf dem etwas erhöhten Ufer, er in dem flachen Wasser unter mir. Unsere Blicke begegneten sich, und ich glaube, unsere Herzen thaten dasselbe. Soviel weiß ich gewiß, daß wir gegen alle gute Sitte und Erziehung uns schweigend eine ganze Weile anschauten.
Ich war die Erste, die wieder zu sich selbst kam.
Ich sagte ihm, daß ich mir kein Leides gethan und bat ihn, seine Beschäftigung wieder aufzunehmen und zu versuchen, ob er den Fisch nicht noch bekommen könnte.
Er folgte widerstrebend meiner Aufforderung und kehrte dann, natürlich ohne Forelle, zu mir zurück. Da ich wußte, wie unglücklich mein Onkel in der Stelle des Fremden gewesen sein würde, bat ich ihn, daß er mir nicht zürnen möge. In meinem Eifer, ihn für seinen Verlust zu entschädigen, wollte ich ihm sogar eine Stelle im Bach zeigen, wo er schnell das Versäumte nachholen könne.
Er wollte nicht darauf hören, sondern bat mich nur, nach Hause zu gehen und die Kleidung zu wechseln. Ich machte mir Nichts aus der Durchnässung, aber ich gehorchte ihm, ohne zu wissen, warum.
Erging an meiner Seite. Mein Heimweg zum Pfarrhause war sein Heimweg zum Gasthof. Er hatte unsere Gegend ausgesucht, erzählte er mir, nicht allein des Fischens, sondern auch der ruhigen Zurückgezogenheit wegen. Er hatte mich schon einige Male von seinem Fenster aus bemerkt; er fragte mich, ob ich des Predigers Tochter sei.
Ich klärte ihn auf über meine Verhältnisse. Ich erzählte ihm, daß der Prediger meiner Mutter Schwester geheirathet, und daß die Beiden dann, nach dem Tode meiner Eltern, Vater- und Mutterstelle bei mir vertreten hätten.
Er fragte mich, ob er es wagen dürfe, am nächsten Tage dem Doctor Starkweather seinen Besuch zu machen, indem er den Namen eines seiner Freunde nannte, den, wie er glaubte, mein Onkel kennen müsse. Ich lud ihn ein, zu uns zu kommen, als wenn ich die Herrin des Hauses gewesen wäre. Ich war wie bezaubert durch seine Stimme und durch seinen Blick. Niemals, in keines anderen Mannes Gegenwart, war mir so seltsam zu Muthe gewesen, wie ich es jetzt empfand. Die Schatten des Abends waren dunkler geworden, als er mich verließ. Ich lehnte mich gegen das Gitter unseres Gartens. Ich vermochte kaum zu athmen; ich konnte nicht denken; mein Herz schlug, als wenn es mir aus der Brust springen wollte, und Alles das für einen Mann, den ich nie zuvor gesehen. Ich erglühe vor Scham, und dennoch war ich so glücklich!
Und nun, nachdem erst wenige Wochen vergangen, halte ich ihn an meiner Seite, und er ist mein für das ganze Leben. Ich erhob mein Haupt von seiner Schulter, um ihn anzublicken.
Er wurde meine Bewegung nicht gewahr; er blieb still und regungslos in seiner Ecke sitzen. War er in tiefen Gedanken, und befanden sich diese Gedanken bei mir?
Ich ließ mein Haupt wieder leise sinken, um ihn nicht zu stören. Meine eigenen Gedanken wanderten abermals zurück und zeigten mir ein anderes Bild aus der goldenen Gallerie meiner Vergangenheit. Der Garten des Pfarrhauses bildete den Schauplatz. Es war Nacht. Wir waren heimlich zusammen gekommen. Wir gingen, ohne vom Hause ans bemerkt werden zu können, langsam auf und nieder, bald in den schattigen Steigen des Gehölzes, bald auf dem mondlichtbeglänzten Grasplatz. Wir hatten uns längst unsere Liebe gestanden, und unser Leben einander gewidmet. Unsere Interessen waren bereits eins geworden; wir theilten unsere Freuden und unser Leid. Ich war ihm in jener Nacht mit schwerem Herzen entgegengekommen, und hoffte Trost durch seine Gegenwart zu finden. Er hörte meinen Seufzer, als er mich in seine Arme schloß, und wandte sanft meinen Kopf dem Mondlicht zu, um in meinen Zügen lesen zu können. Wie oft hatten ihm dieselben in früheren Zeiten nur Glück und Freude entgegengestrahlt!
»Du