Leni Behrendt Staffel 2 – Liebesroman. Leni BehrendtЧитать онлайн книгу.
der standesamtlichen Trauung, bei der Jonathan von der Gylt und Kapitän Claas Fröke als Trauzeugen fungierten, nahm man im vertrauten Kreis ein exquisites Frühstück ein und zog sich dann zur kurzen Ruhepause zurück. Der Hochzeiter, der es sich in seinem Zimmer ein wenig bequem gemacht hatte und geruhsam die erste Pfeife an diesem Tag rauchte, forderte nicht gerade freundlich zum Eintritt auf, als es klopfte. Doch um so freundlicher begrüßte er den eintretenden Frederik von der Gylt, der in seinem schwarzen Rock sehr feierlich wirkte.
»Ach du bist es, geliebter Schwiegergroßpapa, denn man immer rein in die gute Stube.«
»Bleib sitzen, Junge, ich geselle mich zu dir und rauche in Ruhe eine Zigarre.«
Als er bequem saß und das gute Kraut brannte, zog er aus der Innentasche seines feierlichen Rockes ein Kuvert und reichte es dem Grafen.
»Was da drin steckt, ist mein Hochzeitsgeschenk für dich.«
»Mein Gott, Frederik, aber das geht doch nicht«, sah der Beschenkte fast entsetzt auf die hohe Ziffer, die da auf einem so harmlos scheinenden Blatt vermerkt war. »Du kannst doch nicht so viel Geld weggeben und wenn, käme es doch eher deiner Enkeltochter zu.«
»Beruhige dich, mein Junge, ich habe redlich zwischen euch geteilt, nämlich die Summe, die Clarissa mir hinterließ. Und da sie ja auch einmal eine Björn gewesen ist, darf der letzte Björn nicht übergangen werden. Also hättest du auf jeden Fall das Geld von mir bekommen, auch wenn Armgard nicht deine Frau geworden wäre, das ist nichts weiter als fair.«
»Na, ich danke, von wegen fair, nobel wäre die richtigere Bezeichnung.«
»Nenne es, wie du willst, aber stecke den Zettel weg und sei friedlich. Hast genug geschuftet, um Schloß Dünen überhaupt halten zu können, betrachte das da als Frucht deiner Arbeit.«
»Hast du aber auch wirklich für dich…«
»Ach, du meinst, ob ich für mich genug zurückbehalten habe? Laß man, es reicht für alle, für Armgard, für dich, für mich und auch noch für ein Dutzend Urgroßenkel.«
»Gott soll mich bewahren!« hob Folko lachend die Hände. »Das wäre dann ja schon Dutzendware.«
So wurde denn das lachend überbrückt, von dem es heißt: Geben ist seliger als nehmen, aber nehmen bringt mehr ein.
Armgard hätte später nie so richtig sagen können, wie ihr Hochzeitstag in allen Einzelheiten verlaufen war. Daß sie eine bezaubernde Braut war, hörte sie an allen Ecken und Enden, und daß der Bräutigam wie die personifizierte Vornehmheit wirkte, sah sie selbst.
Die Segnung des greisen Pfarrers am Altar beeindruckte sie sehr. Demütig neigte sie den Kopf, den die Krone der Grafen Björn schmückte, denn sie gehörte ja nun auch zu dem alten erlauchten Geschlecht. Ein Dankgebet zu Gott stieg auf und die Bitte um Gnade und Huld für die Zukunft.
Dann kam die Gratulationscour. Sie wurde von Menschen umarmt und geküßt, von denen sie bisher keine Ahnung hatte. Es war ja aber auch alles geladen, was irgendwie zu den Björns gehörte. Man wollte damit die Ehre des Namens wiederherstellen, die ein Björn befleckt hatte. Die erlauchten Namen Björn, der von Hollgan, der von der Gylt, das gab einen guten Klang.
Die illustre Gesellschaft an der prächtig geschmückten Hochzeitstafel, das Umkleiden zur Hochzeitsreise, der Abschied von den Lieben, das erlebte Armgard alles wie im Traum. Und als sie im Auto saß und ein Arm sie zärtlich umfing, da begann für sie der Traum der Liebe, aus dem es ja auch einmal ein Erwachen geben würde, aber hoffentlich ein glückliches und hoffnungsfrohes.
