John Jagos Geist. Уилки КоллинзЧитать онлайн книгу.
und Lieblosigkeit sind um so verabscheuungswürdiger, wenn sie unter dem Schein des äußern Anstands ihr Wesen treiben, und ohne mein Interesse für Naomi und die raschen, zwischen ihr und Ambrosius ausgetauschten Liebesblicke, bei denen ich sie dann und wann ertappte, hätte ich das Ende dieses Mahles kaum abzuwarten vermocht. Ich wäre sicher nach meinem Zimmer und zu meinem französischen Roman geflüchtet.
Endlich war das mit prahlerischer Opulenz servierte Mahl zu Ende. Miß Meadowcroft erhob sich in ihrer feierlichen Art und kündigte mir meine Entlassung in folgenden Worten an:
»Wir gehen hier früh zu Bett, Mr. Lefrank. Ich wünsche Ihnen gute Nacht.«
Sie legte ihre knöchernen Hände auf die Lehne von Mr. Meadowcrofts Krankenstuhl, machte seinen Worten, mit denen er sich von mir verabschiedete, kurz ein Ende und rollte ihn hinaus nach seinem Bett, als ob er schon ein Häuflein Erde in einem Karren gewesen wäre..
»Gehen Sie gleich nach Ihrem Zimmer, Sir, oder darf ich Ihnen eine Zigarre anbieten – vorausgesetzt, daß die jungen Herren nichts.dagegen haben?«
Mit diesen absichtlich verletzenden Worten und indem er den »jungen Herren.« mit einem höhnischen Seitenblick eine Verbeugung machte, erfüllte Mr. John Jago die Pflichten der Gastfreundschaft und präsentierte mir seine Zigarrentasche. Ich lehnte jedoch die Zigarre unter einem Vorwand ab und der Mann mit den blitzenden braunen Augen wünschte mir mit studierter Höflichkeit gute Nacht und verließ das Zimmer.
Kaum hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen, als Ambrosius und Silas gleichzeitig mit ihren geöffneten Zigarrentaschen gastfreundlich auf mich zukamen.
»Sie haben recht getan, seine Zigarre abzulehnen,« sagte Ambrosius. »Rauchen Sie niemals mit John Jago. Seine Zigarren könnten vergiftet sein.«
»Und glauben Sie kein Wort, was John Jago Ihnen sagt,« fügte Silas hinzu.. »Er ist der größte Lügner in Amerika.«
Naomi drohte ihnen vorwurfsvoll mit dem.Finger, als ob die beiden stämmigen jungen Farmer zwei Kinder gewesen wären.
»Was wird Mr. Lefrank denken.« sagte sie, »wenn Ihr so von Jemand sprecht, den Euer Vater mit Achtung und Vertrauen behandelt? Geht und raucht. Ich muß mich Eurer wirklich schämen.«
Silas schlenderte ohne ein Wort der Entgegnung davon. Ambrosius aber räumte nicht das Feld, denn es war ihm augenscheinlich darum zu tun, vorher seinen Frieden mit Naomi zu machen.
Da ich sah, daß ich zu viel war, ging ich nach einer Glastüre im Hintergrunde des Zimmers, welche in einen eigen gehaltenen kleinen Garten führte, der in diesem Augenblick vom klarsten Mondschein übergossen war. Ich schritt hinaus, um den lieblichen Abend zu genießen und gelangte zu einer Ruhebank unter einem mächtigen Eibenbaum. Der großartige Frieden der Natur war mir nie so unaussprechlich feierlich und köstlich erschienen, als nach dem, was ich in dem Innern dieses Hauses gehört und gesehen hatte. Ich verstand, oder glaubte in diesem Augenblick zu verstehen, wie es früher so viele Menschen gegeben, welche die Verzweiflung an ihrem eigenen Geschlecht in die Klöster getrieben hatte. Die menschenfeindliche Seite meiner Natur, – und welcher Kranke wird sich dieser Seite nicht bewusst? – gewann schnell die Oberhand, als ich meine Schulter leicht berührt fühlte und durch den Anblick Naomi Colebrooks mit der Menschheit wieder versöhnt wurde.
Drittes Capitel.
Rendezvous im Mondschein
Ich möchte mit Ihnen sprechen, – begann Naomi. »Denken Sie nicht schlimm von mir, weil ich Ihnen hierher gefolgt bin. Wir halten nicht viel auf Zeremoniell in Amerika.«
»Da haben Sie ganz Recht in Amerika..Wollen Sie sich nicht setzen?« Sie nahm an meiner Seite Platz, indem sie mir frei und unbefangen beim Lichte des Mondes ins Gesicht sah.
