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Zwei Schicksalswege. Уилки КоллинзЧитать онлайн книгу.

Zwei Schicksalswege - Уилки Коллинз


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als die unseren enthüllt zu werden.

      Man wird natürlich fragen, ob unsere Eltern nichts taten, um unsere vorzeitige Neigung, als sie nur noch eine harmlose Tändelei zwischen einem Knaben und einem Mädchen war, zu verhindern.

      Mein Vater tat nichts – aus dem einfachen Grunde, weil er von Hause abwesend war.

      Er war ein Mann von ruhelosem, unternehmendem Charakter. Da er sein Gut von Schulden beladen geerbt hatte, war es sein höchster Ehrgeiz, sein geringes Einkommen durch seine Bestrebungen zu vergrößern, einen Haushalt in London zu haben und auf der Leiter des Parlaments politische Ehren zu erklimmen. Ein alter Freund, der nach Amerika ausgewandert war, hatte ihm ein landwirtschaftliches Unternehmen in den westlichen Staaten vorgeschlagen, wodurch sie beide ihr Glück machen würden. Meines Vaters erregbare Phantasie erfasste die Idee. Über ein Jahr war er fern von uns in den Vereinigten Staaten; wir wussten nichts von ihm, als dass er, wie seine Briefe besagten, in nächster Zeit als einer der reichsten Männer Englands zurückkehren würde.

      Was meine arme Mutter anbelangt, so war sie die sanfteste, weichherzigste Frau der Welt und – mich glücklich zu sehn, war das Ziel ihrer Wünsche.

      Der kleine, hübsche Liebesroman der zwei Kinder zerstreute und interessierte sie. Sie scherzte mit Marys Vater über die bevorstehende Verbindung der beiden Familien, ohne den geringsten Gedanken an die Zukunft – ohne auch nur eine Ahnung von dem zu haben, was bei meines Vaters Rückkehr geschehen könnte. »Jeder Tag hat sein eigenes Glück und Leid« war der Wahlspruch meiner Mutter ihr ganzes Leben hindurch gewesen und sie stimmte ganz der Philosophie des Vogtes bei, die wir schon in diesen Zeilen mitteilten: »Sie sind nur Kinder, es ist kein Grund die Dinger jetzt schon zu trennen!«

      Ein Mitglied der Familie aber fasste die Sache doch ernster und bedenklicher auf.

      Meines Vaters Bruder besuchte uns in unserer Einsamkeit – er entdeckte was zwischen Mary und mir vorging – und war natürlich zuerst auch geneigt uns auszulachen; ein näheres Eingehen auf die Sache änderte aber seine Denkweise. Er überzeugte sich bald, wie töricht meine Mutter handelte, sah, dass der Vogt, obgleich er der bravste Diener war, den man sich denken konnte, hierbei schlau seine Interessen durch seine Tochter zu fördern suchte und fand, dass ich ein junger Tollkopf war, der seine natürliche Anlage zum Dummheiten machen außergewöhnlich früh entwickelte. Im Sinne dieser Beobachtungen sprach mein Onkel mit meiner Mutter und bot ihr an mich mit nach London zu nehmen und dort zu behalten, bis ich durch den Umgang mit seinen Kindern und die sorgfältige Aufsicht in seinem Hause wieder vernünftig geworden wäre.

      Meine Mutter zögerte seinen Vorschlag anzunehmen, da sie besser meinen Charakter als mein Onkel kannte. Während sie noch zweifelte und mein Onkel ungeduldig die Entscheidung erwartete, ordnete ich selbst die Sache für meine Angehörigen, indem ich davon lief.

      Ich ließ als Stellvertreter in meiner Abwesenheit einen Brief zurück, worin ich erklärte, dass keine Macht mich von Mary trennen würde und dass ich, so wie mein Onkel das Haus verlassen haben würde, heimzukehren und die Verzeihung meiner Mutter zu erbitten beabsichtigte. Trotz der genausten Nachforschungen gelang es nicht, mein Versteck zu

      entdecken. Mein Onkel reiste mit der Prophezeiung ab, dass ich zur Schande der Familie heranwachsen würde und versprach, dass er meinem Vater mit der nächsten Post seine

      Ansichten über mich nach Amerika hin mitteilen würde.

      Das Geheimnis von dem Versteck, in dem ich allen Nachforschungen trotzte, ist bald zu erklären.

      Ich war, ohne dass der Vogt es wusste, in dem Schlafgemach seiner Mutter versteckt. Ihr fragt: ob die Mutter des Vogtes darum wusste? Worauf ich Euch antworte: dass sie es wusste und – was noch mehr sagen will, dass sie stolz darauf war; nicht um eine feindliche Tat gegen meine Familie zu begehen, sie meinte nur damit eine Gewissenspflicht zu erfüllen.

      Aber, im Namen alles Wunderbaren, wie war der Charakter dieser alten Frau? Lasst sie vor Euch erscheinen und für sich selber sprechen – die wilde, fast für eine Zauberin geltende Großmutter der sanften kleinen Mary, die moderne Sybille, die weit und breit in unserem Teile

      von Suffolk, als Dame Dermody, bekannt war.