Als der Wagen langsam die Zufahrtsstraße entlang fuhr, standen auf der See die Boote vom Segelklub in Reih und Glied, herrlich geschmückt und bunt illuminiert. Hochrufe wurden laut, Glückwünsche für das junge Paar und dann spielten Handharmonikas die alte liebe Weise, deren Schlußworte ein glückseliges Menschenkind mitsprach wie ein Gebet:
»Wo die Meereswellen rauschen, mein Herz vor Anker ging.«
Mit einem konventionellen Lächeln sah die junge Frau der stattlichen Dame entgegen, die nach Anmeldung des Dieners das luxuriöse Zimmer betrat. Hüben wie drüben ein forschender Blick, und dann umschlang ein Band von Sympathie die beiden ungleichen Frauen.
»Seien Sie mir herzlich willkommen«, sprach die jüngere zaghaft. »Ich freue mich, daß Sie gekommen sind.«
»Wie formell!« lachte die andere. »Den Ton wollen wir erst gar nicht zwischen uns aufkommen lassen, mein Kind. Du bist immerhin die Frau meines Neffen, und ich bin daher die Tante Beate, die sogar auf deiner Hochzeit war.«
»Entschuldige bitte, Tante Beate, aber da waren so viele. Bitte, nimm Platz. Darf ich dir eine Erfrischung anbieten?«
»Gegen eine Tasse Kaffee hätte ich nichts einzuwenden«, ließ Frau Beate Norber sich in einen der tiefen Sessel sinken, die den Kamin umstanden. »Es ist so ein richtiges Hubberwetter draußen, das bis auf die Knochen geht. Da ist ein heißer Kaffee schon angebracht. – Praktisch«, meinte sie, nachdem die junge Frau durch das Haustelefon die Bestellung aufgegeben hatte. »Da braucht man die dienstbaren Geister nicht erst herbeizuklingeln. Du hast es überhaupt wunderschön hier.«
»Ja, das habe ich.«
Es klang so sonderbar, daß Beate ihr Gegenüber forschend betrachtete. Und was sie da sah, ließ sie betroffen werden.
»Bist du krank, Elonie?« fragte sie leise. »Oder hat dein – verzeih – erbärmliches Aussehen einen anderen Grund?«
»Nichts von beiden, Tante Beate«, kam es bitter über die zuckenden Lippen. »Ich war und bleibe eben ein verzärteltes Treibhauspflänzchen.«
Mitleidig sah Beate in das durchsichtig weiße Gesichtchen. Unter den verschleierten Augen lagen tiefe Schatten. Die Gestalt konnte man mit verhungert bezeichnen. Selbst das einst so wunderschöne lichtbraune Haar hatte seinen goldigen Glanz verloren. Nichts, aber auch gar nichts war von der bezaubernden Braut übriggeblieben, die sie vor einem halben Jahr gewesen. Die Augen hatten gestrahlt, der Mund gelacht. Eine zaubersüße Braut, die man entzückt betrachtet hatte.
Der Eintritt des Dieners riß Beate aus ihren Gedanken. Er schob den Servierwagen vor sich her, mit einer Miene, die etwas Herablassendes hatte.
»Ist gut, Jan, Sie können gehen«, wurde er von der Herrin verabschiedet, die dann den niedrigen Tisch zwischen den Sesseln deckte, ihren Gast aus der Maschine mit Kaffee versorgte und den Teller mit Gebäck vor ihn hin stellte.
»Bitte, Tante Beate, greif zu«, sagte sie mit einem Lächeln, das der menschenkundigen Frau mehr verriet als viele Worte es vermocht hätten. Hier saß ein Mensch, der Weg und Steg verlor und den sie spontan in ihr mitfühlendes Herz schloß.
»Der Kaffee ist gut«, schlug sie absichtlich einen munteren Ton an. »Wie geht es Diederich?«
»Ich weiß es nicht, Tante Beate«, kam es ziemlich gleichgültig zurück. »Er war vier Wochen unterwegs. Ich glaube, er ist heute nacht zurückgekehrt.«
»Aber, aber, hat er dich denn nicht begrüßt?«
»Nein.«
»Auch heute früh nicht?«
»Ich pflege bis elf Uhr zu schlafen.«
»Und wer kümmert sich um den Hausstand?«
»Ein Phänomen von Hausdame und ein ebensolcher Diener. Sie sind länger als ich in diesem Haus und ihrem Herrn treu ergeben. Iß doch bitte, Tante Beate.«
»Nein, mein Kind!« Sie stellte energisch die Tasse auf den Unterteller. »Mir würde der Bissen im Hals steckenbleiben. Denn wer dich früher gekannt hat und dich heute sieht, dem muß sich das Herz krümmen vor Jammer. Wie konntest du nur so herunterkommen?«
»Das liegt an mir«, erfolgte die Antwort wie eingelernt. »Zu essen gibt es hier in Hülle und Fülle.«
»Und was gibt es noch?«