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Herz und Wissen. Уилки КоллинзЧитать онлайн книгу.

Herz und Wissen - Уилки Коллинз


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wie dieselbe sagte, als sie es weglegte »Pflanzengeographie. Der Verfasser theilt die Erde in fünfundzwanzig Pflanzenzonen – doch ich vergesse, Du bist nicht wie Maria und machst Dir nichts aus diesen Dingen.«

      »Ich bin so unwissend«, meinte Carmina »Vielleicht wird es besser, wenn ich älter werde.« Dann nahm sie ein Buch vom Tische, das durch seinen schönen Einband ihre Aufmerksamkeit erregte.

      »Wieder Wissenschaft, liebes Kind«, sagte Mrs. Gallilee, die sie mit theilnahmvoller Wohlgelauntheit angesehen hatte, in scherzendem Tone. »Sie ladet Dich hier in hübscher Hülle ein. Es behandelt Merkwürdigkeiten der Coprolithen – eins meiner kostbarsten Bücher, ein mir vom Verfasser zur Ansicht, überreichtes Exemplar.«

      Was sind Coprolithen?« fragte Carmina.

      Noch gut gelaunt, aber doch schon mit zu Tage tretender Anstrengung ließ sich Mrs. Gallilee herab, ihrer Nichte eine deren Verständniß angepaßte Erklärung zu geben. »Coprolithen sind versteinerte unverdaute Speisenüberreste ausgestorbener Reptilien. Der große Gelehrte, der dies Buch geschrieben hat, hat Schuppen, Knochen, Zähne und Muschelschalen darin entdeckt. Welch ein Mann! welch ein Feld für die Forschung! Erzähle mir von Deiner Lectüre. Was hast Du in der Bibliothek gefunden?«

      »Sehr interessante Bücher – wenigstens für mich interessant«, antwortete Carmina »Viele Bände Poesie. Liest Du je Poesie?«

      »Poesie?« wiederholte Miß Gallilee, sich in ihren Stuhl zurücklehnend, in resigniertem Tone. »Lieber Himmel!«

      Carmina versuchte ein mehr versprechendes Thema. »Was für schöne Blumen Du im Salon hast!« sagte sie.

      »Was ist dabei Besonderes, Beste? Die hat jeder in seinen Salons – das gehört zum Meublement.«

      »Hast Du sie selbst arrangiert, Tante?«

      Mrs. Gallilee ertrug es noch. »Das besorgt Alles der Gärtner«, erwiderte sie. »Ich secire manchmal Blumen, befasse mich aber nie mit dem Arrangieren derselben. Wozu brauchten wir dann auch den Menschen?« Diese Auffassung der Frage ließ Carmina verstummen und Mrs. Gallilee fuhr fort: »Dies Blumenthema erinnert mich an andere Ueberflüssigkeiten. Hast Du das Piano in Deinem Zimmer versucht? Geht es?«

      »Der Ton ist ganz vollkon1men!« antwortete Carmina enthusiastisch. »Hast Du es selbst ausgesucht?« Mrs. Gallilee sah aus, als ob sie wieder »lieber Himmel« sagen und es vielleicht nun nicht länger aushalten würde, aber Carmina, die zu unschuldig war, um dies richtig zu deuten, und jedenfalls nicht einzusehen vermochte, weshalb ihre Tante nicht selbst ein Piano auswählen sollte, fragte dieselbe: »Interessiert Dich Musik nicht?«

      Mit einer letzten Anstrengung nahm sich Mrs. Gallilee noch einmal zusammen. »Wenn Du erst etwas mehr von der Gesellschaft kennen lernst, liebes Kind, wirst Du sehen, daß man sich für Musik interessieren muß. Gerade so geht es mit Gemälden – man muß die Ausstellung der königlichen Akademie besuchen. So geht es gleichfalls —«

      Ehe sie noch ein weiteres gesellschaftliches Opfer erwähnen konnte, wurde sie durch den Eintritt eines Dieners der einen Brief brachte, unterbrochen.

      Kaum hatte sie einen Blick auf die Adresse geworfen, so verwandelte sich die müde Gleichgültigkeit in ihrem Wesen in lebhaftes Interesse. »Von dem Herrn Professor!« rief sie. »Entschuldige mich auf eine Minute.« Dann las sie den Brief und steckte denselben mit einem Seufzer der Erleichterung wieder in das Couvert, dabei zu sich selbst sagend: »Ich wußte es! habe es ja immer behauptet, daß die Eiweißsubstanz der Froscheier, als Nahrung betrachtet, unzureichend ist, eine Kaulquappe in einen Frosch zu verwandeln; und endlich giebt der Professor zu, daß ich Recht habe. Entschuldige, Carmina, daß ich mich von einem Gegenstande hinreißen lasse, den ich Wochen lang in mühsam erübrigten Mußestunden bearbeitet habe. Laß mich Dir etwas Thee einschenken. Ich habe Miß Minerva gebeten, uns Gesellschaft zu leisten. Was sie nur abhalten mag? Sie ist sonst so pünktlich. Wahrscheinlich ist Zoe wieder unartig gewesen.«

      Und diese mütterliche Vermuthung wurde nach einigen Minuten von der Gouvernante bestätigt. Zo hatte keine Neigung gehabt, sich »die politischen Folgen des Erlasses der Magna Charta« einzuprägen, und die Gouvernante empfahl sie zur Bestrafung, wenn ihre Mutter »Zeit dazu haben sollte.« Mrs. Gallilee entledigte sich gleich dieser Verantwortlichkeit, indem sie ihr Brod und Wasser statt des Thees zudictirte.