      Sie schwebt mir wiederum so deutlich vor, als ich dieses schreibe, wie sie strickend oder lesend in dem niedlichen Landhause ihres Sohnes am Wohnstubenfenster saß und das Licht auf ihre Schulter fiel. Dame Dermody war eine kleine, magere, bewegliche, alte Frau mit feurigen schwarzen Augen, die von buschigen weißen Brauen bestattet waren, mit einer hohen, gefurchten Stirn und dichtem, weißem Haar, das sauber unter einem Häubchen geordnet war. Das Gerücht behauptete und behauptete mit Recht, dass sie von Geburt und Erziehung eine Dame war und dass sie absichtlich ihre Lebensstellung aufgegeben hatte, um einen Mann zu heiraten, der dem gesellschaftlichen Rande nach weit unter ihr stand. Sie selbst bedauerte diesen Schritt nie, wie auch ihre Familie darüber denken mochte. Nach ihrer Anschauung war ihres Gatten Andenken für sie etwas Heiliges; sein Geist war der Schutzgeist, der, wachend oder schlafend, tags oder nachts, sie bewachte.

      Da sie an diesem Glauben festhielt, blieb sie ganz unbeeinflusst von den modernen Auswüchsen grobsinnlicher Anschauungen, die die Gegenwart der Geister mit plumpen Verschwörungskünsten und närrischen Zeichen auf Tischen und Stühlen in Verbindung zu bringen suchen. Dame Dermodys edlerer Aberglaube bildete einen wichtigen Teil ihrer religiösen Überzeugungen – Überzeugungen, die seitdem längst in Emanuel Swedenborgs mystischen Lehren ihren Ausdruck gefunden haben. Die Werke des schwedischen Sehers waren die einzigen Bücher, die sie las. Sie vermischte Swedenborgs Lehren über Engel und abgeschiedene Geister, über Nächstenliebe und Reinheit des Wandels mit ihren eigenen milden Phantasien und verwandten Anschauungen und predigte die so gewonnenen schwärmerischen Religionslehren nicht allein im Hause des Vogtes, sondern auch aus Bekehrungsausflügen in den Häusern ihrer einfachen Nachbarn weit und breit.

      Unter ihres Sohnes Dach war sie, nach dem Tode seiner Frau, die oberste Machthaberin und rühmte sich ebenso der treuen Erfüllung ihrer häuslichen Pflichten, wie des bevorzugten Verkehrs mit Engeln und Geistern. Mochte zugegen sein, wer da wollte, so hielt sie doch lange Unterreedungen mit dein Geist ihres verstorbenen Mannes und versetzte dadurch die einfältigen Zuhörer in stummes Grauen. Bei ihrer mystischen Anschauungsweise erschien ihr der Liebesbund zwischen Mary und mir als etwas so Heiliges und Schönes, dass man ihn nicht nach den niedrigen und gewöhnlichen Gesetzen der Gesellschaft beurteilen durfte. Sie schrieb für uns kleine Gebete und Lobgesänge, deren wir uns täglich, bei unserm Begegnen oder Auseinandergehen, bedienen mussten. Ihren Sohn ermahnte sie ernstlich uns als zwei junge, geheiligte Wesen zu betrachten, die auf einem himmlischen Pfade wandelten, dessen Beginn zwar hier auf Erden sei, dessen seliges Ende wir aber droben in einem besseren Sein bei den Engeln finden würden. Nun stelle man sich den Eindruck vor, als ich vor dieser Frau in Tränen der Verzweiflung gebadet erschien und ihr meinen Entschluss verkündigte: eher zu sterben, als mich durch meinen Onkel von Marys Seite reißen zu lassen – und man wird ein Verständnis für die Gastfreundschaft bekommen, welche mir das Heiligtum von Dame Dermodys Zimmer öffnete.

      Ich machte einen argen Missgriff, als es Zeit war mein Versteck zu verlassen. Als ich der alten Frau nämlich beim Fortgehen dankte, sagte ich, veranlass durch meine kindischen Begriffe von Ehre: »Ich werde Sie nicht verraten, Madame. Meine Mutter soll nicht erfahren, dass Sie mich

      in Ihrem Schlafzimmer verborgen hielten.«

      Die Sybille legte ihre dürren, knochigen Hände auf meine Schulter und drückte mich in den Stuhl, von dem ich eben aufgestanden war, zurück.

      »Knabe!« rief sie, mich mit ihren feurigen Augen durchbohrend, »wagst Du zu glauben, dass ich je in meinem Leben etwas tat, dessen ich mich zu schämen hätte? Glaubst Du, dass ich mich dieser Tat schäme? Warte hier. Damit Deine Mutter mich nicht auch missversteht, werde ich ihr schreiben.«

      Sie setzte ihre große, runde Brille mit der Schildpatteinfassung auf und begann zu schreiben. Sobald ihre Gedanken sie verließen oder sie einen Ausdruck suchte, den sie nicht gleich finden konnte, blickte sie über ihre Schulter, als ob ein sichtbares Wesen dort stände und ihren Brief verfolgte – es war der Geist ihres Mannes, den sie so zu Rate zog, wie man einen lebenden Menschen befragt – sanft lächelnd schrieb sie dann ruhig weiter. »So!« sagte sie und reichte mir den Brief


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