»Sie sind mit der Familie verwandt, fuhr sie fort, »und ich auch, und daher meine ich zu Ihnen sagen zu können, was ich einem Fremden nicht sagen dürfte. Ich bin recht froh, daß Sie gekommen sind, Mr. Lefrank, und aus einem Grunde, den Sie schwerlich vermuten.«
»Haben Sie Dank für das Kompliment, welches Sie mir machen, Miß Colebrook, welches auch der erwähnte Grund sein möge.«
Sie nahm keine Notiz von meiner Antwort, sondern verfolgte ihren Gedankengang
»Ich glaube nämlich, Sir, Sie könnten in diesem beklagenswerten Hause Gutes wirken,« sagte sie, indem sie mich noch immer mit ernsten Augen anschaute. »Es herrscht in Morwick Farm weder Liebe, noch Vertrauen, noch Frieden. Sie brauchen hier Jemand – Ambrosius ausgenommen; denken Sie nicht schlecht von ihm, er ist nur gedankenlos – aber die Andern brauchen Jemand, der ihnen mal so recht ins Gewissen redet, damit sie sich ihrer Verstocktheit und ihres hässlichen, herzlosen und neidischen Wesens schämen. Sie sind ein Gentleman Sie sind ihnen an Bildung überlegen und ob sie wollen oder nicht, sie müssen zu Ihnen hinauf sehen. Wenn Sie daher Gelegenheit haben, Mr. Lefrank, bitte, versuchen Sie, Frieden unter ihnen zu stiften. Sie haben gehört und gesehen, wie es bei Tische herging, und waren degoutirt davon. O ja, leugnen Sie nicht, Sie waren es. Ich habe wohl gesehen, wie Sie die Stirn runzelten, und ich weiß, was dies bei Euch Engländern zu bedeuten hat.«
Es blieb mir nichts übrig, als mich offen gegen Naomi auszusprechen Ich sagte ihr ganz unumwunden, welchen Eindruck die Vorgänge während des Abendessens auf mich gemacht hätten, und das Mädchen nickte mir wiederholt ihren Beifall über meine Aufrichtigkeit zu.
»So, das ist recht, das ist offen gesprochen, « sagte sie. »Aber Sie drücken es viel zu gelinde aus, wenn Sie sagen, die Männer scheinen nicht auf freundschaftlichem Fuße zu stehen.Sie hassen einander. Das ist das richtige Wort, Mr. Lefrank. Es ist Haß – tödlicher Haß.« Und dabei ballte sie ihre Hände und schüttelte die kleinen Fäuste heftig, um ihren letzten Worten mehr Nachdruck zu geben. Dann fiel ihr aber plötzlich Ambrosius ein und sie, öffnete ihre Hände wieder und setzte hinzu, indem sie eine derselben ernst auf meinen Arm legte: »Ambrosius ausgenommen, Sir. Beurteilen Sie Ambrosius nicht falsch. Er ist die Harmlosigkeit selbst.«
Des Mädchens unbefangene Offenheit war wirklich unwiderstehlich.
»Sollte ich wohl ganz und gar im Irrtum sein,« fragte ich, »wenn ich Sie für etwas zu parteiisch zu Gunsten dieses Ambrosius halte?«
Eine Engländerin würde bei meiner Frage ein wenig verlegen geworden sein, oder sich wenigstens so gestellt haben. Naomi aber zögerte keinen Augenblick mit der Antwort.
»Sie haben ganz Recht, Sir,« sagte sie voll.kommen ruhig. »Wenn alles gut geht, so gedenke ich mich mit Ambrosius zu verheiraten.«
»Wenn alles gut geht?« wiederholte ich.
»Was meinen Sie damit? In pekuniärer Hinsicht?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Ich meine, wenn die Dinge hier zwischen den Männern, den schlechten, gefühllosen, selbstsüchtigen Männern, keinen schlimmen Ausgang nehmen, was ich beständig fürchte. Ich meine nicht Ambrosius, Sir, sondern seinen Bruder Silas und John Jago. Haben Sie Silas’ Hand bemerkt? Das hat John Jago getan mit einem Messer.«
»Zufällig?« fragte ich.
»Absichtlich,« entgegnete sie, »es war die Antwort auf einen Schlag.«
Diese nackte Enthüllung der Zustände auf Morwick Farm machte mich doch ein wenig stutzig. Schläge und Messer unter dem reichen, respektablen Dach des alten Mr. Meadowcroft! Schläge und blanke Klingen, nicht unter den Arbeitern, nein unter der Herrschaft! Ich konnte es im ersten Augenblicke kaum glauben, wie es manchem meiner Leser ebenso gehen wird.
»Sind Sie dessen ganz gewiss?« fragte ich.
»Ich habe es von Ambrosius; Ambrosius würde mir nichts Unwahres sagen; er kennt die Geschichte ganz genau.«
Meine Neugierde war mächtig erregt. Nach welcher Art von Haushalt hatte ich mich voreilig über den Ozean begeben, um Stille und Ruhe zu suchen?
»Dürfte ich die Geschichte auch erfahren?« fragte ich.
»Ja, ich will Ihnen so gut ich kann wieder.erzählen, was Ambrosius mir erzählt hat. Aber Sie müssen mir erst eins versprechen, Sir,