      »Ich möchte mit Ihnen beiden über meinen Sohn sprechen«, begann sie dann, aus den Zweck des Abends kommend.

      Die Angeredeten erwarteten schweigend das Weitere, aber während Carmina den Kopf senkte und zu Boden blickte, betrachtete Miß Minerva aufmerksam Mrs. Gallilee. »Warum soll ich mitanhören, was sie über ihren Sohn zu sagen hat?« fragte sich die Letztere. »Besorgt sie, daß Carmina mit mir darüber sprechen könnte, wenn ich nicht zu den Familiengeheimnissen zugelassen würde?«

      Und sie hatte damit in der That das Rechte getroffen.

      Mrs. Gallilee hatte in letzter Zeit bemerkt, daß sich die Gouvernante in das Vertrauen ihrer Nichte einschmeichelte – d. h. in das Vertrauen einer jungen Dame, deren Vater, wie man sich allgemein erzählte, als Besitzer eines schönen Vermögens gestorben war. Es war aber eine gebieterische Pflicht, der Zunahme einer Freundschaft dieser Art Einhalt zu thun, ohne Miß Minerva offen zu verletzen; und Mrs. Gallilee sah ein Mittel, dies in taktvoller Weise zu erreichen darin, daß sie das Interesse, welches beide an Ovid nahmen, benutzte. Wenn sie sie beide einlud, mit ihr über den zarten Gegenstand, ihren Sohn, zu Rathe zu gehen, so mußte es nicht schwierig sein, eine Meinungsdifferenz anzuregen, die den Entfremdungsproceß dadurch einleiten würde, daß sie sich nach dem Thee mieden.

      »Es ist von höchster Wichtigkeit, daß zwischen uns kein Mißverständniß stattfinde«, fuhr Mrs. Gallilee fort. »Ich will das Beispiel geben, ohne Rückhalt zu sprechen. Wir wissen alle drei, daß Ovid dabei beharrt, in London zu bleiben —«

      Sie brach ab und wandte sich plötzlich an Miß Minerva: »Sie werden mich doch unschuldigen, daß ich Sie mit Familiensorgen belästige.« Dabei spähte sie nach einer Veränderung der Farbe oder einem Zucken der Lippen im Gesichte der Gouvernante. Denn wenn sie auch wirklich einen Professor bekehrt hatte, so war sie doch nur ein Weib, und hatte plötzlich bei ihren anderen Calculationen an die Möglichkeit gedacht, die Gouvernante zu irgend welcher interessanten Bekundung ihrer Neigung für Ovid zu veranlassen.

      Miß Minerva hatte keine Ahnung davon, was diese überflüssige Entschuldigung bezwecken sollte, da sie durchaus nicht argwöhnte, daß Mrs. Gallilee ihr Geheimniß entdeckt haben könnte. Aber eben weil sie deren Motive nicht zu durchdringen vermochte, war sie von nun ab doppelt auf ihrer Hut.

      »Sie thun mir eine Ehre damit an, daß Sie mich in Ihr Vertrauen ziehen, gnädige Frau«, sagte sie, bei sich selbst aber dachte sie: »Versuche es nur, wenn Du kannst, mir ein Bein zu stellen, Du Katze!«

      »Wir wissen«, nahm Mrs. Gallilee ihre Rede wieder auf, »daß Ovid beharrlich in London bleibt, während doch Luft- und Szenenwechsel für seine Genesung absolut nothwendig sind. Und wir wissen auch, warum er bleibt. Glaube nicht, liebe Carmina, daß ich Dich im geringsten tadele! nein, glaube auch nicht, daß ich meinem Sohne einen Vorwurf mache. Du bist ein zu reizendes Mädchen, als daß nicht die Bewunderung der Männer entschuldigt, ja sogar gerechtfertigt wäre. Aber laß uns, wie wir harten Alten sagen, den Thatsachen in’s Gesicht sehen. Hätte Ovid Dich nicht gesehen, so würde er sich jetzt auf der Gesundheit spendenden See, auf der Reise nach Spanien und Italien befinden. Du bist die unschuldige Ursache seiner halsstarrigen Gleichgültigkeit, seiner so beklagenswerthen und gefährlichen Mißachtung der Pflicht, die er sich selbst schuldig ist. Auf seine Mutter hört er nicht, über die Meinung seines erfahrenen Collegen setzt er sich hinweg, einer aber hat noch Einfluß über ihn.« Wiederum pausierte sie und versuchte nochmals, der Gouvernante ein Bein zu stellen. »An Sie, Miß Minerva, darf ich appellieren. Ich betrachte Sie ja als Familienglied und empfinde die aufrichtigste Bewunderung für Ihr Taktgefühl. Ueberschreite ich die Grenzen der Delicatesse, wenn ich meine Nichte offen und ehrlich auffordere, Ovid zum Gehen zu überreden?«

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